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Solarenergie Made in EuropeAus für die heimische Photovoltaik-Fertigung?

Weißer Bauhelm liegt auf Solarmodulen
Solarenergie boomt – doch die deutsche Solarindustrie hat Probleme. (Foto: Evgeniy Alyoshin on Unsplash)

Der PV-Markt boomt. Doch die europäischen Hersteller sind aufgrund der übermächtigen günstigen Konkurrenz aus China im Krisenmodus. Unternehmen wie Meyer Burger drohen mit der Schließung der Modulfertigung. Gefordert werden Resilienz-Boni.

04.03.2024 – Solarstrom liegt voll im Trend. Weltweit stieg der Photovoltaikzubau in 2023 um 58 Prozent auf 413 Gigawatt (GW), in Europa um 40 Prozent auf 56 GW. In Deutschland wurden PV-Anlagen mit einer Leistung von 14,1 GW neu installiert, das ist beinahe eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr.

Die solare Wertschöpfungskette wird von China dominiert. Mehr als 90 Prozent des Polysiliziums, der Wafer, Solarzellen und Module kommen aus dem Reich der Mitte oder aus asiatischen Staaten, deren Fabriken überwiegend in der Hand von chinesischen Eignern liegen. „Derzeit können weniger als zwei Prozent der Nachfrage nach Photovoltaik in Europa aus europäischer Fertigung gedeckt werden“, konstatiert Walburga Hemetsberger, Chefin des Branchenverbands SolarPower Europe.

Preiskampf aufgrund von Überkapazitäten

Verschärft wird die Situation für die europäischen Hersteller durch die vor allem in China aufgebauten Überkapazitäten. Laut Schätzungen können in den chinesischen Fabriken jährlich rund 600 GW Module gefertigt werden und damit gut ein Drittel mehr als die weltweite Nachfrage. In Folge des Überangebots sanken die Preise innerhalb der vergangenen Monate um mehr als 50 Prozent. Günstige chinesische Module überschwemmten den europäischen Markt mit Kampfpreisen, die zum Teil deutlich unter den Produktionskosten liegen.

Verstärkt wurde dies durch den raschen Umstieg vieler chinesischer Hersteller von den bisher vorherrschenden Mono PERC PV-Modulen auf leistungsfähigere N-type Module, so die Einschätzung des niederländischen Solaranalysten Gerard Scheper. Die Lagerbestände der Module mit der älteren Technik seien vielfach verramscht worden.

Hilferufe und Insolvenzen

Bereits seit vergangenem Sommer häufen sich die Hilferufe der europäischen Solarindustrie. „Wenn jetzt nichts passiert, ist das Risiko groß, dass europäische Solarproduzenten in den nächsten Monaten massive Probleme bekommen werden, manche sogar insolvent gehen“, warnten 40 europäische Solarunternehmen Mitte September 2023 in einem offenen Brief nach Brüssel. Bereits im August meldete der Ingothersteller Norwegian Crystals Insolvenz an. Anfang September setzte der norwegische Waferhersteller Norsun vorläufig die Produktion aus. REC Solar Norway, der zweitwichtigste europäische Hersteller von Solarsilizium (nach Wacker Chemie/D) stellte im November 2023 die Produktion ein.

Die EU- Staats- und Regierungschefs versicherten mehrfach, die heimische PV-Industrie stärken zu wollen. Eine so starke Abhängigkeit von China in einer so wichtigen Zukunftsbranche sei zu gefährlich. Zudem legte die EU-Kommission einen Net Zero Industry Act als Teil des Green Industrial Plan vor. Ziel ist, grüne Schlüsseltechnologien in Europa zu fördern. Dabei sollen u.a. resiliente und nachhaltige Erzeugungsanlagen – aus europäischer Fertigung – eine höhere Vergütung im Rahmen von Auktionen und Ausschreibungen für Solarstrom erhalten. Über Kaufanreize soll es Endkunden zur Nutzung von PV-Modulen und Komponenten „made in Europe“ anhalten.

Resilienz-Bonus muss noch warten

Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) fordert schon länger von der Bundesregierung im Rahmen das Solarpakets 1 zeitlich befristete Resilienz-Boni sowie zusätzliche Resilienz-Ausschreibungen. Mit der Zahlung soll die Preisdifferenz von Solarprodukten aus europäischer Fertigung sowie aus Fernost ausgeglichen werden. Doch umgesetzt ist dies bis jetzt nicht. Mitte November 2023 kippte das Bundesverfassungsgericht den Haushalt der Ampelkoalition, der Hilfen für die Solarindustrie vorsah. Seitdem sperrt sich vor allem die FDP gegen die Einführung eines Resilienz-Bonus.

