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LieferkettengesetzGerechte Lieferketten für die Energiewende

Links ein Bild von Minenarbeitern in Botswana an einer Maschine. Rechts Windkraftanlagenbauer hängen mit Seilen an einer Windturbine.
Minenarbeiter in Botswana und Windanlagenbauer in Deutschland. Für beide muss es gerechte Arbeitsbedingungen geben. (Fotos: Tshekiso Tebalo auf Pixabay und Science in HD on Unsplash, beide Public Domain)

In der Schweiz wurde es knapp abgelehnt, In Deutschland steht ein wirksames Lieferkettengesetz noch aus. Auch für die Energiewirtschaft werden Ressourcen häufig unter unwürdigen Bedingungen abgebaut. Vertreter der Erneuerbaren-Energien-Branche haben das erkannt und steuern schon jetzt dagegen.

30.11.2020 – In der Schweiz hatten die Bürger gestern die Möglichkeit über eines der strengsten Lieferkettengesetze der Welt abzustimmen. Eine Initiative brachte eine Volksabstimmung auf den Weg, mit dem Ziel Unternehmen mit Sitz in der Schweiz dazu zwingen, die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in allen globalen Produktionsschritten zu garantieren. Andernfalls könnten sie vor Schweizer Gerichten zur Verantwortung gezogen werden. Die Regierung war gegen solche weitreichenden Eingriffe in das Geschäftsgebaren der Konzerne.

Zwar stimmte eine knappe Mehrheit der Schweizer für ein strenges Lieferkettengesetz, doch zugleich wurde die nötige Mehrheit der Kantone verfehlt. Nun wird ein vom Schweizer Parlament verabschiedeter Gegenvorschlag auf den Weg gebracht. Der Vorschlag sieht Berichterstattungspflichten für Firmen vor und Bußgelder. Eine zivilrechtliche Haftung gibt es hingegen nicht.

In Deutschland sprechen sich einer Umfrage von infratest dimap zufolge mehr als Dreiviertel der Bürger für ein wirksames Lieferkettengesetz aus. Doch hierzulande sind gesetzlich keine Volksabstimmungen auf Bundesebene vorgesehen. Arbeitsminister Hubertus Heil und Bundesentwicklungsminister Gerd Müller trieben in den vergangenen Monaten eine entsprechende Gesetzesinitiative voran. Sie sehen freiwillige Selbstverpflichtungen als gescheitert an. Vorangegangen waren Unternehmensbefragungen, die ergaben, dass deutlich weniger als 50 Prozent der befragten Firmen ihrer unternehmerischen Sorgfaltspflicht nachkommen.

Entwicklungsminister Müller sagte im Juli: „Zur Verwirklichung von Menschenrechtsstandards, die entlang der Lieferketten Kinderarbeit ausschließen und grundlegende ökologische und soziale Mindeststandards sichern, brauchen wir jetzt einen gesetzlichen Rahmen, so wie im Koalitionsvertrag festgelegt.“ Demnach solle eine gesetzliche Regulierung erarbeitet werden, wenn sich bis 2020 freiwillige Maßnahmen nicht als wirksam erweisen.

Eigentlich sollte ein Lieferkettengesetz längst zur Abstimmung in den Bundestag gehen, doch das Wirtschaftsministerium blockiert nach wie vor. Müller und Heil wollen Unternehmen ab 500 Mitarbeitern in die Verantwortung nehmen und sehen und eine zivilrechtliche Haftung vor, wonach dann Unternehmen vor Gericht für Verfehlungen zur Verantwortung gezogen werden können. Von Wirtschaftsminister Altmaier ist jedoch nach wie vor zu hören, dass er ein Lieferkettengesetz nur für Unternehmen ab 5.000 Mitarbeitenden und ohne zivilrechtlichen Durchsetzungsmechanismus akzeptiert.

