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Bauwende mit KlimaschutzDIN-Norm für das zirkuläre Bauen

Abriss eines Plattenbau-Wohnblocks in Dresden
Viele Bauteile ließen vor der Abrissbirne retten. Die neue DIN SPEC 91484 bietet eine Methode, um das Potenzial von Bauprodukten für hochwertige Anschlussnutzungen zu erfassen. (Foto: Jörg Blobelt, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Zweites Leben für Baustoffe – eine neue DIN-Norm legt den Standard fest, der helfen soll, Bauprodukte zu identifizieren, die sich gut für die Wiederverwendung eignen. Die Initiatoren versprechen sich damit eine bessere Integration in den Baualltag.

30.08.2023 – In Deutschland herrscht die Abrisswut, hat die DUH kürzlich in einer bundesweiten Analyse festgestellt. Dabei entstehen Millionen Tonnen von Bauschutt, kostbares Baumaterial, das verbrannt, deponiert oder bestenfalls im Straßenbau verfüllt wird. Bau- und Abbruchabfälle machen über die Hälfte des deutschen Abfallaufkommens aus. Trotz der hohen Beschaffungskosten für das Primärmaterial werden zwei Drittel aller Bauabfälle nicht hochwertig wiederverwendet. Dabei ließen sich viele Bauteile vor der Abrissbirne retten. Eine neue DIN-Norm legt nun einen Standard fest, der helfen soll, Bauprodukte zu identifizieren, die sich ideal für eine erneute Verwendung eignen.

Zweites Leben für altes Baumaterial

Das Umweltbundesamt schätzt das gesamte verbaute Material im deutschen Gebäudebestand auf 15 Milliarden Tonnen. Die Klimabilanz der Baumaterialien wird bislang viel zu wenig beleuchtet. Die Kreislaufwirtschaft zielt darauf ab, so zu planen und zu bauen, dass möglichst wenig Müll entsteht und Materialien nicht einfach entsorgt, sondern wieder verwendet werden. Auch bei der diesjährigen branchengrößten BAU-Messe in München lag ein Schwerpunkt auf dem zirkulären Bauen.

Welche Materialien können in den Kreislauf zurückgeführt werden, um den Ressourcenverbrauch zu senken? Kleine als auch große Gebäudeteile könnten erfolgreich wiederverwendet werden. Die neue DIN SPEC 91484 biete nun eine einheitliche Methode, um das Potenzial von Bauprodukten für hochwertige Anschlussnutzungen zu erfassen. Das Verfahren zeichne sich durch seine einfache Zugänglichkeit für alle Beteiligten aus, berichtet die Bundesingenieurskammer (BIngK). „Die Initiatoren versprechen sich durch die unkomplizierte Anwendung eine nahtlose Integration in den Baualltag.“

Ist die neue DIN eine Grundlage für den Gesetzgeber?

In der Baubranche könnte eine organisierte und verpflichtende Kreislaufwirtschaft eine Menge an Ressourcen sparen und gleichzeitig enorme CO2-Emissionen senken. Die DIN SPEC 91484 wurde entwickelt, um exakt diese große Lücke zu schließen und einheitliche und standardisierte Prozesse in der Branche zu etablieren, berichten die Initiatoren.

Dominik Campanella ist Co-Geschäftsführer des Start-ups Concular, das sich der Kreislaufwirtschaft beim Bauen verschrieben hat. Das 2020 gegründete Unternehmen zeigt, wie eine Vermittlungsbörse für gebrauchte Baumaterialien in der Praxis funktioniert. „Mit dem im Standard beschriebenen Verfahren wird der Gebäudebestand systematisch erfasst und dokumentiert“, sagt Campanella. „Das gibt nicht nur der Wirtschaft einen klaren Handlungsrahmen, sondern ermutigt auch die Gesetzgeber, künftige Rück- und Umbauarbeiten an dieses Dokument zu knüpfen.“

Anschlussnutzung statt Mülldeponie

Die DIN SPEC 91484 dient zunächst als Leitfaden für die Erstellung sogenannter Pre-Demolition-Audits. Das Verfahren gliedert sich in zwei Stufen: eine Vor- und eine Detailprüfung. Das Dokument definiert, welche Informationen über die Bauprodukte erfasst werden müssen, um ihr individuelles Potenzial für die Anschlussnutzung zu prüfen und zu bewerten, erläutern die Experten: Dazu gehörten Daten zum Standort des Bauwerks, zum Baujahr, zur Gebäudeklasse und Nutzungsart.

Anhand dieser Basisinformationen könnten erste Entscheidungen getroffen werden, ob sich Bauprodukte für eine Wiederverwendung eignen oder nicht. Danach folge die Detailprüfung, für die Fachgutachten erstellt werden. Zudem lege das Dokument fest, welche Beteiligten dieses Verfahren durchführen. Dazu gehörten Ingenieure, Architekten, Statiker, Schadstoffgutachter, Abbruchunternehmer, Bauprüfämter, der Denkmalschutz und weitere.

Ziel: Trend zum zirkulären Bauen gesetzlich verankern

Eine Entwicklung des Bauwesens hin zum kreislaufgerechten Bauen sei in Deutschland und Europa bereits deutlich erkennbar und gewinne immer mehr an Bedeutung, beobachten die Initiatoren der neuen DIN. Sowohl die Bundesregierung und die Kommunen als auch die EU sprächen sich grundsätzlich dafür aus. Gesetze und Quoten für den Einsatz von wiedergewonnenen Bauprodukten gebe es bereits. Doch diese wären nur der Anfang, so die Bauexperten. Die DIN SPEC 91484 liefere nun einen wichtigen Baustein für ein systematisches Vorgehen.

„Vielleicht gibt es aufregenderes als Normen, aber diese bringt das zirkuläre Bauen voran“, kommentierten Architects for Future die Einführung der Norm: „Es gibt Bewegung!“ Der Druck auf nachhaltiges Wirtschaften wird auch an der Immobilienbranche nicht vorbeigehen, sind die Akteure überzeugt. na

Der Standard steht beim Beuth Verlag unter www.beuth.de zum kostenlosen Download bereit.

An der DIN SPEC 91484 mitgewirkt haben etliche Akteure: Concular, Abbruchverband Nord e. V., Arcadis Germany, ATP Sustain, BTU Cottbus, Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V., Circular Structural Design, Contura Ingenieure, CYRKL Zdrojová platforma, s.r.o., Deutscher Abbruchverband e. V., Ed. Züblin AG, Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen Hamburg, Senatskanzlei Hamburg, Franßen & Nusser Rechtsanwälte PartGmbB, Goldbeck, Greyfield Development, Hagedorn Service, Hochschule München, InteriorPark, Johann Bunte Bauunternehmung, Kadawittfeldarchitektur, List Eco GmbH & Co. KG, Otto Wulff Bauunternehmung, TU Hamburg, Umtec Partnerschaft mbB, Universität Kassel, Universität Siegen.


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