Meyer Burger Module – nicht mehr „made in Freiberg“?

Dafür eskalierten die SOS-Rufe weiter. Mitte Januar 2024 drohte Meyer Burger mit der Schließung der größten deutschen Solarmodulfertigung (650 Megawatt) im sächsischen Freiberg im April, falls die Politik nicht Maßnahmen zur Herstellung „fairer Wettbewerbsbedingungen“ wie Resilienz-Boni ergreife. Lieferverträge hatte das Unternehmen im Übrigen mit Norsun und Norwegian Crystals.

Vor einigen Tagen legte Gunter Erfurt, Chef von Meyer Burger, nach und kündigte an, ab März in Freiberg keine Module mehr zu fertigen und den Standort mit 500 Mitarbeitern Ende April zu schließen – falls die Politik nicht doch noch kurzfristig gegensteuere. Stattdessen will das Unternehmen die Produktion in die USA verlagern, wo üppige Subventionen winken. In Goodyear (Arizona) sollen schon ab Mai die ersten PV-Module vom Band laufen. In Colorado-Springs soll eine alte Halbleiterfabrik des Chipherstellers Intel für eine moderne Solarzellenproduktion umgerüstet werden. Die bestehende Fertigung von Heterojunction-Solarzellen in Thalheim (Sachsen-Anhalt) soll jedoch noch ein Jahr weiterlaufen, um den Hochlauf der Modulproduktion in den USA zu unterstützen.

Auch Solarwatt und Heckert Solar schlagen Alarm

Nach Meyer Burger drohte mittlerweile auch das Dresdner Unternehmen Solarwatt mit Abwanderung seiner Modulproduktion. „Wenn es keine zeitnahen Entscheidungen aus Brüssel und Berlin beispielsweise zum Resilienz-Bonus gibt, werden wir gezwungen sein, eventuell die Herstellung von Dresden an andere, bereits bestehende Produktionsstandorte im Ausland zu verlagern", so Vorstandschef Detlef Neuhaus.

Und auch der Chemnitzer Modulhersteller Heckert Solar schlug Alarm, drosselte seine Produktion und pausierte Investitionen in die Fertigung. „Wenn es positive Signale gibt, werden wir aber auch wieder investieren“, erklärte Unternehmenschef Benjamin Trinkerl gegenüber dem Handelsblatt.

Widerstand aus der Branche

Allerdings gibt es gegen den geforderten Bonus auch Widerstand aus der Branche selbst. Dagegen wenden sich Start-ups wie Enpal oder 1Komma5 Grad, die Solaranlagen verkaufen und davon profitieren, wenn PV-Module möglichst günstig sind. Beim Resilienz-Bonus handle es sich um eine Fortsetzung komplexer nationaler Sonderförderungen auf Kosten der Allgemeinheit, schrieb etwa Philipp Schröder, Chef von 1Komma5 Grad, auf LinkedIn.

Stattdessen reagierte Schröder mit einem überraschenden Angebot. Man sei bereit, die Modulfertigung von Meyer Burger in Freiberg zu übernehmen, wenn das Unternehmen diese aufgebe. Auch Enpal kündigte an, eine eigene Produktion in Deutschland bzw. Europa aufzubauen. Geplant sei ein europaweites Konsortium für die heimische Fertigung von Solarmodulen, so Gründer und CEO Mario Kohle. In diesem Zusammenhang sprach er sich für direkte Investitions- und Betriebskostenzuschüsse aus, nach dem Beispiel von Northvolt in Heide oder Intel in Madgeburg.

Sportliches EU-Ziel

Wie realistisch die Fabrikpläne der Newcomer sind, wird sich noch zeigen. Unterdessen kündigte die Ampelregierung an, das Solarpaket 1 frühestens Ende März zu verabschieden. Im Laufe des März soll auch der Net Zero Industry Act durch das Europäische Parlament und den EU-Ministerrat abschließend beschlossen werden. Ob ein Resilienz-Bonus kommt, ist noch offen. Klar ist jedenfalls, dass es sehr sportlich werden wird, das EU-Ziel, bis 2030 40 Prozent des europäischen Bedarfs an Solarmodulen in Europa zu produzieren, zu erreichen.
Hans-Christoph Neidlein


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