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Die Meinung
05. Dezember 2023

COP28: Schlüsselfrage Ausstieg aus den fossilen Energien

Die Klimakonferenz muss Fortschritte in den zentralen Fragen der internationalen Klimagerechtigkeit liefern. Hierzu gab es bereits wichtige Impulse, auch von den Gastgebern, den Vereinigten Arabischen Emiraten. Nun braucht es formale Entscheidungen und nicht nur freiwillige Versprechungen.

Sven Harmeling leitet bei der Hilfsorganisation CARE die Arbeit zu internationaler Klimapolitik

Sven Harmeling leitet bei der Hilfsorganisation CARE die Arbeit zu internationaler Klimapolitik
Ein Mann mit mittellangen Haaren und einem roten Pullover
Bild: CAN Europe

Im Jahr 2022 gab es beispiellose Überschwemmungen in Pakistan und den USA, extreme Sturmfluten im südlichen Afrika, Waldbrände in ganz Europa und rekordverdächtige Hitzewellen in Indien. Es schien, als könne es nicht schlimmer werden. Doch dann kam das Jahr 2023, und Kanada fing Feuer, Teile Libyens wurden weggefegt und Südeuropa schwitzte, was zeigt, dass kein Teil unseres Planeten vor den Verlusten und Schäden geschützt ist, die durch die anhaltenden, vom Menschen verursachten Veränderungen unserer Atmosphäre verursacht werden.

Obwohl der Klimawandel uns alle betrifft, leiden diejenigen von uns, die bereits besonders gefährdet sind, am meisten. Der Klimawandel verschärft die Ungleichheiten und untergräbt die Fortschritte bei den nachhaltigen Entwicklungszielen. Es ist zutiefst ungerecht, dass Menschen in vielen wirtschaftlich ärmeren Ländern um ihr Überleben kämpfen müssen, obwohl sie so wenig zu der Krise beigetragen haben. Der gesamte afrikanische Kontinent trägt mit etwa 18% der Weltbevölkerung weniger als 4 % zu den weltweiten Emissionen bei. Die Industrie für fossile Brennstoffe war im Jahr 2022 für über 90 % der weltweiten Emissionen verantwortlich. Wenn wir eine Chance haben wollen, die globalen Temperaturen auf unter 1,5 °C zu begrenzen und eine sichere, nachhaltige Zukunft für uns alle zu schaffen, müssen wir den Übergang von fossilen Brennstoffen zu sauberen, erneuerbaren Energien schaffen, und zwar jetzt.

Finanzierung für den Umgang mit den Klimafolgen zentral

Die so genannten Entwicklungsländer haben einen rechtlichen Anspruch auf Unterstützung beim Umgang mit den Folgen der Klimakrise. Die Finanzierung der präventiven Klimaanpassung ist schon seit Jahren Gegenstand der Agenda und auch im Paris-Abkommen verankert. 2021 versprachen die Industrieländer, diese bis 2025 mindestens zu verdoppeln, mit bisher aber eher vagen Plänen, weshalb CARE von der COP28 fordert, hier eine konkretere Roadmap vorzulegen. Zudem sollten die 100 Milliarden USD an Gesamtklimafinanzierung, die die Industrieländer eigentlich bis 2020 versprochen hatten und nach letzten Analysen vielleicht 2022 erreicht wurden, als Durchschnittszahl für 2020-2025 verankert werden. Wenn die Industrieländer das Ziel erst später erreichen, müssen sie ihre Versäumnisse aufholen.

Bei der COP27 in Ägypten schaffte es die Finanzierung von Verlusten und Schäden – also nach Schadenseintritt - zum ersten Mal überhaupt auf die Tagesordnung der COP, nach über einem Jahrzehnt der Widerstände von Seiten der Industrieländer. Die Regierungen trafen die bahnbrechende Entscheidung, neue Finanzierungsvereinbarungen sowie einen speziellen Fonds (L&DF) einzurichten, um besonders gefährdete Entwicklungsländer bei der Bewältigung von Verlusten und Schäden zu unterstützen. Die Modalitäten für diesen Fonds waren im Vorfeld der COP28 von einem speziellen Gremium vorbereitet worden als Entscheidungsvorlage. Auch hier gab es zum Teil sehr unterschiedliche Sichtweisen, letztendlich wurde aber ein Kompromiss gefunden, den, trotz zwischenzeitigen öffentlichen Protests, auch die USA mittrugen.

