Siemens Energy: Ein Kohleausstieg der keiner ist
Die Proteste gegen Siemens Kohlegeschäfte waren groß und der Konzern hat reagiert. Eine Abkehr von der Kohle vollzieht der Konzern aber nicht. Und mit dem Ausbau einer weiteren fossilen Sparte droht Siemens die Energiewende vollends zu verschleppen.
13.11.2020 – Seit April 2020 firmiert die Energiesparte von Siemens als eigenständiges Unternehmen. Während Siemens selbst kräftig Gewinne macht, zeigt sich seit der Abspaltung, wie verlustreich das Energiegeschäft für das neue inzwischen börsennotierte Unternehmen Siemens Energy ist. Die Energiesparte Siemens Energy musste im Zuge ihrer Abspaltung Umsätze seit September letzten Jahres öffentlich machen. Innerhalb eines Jahres betrugen die Verluste unterm Strich 1,9 Milliarden Euro. Dies zog Konzernchef Christian Bruch auch als Grund heran, nicht komplett auf Kohlekraft verzichten zu können.
Dabei war der Druck groß. Das vom Umfang her vergleichsweise kleine Geschäft mit Bahnsignalen für Schienen, auf denen in Australien Kohle transportiert werden soll, brachte Siemens auf die Agenda von Klimaaktivsten. Der Fridays for Future-Aktivist Nick Heubeck startete daraufhin eine Petition auf, in der er forderte „die Beteiligung an einem der größten Kohlemineprojekte unserer Zeit zu stoppen“. Gemeinsam mit Luisa Neubauer traf sich Heubeck mit dem bisherigen Siemens-Chef Joe Kaeser, um ihn von der Beteiligung an dem Kohleprojekt abzubringen – jedoch ohne Erfolg. Siemens wird sich am Kohleabbau in Australien durch die indische Adani-Gruppe beteiligen.
Immerhin versicherte Siemens weitere laufende und geplante Kohlevorhaben einer Revision zu unterziehen. Und tatsächlich verkündete Siemens Energy diese Woche sich nicht mehr an der Ausschreibung reiner Kohlekraftwerke zu beteiligen. Doch weiter verfolgen wird Siemens Energy Kohleprojekte für die bereits Verträge vorliegen sowie Projekte, bei denen das Unternehmen schon Angebote abgegeben hat.
Aus Adani hat bei Siemens offensichtlich niemand gelernt
Nick Heubeck, Fridays for Future
So bleibe Siemens Energy bei einem umstrittenen Kohlekraftwerksprojekt in Indonesien dabei, erklärte Konzernchef Bruch gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Man verzichte jährlich effektiv nur auf Kohle-Umsätze im prozentual einstelligen Bereich, räumte Bruch weiter ein. Auch werde Siemens weiter Projekte annehmen, bei denen unter anderem Kohlekomponenten enthalten seien. „Aus Adani hat bei Siemens offensichtlich niemand gelernt“, teilt Heubeck auf Anfrage der energiezukunft mit.
Die Klimakrise sei inzwischen so weit fortgeschritten, dass wir die Katastrophe gar nicht mehr abwenden können, wenn alle Unternehmen auf ihren bereits abgeschlossenen Verträgen beharren, so Heubeck weiter. Auch die Umweltorganisation urgewald kritisierte in der Vergangenheit wiederholt die Kohlegeschäfte von Siemens. Regine Richter, Energie-Campaignerin bei urgewald, mahnt nun: „Um die 1,5 Grad-Grenze bei der Erderwärmung einhalten zu können, müssen Kohlekraftwerke schnellstmöglich abgeschaltet werden.“
Doch neben dem Festhalten an Verträgen und verbindlichen Angeboten, wird Siemens Energy weiterhin Komponenten für existierende Kohlekraftwerke liefern, kritisiert Richter. So wird sich Siemens Energy voraussichtlich weiterhin an Ausschreibungen für Heizkraftwerke mit Kohlekomponenten beteiligen.
Der verstärkte Fokus auf Gas, verschleppt die Abkehr von fossilen Energieträgern weiter
Nick Heubeck, Fridays for Future
Darüber hinaus steht ein weiterer fossiler Geschäftszweig von Siemens Energy in der Kritik. Das Gasgeschäft will das Unternehmen kräftig ausbauen. Konzernchef Bruch verweist unter anderem auf ein Projekt in Kanada, wo ein Wechsel von Kohle- auf Gasverstromung vollzogen werde. Das sei eine „Blaupause für die Energiewende“. Heubeck und Richter sehen das anders. Der verstärkte Fokus von Siemens Energy auf Gas, verschleppe die weltweite Abkehr von fossilen Energieträgern weiter, so Heubeck.
Für Richter ist klar, dass der Ausstieg aus dem Gasgeschäft nicht „gleich Morgen“ vollzogen werden kann, aber es müsse eine klare Perspektive für einen Ausstiegspfad entwickelt werden, teilt sie auf Anfrage der energiezukunft mit. Doch aktuell werde mit der Aussicht auf grünen Wasserstoff der Neubau klassischer fossiler Gasinfrastruktur gerechtfertigt. „Das ist nicht vereinbar mit den Pariser Klimazielen“, so Richter. Darüber hinaus sei das Gasgeschäft mit wirtschaftlichen Gefahren verbunden.
Richter verweist dabei auf ein Bauvorhaben in Israel. Siemens Energy will im Nahen Osten ein 750 Millionen Euro teures Gas-Kraftwerk errichten. Doch die israelische Regierung könnte dem Bauvorhaben nun eine Absage erteilen. Das Land hat kürzlich entschieden den Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung bis 2030 zu verdreifachen. Privaten Investoren will die Regierung nur noch den Bau regenerativer Energieanlagen gestatten. mf