Ressourcen für die Energiewirtschaft

Dabei ist ein wirksames Lieferkettengesetz auch für die Energiewirtschaft immens wichtig. Im letzten Jahr importierte Deutschland über 35 Millionen Tonnen Steinkohle, für Kraftwerke und die Industrie. Vor allem der Import aus Kolumbien steht in der Kritik. In den dortigen Minen kommt es regelmäßig zu Menschenrechtsverletzungen und erheblichen Umweltbelastungen. Auch der Abbau von Uran – dem Brennstoff für die Atomkraftwerke – ist mit schwerwiegenden Folgen verbunden. Vor allem die gesundheitlichen Schäden sind immens. Radioaktiver Staub und Abwasser verseuchen Grundwasser und Flüsse in der Umgebung der Minen. Regenerative Energieanlagen hingegen verbrauchen beim Betrieb keine Ressourcen. Rohstoffe werden lediglich für den Bau benötigt. Doch wo kommen diese her? Windräder etwa brauchen seltene Erden, sowie verschiedenste Metalle, wie Eisen, Stahl, Aluminium und Kupfer.

Noch werden metallische Rohstoffe überwiegend importiert – meist aus Entwicklungs- und Schwellenländern. Das Hilfswerk Misereor macht in einer 2018 erschienen Studie deutlich, dass Bergbauprojekte zur Gewinnung der Rohstoffe in zahlreichen Ländern mit Problemen einhergehen. Für die Rohstoffkonzerne selbst steht Profit oft an erster Stelle. Dazu kommen vielerorts schwache oder korrupte Regierungen, die sich nicht um die Belange von Menschen und Umwelt kümmern. Ein Beispiel ist Brasilien, wo 56 Prozent des in Deutschland benötigten Eisenerzes herkommt, der zu Eisen und Stahl verarbeitet wird. Für die größte Eisenerzmine des Landes, die Carajás-Mine, mussten riesige Regenwaldgebiete weichen. Die Arbeiten finden unter schlechter Bezahlung und hohem Arbeitspensum statt.

Einer der wichtigsten Bezieher von Eisen und Stahl ist das Industrieschwergewicht Thyssenkrupp. Der Konzern fertigt auch Komponenten für Windkraftanlagen. Auf Anfrage von Misereor gibt Thyssenkrupp an, dass Lieferanten ökologische und soziale Mindeststandards bewahren und diese schriftlich bestätigen müssen. Dies werde regelmäßig überprüft und bei Verstößen sei eine außerordentliche Kündigung möglich. Trotzdem bezieht Thyssenkrupp heute noch Eisenerz aus der Carajás-Mine.

Erneuerbare-Energien-Branche setzt sich ein

Der größte deutsche Windkraftanlagenbauer Enercon schließt den Kauf von Schlüsselkomponenten bei Thyssenkrupp aus, teilt Enercon auf Anfrage der energiezukunft mit. Bereits im Vorfeld würden potenzielle Lieferanten geprüft und bewertet. Sie werden zu Umweltschutz und Achtung der Menschenrechte verpflichtet. Das gelte auch für alle Sub-Lieferanten. Zwar sei der Versuch der Einflussnahme auf Lieferanten nicht immer leicht, so Enercon, aber Erfolge bereits sichtbar, auch beim Abbau seltener Erden. 90 Prozent der seltenen Erden, wie Neodym und Dysprosium kommen aus China und sind vor allem für die Turbinen der Windkraftanlagen relevant.

Auch aus chinesischen Minen sind menschenunwürdige und umweltschädliche Bedingungen bekannt. Doch Enercon pocht auf eine transparente Unternehmenspolitik der chinesischen Zulieferer, die Informationen über Prozesse und Bedingungen bei der Förderung der Rohstoffe bereitstellen und verifizieren müssen. Der ständige Austausch mit China läuft gut, berichtet Enercon. Es gebe nachvollziehbare und tiefe Einblicke in die Abbau- und Produktionsprozesse.

Auch der Reduzierung und dem Recycling von Rohstoffen nimmt sich die Branche verstärkt an. Siemens sei es gelungen in ihren Windkraftturbinen den Dysprosium-Anteil von fünf auf unter ein Prozent zu reduzieren. Einige Windkraftanlagen von Enercon kommen sogar ganz ohne Dysprosium und Neodym aus. Beim Repowering, einem Verfahren, bei dem alte Windkrafträder am selben Standort durch neue leistungsstärkere ersetzt werden, nimmt Enercon bei Bedarf Altanlagen vom Betreiber zurück. Die Komponenten werden wiederaufbereitet und dienen als Ersatzteile für andere Anlagen. Alte Anlagen werden oft nach dem Ende ihrer Förderung abgebaut, wenn sie nach 20 Jahren aus dem EEG fallen. NATURSTROM sieht aber auch Vorteile im Weiterbetrieb alter Anlagen. Der Strom wird gezielt zur Belieferung von Haushalts- und Gewerbekunden eingesetzt. Wirtschaftlich lohnt sich das für den Ökostromer und es schont gezielt Ressourcen.