Dass es gelang, die Gründungsdokumente für den Schadensfonds letztendlich am ersten Tag der COP formal anzunehmen, lag zwar im Bereich des Möglichen, war aber nicht sicher. Dieser Schritt wurde dann noch durch erste Finanzzusagen für den Fond in Höhe von mittlerweile mehr als 600 Millionen USD gestärkt, die Vereinigten Arabischen Emirate und Deutschland kündigten als erste Zusagen von jeweils 100 Millionen Dollar an. Das weltweite Medienecho war dementsprechend groß und positiv, denn ein solcher Beschluss zum Auftakt einer COP ist einmalig. Wenngleich auch diese Finanzzusagen nur ein erster Schritt sein können angesichts der Größenordnung der Schäden bereits heute in vielen Ländern, und auch wichtiger Schwächen im Entscheidungstext – beispielsweise fehlen verbindliche Verpflichtungen für die Industrieländer und Bezüge zu Menschenrechtsaspekten -, ist dies doch ein Meilenstein auf dem Weg zu einem gerechteren Umgang mit den Klimaschäden.

Ausstieg aus den fossilen Energien und Energiewende im Fokus der verbleibenden COP28-Zeit

Um die Erwärmung auf langfristig 1,5 °C zu begrenzen, müssen die Emissionen nach Angaben des IPCC spätestens 2025 ihren Höhepunkt erreichen und bis 2030 um 43 % gesenkt werden. Leider zeigt der jüngst veröffentlichte UNEP-Bericht über die Emissionslücke, dass die jüngsten nationalen Zusagen nicht ausreichen, um dieses Ziel zu erreichen. Laut UNEP deuten die derzeitigen Maßnahmen auf einen Temperaturanstieg von 2,8°C bis zum Ende des Jahrhunderts hin, mit potentiell katastrophalen und zum Teil unumkehrbaren Folgen für weite Teil des Planeten. Daher erneuerte der UN-Generalsekretär, Antonio Guterres, zu Beginn der Konferenz seinen Aufruf zum Ausstieg aus den fossilen Energien.

Die Energiewende hin zu einem System, das mit erneuerbaren Energien betrieben wird und frei von fossilen Brennstoffen ist, bietet auch die Chance, integrative Arbeitsplätze in der Erneuerbare- Energien-Branche zu schaffen. Die sinnvolle Beteiligung und Vertretung von Frauen und Mädchen in ihrer ganzen Vielfalt sowie von indigenen Völkern, lokalen Gemeinschaften, Jugendlichen und anderen Randgruppen muss auf allen Ebenen der Geschäftstätigkeit gefördert werden, von der Entscheidungsfindung über die Umsetzung bis hin zur Gewinnbeteiligung.

Die Forderung nach Beschlüssen zum Ausstieg aus den fossilen Energien findet bei dieser UN-Klimakonferenz eine Prominenz wie vielleicht nie zuvor. Aus Sicht von CARE sollten sich alle UNFCCC-Vertragsparteien auf einen raschen, gerechten und ausgewogenen weltweiten Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe in allen Sektoren bis spätestens 2050 und einen massiven Rückgang bereits bis 2030 verständigen, der mit einer Temperaturbegrenzung auf 1,5°C im Einklang steht. Auch wenn die Zeitlinie hier nach Land und Brennstoff – Kohle, Gas, Öl – unterschiedlich sein kann, ist doch wichtig, dass die COP nicht dabei stehenbleibt, nur Beschlüsse zur Verringerung der Nutzung von Kohle wie aus der COP26 zu wiederholen, sondern alle Bereiche abdeckt. Dies sollte ergänzt werden durch ein globales Ziel für den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz.

