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VerkehrspolitikMerkel speist Umweltorganisationen mit Anstandstreffen ab

Im Jahr 2018 traf sich die Bundeskanzlerin neunmal offiziell mit Vertretern der Autobranche. Mit Umweltschutzorganisationen hingegen fand nur eine offizielle Gesprächsrunde statt, bei der lediglich am Rande die Verkehrspolitik thematisiert wurde.

12.04.2019 – Bereits Mitte März hatte die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Sven-Christian Kindler für Aufsehen gesorgt. Darin kam ans Licht, dass Verkehrsminister Scheuer sich 2018 15 Mal zu Gesprächen mit Vertretern der Automobilbranche traf und kein einziges Mal Umweltschutzorganisationen zum Gespräch bat, obwohl diese mehrfach angefragt hatten. Und nun zeigt sich, dass auch Angela Merkel offensichtlich wenig Interesse an einem fairen Interessensausgleich zwischen Autoindustrie und Umweltschutzorganisationen hat. Dies geht aus einer erneuten Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Kindler, bezüglich der Treffen von Merkel mit Interessenvertretern, hervor.

So traf sich die Bundeskanzlerin 2018 neunmal mit den fast immer gleichen Vertretern von VW, Daimler, BMW und dem Interessenverband der Automobilindustrie VDA. Teilweise in persönlichen Einzelgesprächen kam Dieter Zetsche, Noch-Vorstandsvorsitzender von Daimler, dreimal offiziell mit der Kanzlerin zusammen. Bei Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender von VW, waren es sogar vier Treffen.

„Die Automobilindustrie kann lügen und betrügen, ohne dass es Konsequenzen hat“

Für Kindler hat diese Einladungspraxis konkrete Folgen: „Die Automobilindustrie kann lügen und betrügen, ohne dass es Konsequenzen hat. Dafür leiden die Menschen unter dreckiger Luft und das Klima wird weiter zerstört." Denn für die Autobosse stehe die Tür im Kanzleramt immer offen, während Umweltorganisationen mit einem Anstandstreffen abgespeist werden, kritisiert Kindler.

Und bei dem einzigen möglichen Treffen von Umweltschutzorganisationen mit der Bundeskanzlerin wurde der Verkehr „allenfalls kursorisch thematisiert,“ wie Daniel Rieger, Leiter der Verkehrspolitik beim NABU mitteilt. Denn in der einzigen offiziellen Gesprächsrunde 2018 von Angela Merkel mit den Vorsitzenden von NABU, WWF, BUND und Greenpeace mussten ebenfalls andere wichtige Fragen des Natur-, Umwelt- und Klimaschutzes erörtert werden.

„Das ist einfach ein Missstand, den wir in Deutschland haben“

Dabei gab es auch konkrete Anfragen von Umweltschutzorganisationen zur Problematik von Verkehrspolitik und Klimaschutz, wie Benjamin Stephan, Verkehrsexperte bei Greenpeace, beispielhaft aufzeigt. Nach einem kurzen Gespräch mit Angela Merkel am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Mainz im letzten Jahr bat Stephan, gemeinsam mit der Geschäftsführung von Greenpeace, in einem Schreiben um ein offizielles Treffen mit der Kanzlerin zur Verkehrspolitik. Dieses Schreiben wurde jedoch nie beantwortet.

Dabei hatte die Kanzlerin Stephan in dem kurzen Gespräch in Mainz sogar darauf verwiesen, dass sie die Thematik in einem offiziellen Treffen noch einmal vertiefen könnten. „Das ist einfach ein Missstand, den wir in Deutschland haben“, kritisiert Stephan das fehlende Gehör der Umweltorganisationen in der Bundesregierung – während die Autoindustrie eins zu eins ihre Positionen durchsetzen könne. mf


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