Grüner Wasserstoff für Deutschlands Energiewende?

Mit einer groß angelegten Wasserstoffstrategie will die Bundesregierung nun vor allem Industrie und Schwerlastverkehr grüner machen. Auch Tyssenkrupp will seine Produktion langfristig auf grünen Wasserstoff umstellen. Doch unter den aktuellen Ausbaubedingungen reichen Erneuerbare Energien aus Deutschland dafür nicht aus. Bis 2030 müssten sogar über 90 Prozent des Wasserstoffs importiert werden. Die Bundesregierung hat dafür sonnen-, wind- und wasserreiche Gegenden im Globalen Süden in den Blick genommen, wo der Strom sehr günstig erzeugt und in Wasserstoff umgewandelt werden kann. Um nicht Fehler der Vergangenheit zu wiederholen, hat die Stiftung Brot für die Welt in einer groß angelegten Studie Nachhaltigkeitskriterien für grünen Wasserstoff aus dem Globalen Süden erarbeitet. Es muss den Menschen vor Ort nützen und nicht schaden, mahnt Joachim Fünfgelt, einer der Autoren der Studie.

„Grundsätzlich ist es erstmal wichtig, sich gemeinsam mit den Menschen vor Ort die Situation anzuschauen. Wie lebt die Bevölkerung, was sind die Potenziale, was die Vorbehalte“, so Fünfgelt. Viele Menschen im Globalen Süden haben keinen gesicherten Zugang zu Energie. An solchen energiearmen Orten Großkraftwerke für den Export aufzubauen würde Nachhaltigkeitskriterien widersprechen. Doch genau solch ein Projekt droht der Demokratischen Republik Kongo.

Der Afrika-Beauftragte von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Günter Nooke, treibt die Planung eines riesigen Staudamms in dem Land voran. Der daraus gewonnene Strom aus Wasserkraft würde in Stromleitungen, quer durch den Urwald, an die Küste Kongos geleitet, dort per Elektrolyse zu Wasserstoff verarbeitet und nach Deutschland verschifft werden. Nur wenig Strom würde in die lokale Nutzung fließen. Und nicht nur das, für den Staudamm müssten voraussichtlich 37.000 Menschen umgesiedelt werden. Enorme ökologische und ökonomische Schäden wären die Folge. Fischer etwa müssten mit erheblichen Einbußen rechnen. „Dieser Staudamm wäre ein Beispiel dafür, dass Nachhaltigkeitskriterien für die Bundesregierung wenig bis keine Rolle spielen“, sagt Fünfgelt.

In Südafrika ist derweil die Kohlekraft das Problem. Rund 90 Prozent der Stromversorgung stammt dort aus der Verfeuerung von Kohle. Dabei sind Wind und Sonne reichlich vorhanden. Deutschland müsste erst einmal helfen den Anteil Erneuerbarer Energien für den lokalen Gebrauch zu erhöhen, bevor darüber nachgedacht wird Solar- und Windkraftanlagen für den Export von grünem Wasserstoff zu bauen, fordert Brot für die Welt. Auch Teilhabe und Unterstützung der Bevölkerung vor Ort sind wichtige Kriterien. „Im besten Fall profitiert die lokale Bevölkerung, etwa durch Bildungsprogramme und neue Jobs“, so Fünfgelt.

Unterstützung erhält Brot für die Welt aus dem Umwelt- und Entwicklungsministerium. Das BMZ teilte bereits die Sorge, dass lokale Belange bei dem Staudammprojekt im Kongo zu wenig Beachtung finden. Das Bundeswirtschaftsministerium hingegen steht dem Projekt grundsätzlich positiv gegenüber. Während die Erneuerbare-Energien-Branche und zivilgesellschaftliche Organisationen nachhaltige Lieferketten vorantreiben, sträuben sich einige Wirtschaftspolitiker der Union und Industrievertreter noch. Dabei haben die Befürworter strengerer Regelungen die große Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Manuel Först

 

Der Artikel erschien ebenfalls (in gekürzter Form) in der neuen Magazin-Ausgabe der energiezukunft – mit dem Thema Gerechter Wandel.


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