In den ersten Tagen der Konferenz gab es hierzu bereits eine wichtige Weichenstellung, allerdings auch sehr fragwürdige und potenziell irreführende Versprechungen. Maßgeblich von Deutschland und der EU vorangetrieben, haben 119 Staaten die Deklaration „Global Renewables and Energy Efficiency Pledge“ unterzeichnet. Diese hält unter anderem das Ziel fest, die Kapazitäten an Erneuerbaren Energien bis 2030 auf 11.000 GW zu erhöhen und die Rate der jährlichen Verbesserungen der Energieeffizienz von 2 auf 4% zu steigern. Die am 2.12. vorgestellte sogenannte Oil and Gas Decarbonization Charter (OGDC), eine Selbstverpflichtung der Öl- und Gasindustrie, hingegen ist sehr kritisch zu bewerten, wird sie doch von den gleichen Akteuren getragen, die nachweislich Investitionen planen, die mit den internationalen Klimazielen komplett inkompatibel sind, und die Deklaration selbst blendet auch den größten Teil der Emissionen (Scope 3) – die durch die Verbrennung der Produkte der Unternehmen letztendlich entstehen – aus.

Für die verbleibende Verhandlungswoche bei der COP wird die Arbeit an konkreten Beschlüssen zum Ausstieg aus den fossilen und ihre Verankerung in maßgeblichen Verhandlungssträngen – insbesondere im sogenannten Global Stocktake und den Aufruf zur Einreichung neuer nationaler Klimapläne (NDCs) - maßgeblich sein und viele Diskussionen prägen. Die EU muss hier als Motor, gemeinsam mit progressiven Entwicklungsländern auftreten, Deutschland darf einem umfassenden Ausstiegsbeschluss aus den fossilen Energien nicht im Wege stehen. Der Widerstand einflussreicher Länder inklusive des Gastgebers ist zu überwinden, wozu allerdings auch ein finanzielles und technisches Unterstützungspaket gehören muss.

Geschlechtergerechtigkeit als weitere Schlüsselfrage

Für CARE ist die Gleichstellung der Geschlechter ein Eckpfeiler der Klimaschutzmaßnahmen. Frauen stehen in der Landwirtschaft, im Bildungs- und Gesundheitswesen an vorderster Front. Ihr Fachwissen und ihre Führungsqualitäten können der Schlüssel sein, um den Stürmen des Klimawandels zu trotzen - aber wir können nicht erwarten, dass sie es alleine schaffen. Die Gleichstellung der Geschlechter muss bei den Verhandlungen durchgängig berücksichtigt werden, und Frauen und Mädchen müssen am Entscheidungstisch sitzen. Alle Regierungen müssen sich in ihrem Einflussbereich für geschlechtergerechte Klimaschutzmaßnahmen einsetzen, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. In den vergangenen Jahren haben die Vertragsstaatenparteien im Rahmen des Gender-Aktionsplans zwar bereits einen Rahmen vereinbart und grundsätzliche Zusagen zur Verbesserung der Geschlechtergerechtigkeit gemacht, aber seine Umsetzung hapert noch. Bei dieser COP steht das Thema in den Verhandlungen selbst nicht sehr hoch auf der Agenda, da es bereits bei der letzten COP eine Überprüfung des Aktionsplanes gab. Eine von mehr als 60 Staaten mitgetragene „COP28 Gender-Responsive Just Transitions and Climate Action Partnership“ kann hier aber zumindest ergänzend Impulse setzen. Doch insgesamt zeigen viele Analysen, dass noch großes Potenzial für mehr Geschlechtergerechtigkeit und damit auch eine effektivere Umsetzung von Maßnahmen sowohl für Klimaschutz wie auch Klimaanpassung besteht.

Wie bei den meisten COPs, sind daher zum jetzigen Zeitpunkt, der Mitte der Konferenz, Beschlüsse zwar in ihren Konturen absehbar. Wie gut oder schlecht das Gesamtpaket ausfallen wird und ob dies eine entschlossene Antwort der Staatengemeinschaft auf die immer massiver zuschlagende Klimakrise darstellen wird, wird sich aber noch zeigen. Am Ende ist die Umsetzung vor Ort auf allen Ebenen durch Akteure aus allen gesellschaftlichen Bereichen entscheidend. Nichthandeln ist keine verantwortbare Option angesichts der bereits heute massiven Schäden und Folgen der Klimakrise, die Chancen der Energie- und Klimawende für eine nachhaltigere Zukunft zu nutzen ist hingegen weltweit zentral.

CARE’s Positionspapier zur COP28 ist hier zu finden.




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