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Die Meinung
13. Dezember 2023

COP28: Weichgespültes Abschlussdokument im Sinne sogenannter Entwicklungsländer

Die COP28 ist vorbei – mit einem Beschluss, der fast ohne Verpflichtungen auskommt und finanzkräftige sogenannte Entwicklungsländer mit Samthandschuhen anfasst. Die wirklichen Entwicklungsländer hingegen müssen weiter bangen.

Manuel Grisard, Redakteur der energiezukunft

Manuel Grisard, Redakteur der energiezukunft
Ein Mann mit Bart und kurzen Haaren in einem hellen Anzug
Bild: Privat

Ein einziges Mal findet sich das Wort „verpflichten“ – englisch „commits“ – in dem finalen Abschlussdokument der diesjährigen Klimakonferenz wieder. Unter Punkt 6 werden die Staaten dieser Erde verpflichtet ihre Bemühungen für den Klimaschutz zu erhöhen. Doch sogleich folgt die Einschränkung: Dies müsse unter der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung geschehen. Heißt im Klartext: Die historischen Industriestaaten müssen mehr leisten als die sogenannten klimapolitischen Entwicklungsländer, zu denen aber weiterhin Wirtschaftsmächte wie China und die Golfstaaten zählen.

Dort, wo die Europäische Union und viele weitere Staaten gerne eine Verpflichtung gesehen hätten, findet sich jedoch nur ein „Aufruf“ – engl. „Calls on Parties“. Es ist der Aufruf den Ausbau Erneuerbarer Energien zu verdreifachen, die Energieeffizienz zu verdoppeln und sich von fossilen Energien im Energiesystem wegzubewegen. Doch ein Aufruf ist noch längst keine Verpflichtung und selbst die ohnehin schon weichgespülte Formulierung wird zusätzlich zerlegt.

CCS: unausgereifte und teure Technologie

Da ist vom „phase down of unabated coal power“ die Rede. Also kein Fortschritt gegenüber der COP26, wo in den letzten Minuten der Verhandlungen aus einem phase-out – einem kompletten Ausstieg – ein phase down wurde – ein Runterfahren der Kohlekraft. Schlimmer noch, mit „unabated“ – auf Deutsch „unvermindert“ – wird das Tor weit aufgestoßen, Kohlekraftwerke noch lange weiterzubetreiben, solange diese mit sogenannten CCS-Technologien, die CO2 aus der Kohleverbrennung abfangen und speichern, ausgestattet sind. Doch die Entwicklung von Carbon Capture Systems steckt in ihren Kinderschuhen und erweist sich bereits als extrem teure Technologie.

Ungeachtet dessen findet sich weiter im Text die beschleunigte Entwicklung von CCS als zentraler Ansatz, dem Emissionsausstoß in schwerlich zu reduzierenden Technologien beizukommen. Macht das für die Schwermetall-Industrie durchaus Sinn, wird im Abschlussdokument explizit auch die „kohlenstoffarme Wasserstoffproduktion“ genannt. Ein Gruß insbesondere aus den Golfstaaten, die sich anschicken, den Weltmarkt für Wasserstoff zu übernehmen – den sie aktuell aber vor allem mit Gas produzieren und diesem „blauen Wasserstoff“ durch CCS einen vermeintlich grünen Anstrich geben.

Dem Aufruf „Transitioning away from fuels energy systems“ schließlich folgt der Zusatz, dass dies in einer geordneten und gerechten Weise geschehen müsse. Gerecht wohl vor allem in Verantwortung der Industriestaaten und geordnet wohl vor allem ohne einen radikalen Bruch mit dem bisherigen fossilen Energiesystem. Immerhin wird dazu aufgerufen, die Anstrengungen in diesem kritischen Jahrzehnt zu erhöhen. Und immerhin haben die Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate, einen ersten Schritt zur Verantwortung im Sinne eines Industriestaates übernommen, in dem sie Beiträge zum Loss and Damage Fonds, dem Fonds für Klimaschäden im Globalen Süden, sowie für Klimaschutzmaßnahmen in entsprechenden Ländern leisten. Doch bei der Abkehr von fossilen Energien und Treibhausgasminderung verstecken sie sich weiter hinter ihrem Status als „Entwicklungsland“, genau wie Saudi-Arabien, wie Katar, wie China, wie Russland.

Erstaunlich auch: Während der viel kritisierte erste Entwurf vom Montag noch im Sinne des 1,5 Grad Ziels einen weltweiten Peak an CO2-Emissionen bis spätestens 2025 anmahnte, gefolgt von rapiden Reduktionen, differenziert das fertige Abschlussdokument wieder zwischen Nationen. Dieser Pfad müsse unter anderem „den unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten“ gerecht werden. In einigen Ländern dürfte der Peak demnach auch später erreicht werden. Der Status klimapolitisches Entwicklungsland ist im Übrigen auf die über 30 Jahre alte UN-Klimakonvention von 1992 zurückzuführen und beschreibt alle Länder, die nicht ausdrücklich Teil einer Liste damals definierter Industriestaaten sind. Ein Hohn angesichts des Wohlstands und hohen Pro-Kopf-Emissionsausstoßes, der inzwischen insbesondere in den Golfstaaten und mit Abstrichen auch in China vorherrscht. Russland fällt indes als ernstzunehmender Verhandlungspartner aus.

Kein historisches Ergebnis

Auch das Pariser Klimaabkommen sah Verpflichtungen zu Emissionsreduktionen nur für die Industriestaaten vor, während alle anderen ihre Minderungsanstrengungen verstärken sollten. Doch angesichts der zunehmenden Folgen der Klimakrise wurde für alle Länder 2015 eben auch festgeschrieben, den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 Grad zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.

Der nun vorgelegte Beschluss bestärkt das 1,5-Grad-Ziel. Historisch, wie 2015, wäre die COP28 aber nur dann gewesen, wenn der Ausstieg aus fossilen Energien in ähnlicher Weise festgelegt worden wäre. Nun wird, mit Zwischenschritten, ein fernes Netto-Null-Emissions-Ziel 2050 ins Auge gefasst – ob ohne ein fossiles Energiesystem oder mit, mithilfe von CCS. Angesichts erneuter weltweiter Rekordtemperaturen und verheerender Klimakatastrophen, schleichend wie akut, eine Farce.

Und der Globale Süden? Also die Länder, die wirklich unter Armut leiden und die die Klimakrise am härtesten trifft. Die mussten sich wieder einmal hintenanstellen. Die vom steigenden Meeresspiegel bedrohten Inselstaaten seien nach internen Beratungen in den finalen Verhandlungsminuten nicht rechtzeitig im Raum gewesen, um ihre Stellungnahme abzugeben, monierten sie nach Veröffentlichung des Beschlusses. Bei Finanzierung von Klimaschutz und Klimaanpassung in Entwicklungsländern wurde zwar der gestiegene Bedarf von weit über den aktuell versprochenen 100 Milliarden US-Dollar anerkannt, zusätzliche Leistungen aber nicht versprochen. Wie so oft wird dieses Thema auf die nächste COP vertagt. Ob dann über weitere Maßnahmen zum Ausstieg aus fossilen Energien gesprochen wird, steht in den Sternen. Währenddessen erwartet uns ein weiteres Jahr voller Klimakatastrophen, die Menschenleben und Milliarden US-Dollar kosten.

Aber vielleicht gibt es ja bei der Klimafinanzierung auf der nächsten COP in Aserbaidschan doch noch den großen Durchbruch. Und vielleicht vollzieht sich der Siegeszug der Erneuerbaren Energien ja doch so schnell, wie von einigen prognostiziert. Sodass auch die letzten fossilen Verfechter:innen erkennen: das fossile Geschäftsmodell hat ausgedient und Klimaschutz ist kein nice to have sondern unverzichtbar.

 




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