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EnergiewendeWindkraft mit Artenschutz und Luftverkehr

Luftaufnahme Flugplatz mit PV und Windkraftanlagen am Horizont
Radaranlagen für die zivile und militärische Luftfahrt stehen dem Windenergieausbau unnötig im Weg. (Foto: Matti Blume auf Wikimedia / CC BY-SA 4.0)

Strenge Vorgaben zur Luftverkehrssicherheit und unklare Standards zum Artenschutz blockieren den Windkraftausbau in Deutschland. Lösungen sind vorgedacht, wurden aber bisher nicht umgesetzt. Wie das Aufgeschobene und Vertagte angepackt werden kann.

21.01.2022 – Eine eindrucksvolle Zahl vorab: fast 5.000 Megawatt Windkraftleistung an windreichen Standorten werden nur deshalb nicht gebaut, weil die Luftraumüberwachung Bedenken hat, die Windkraftanlagen könnten die Radarsignale stören. Damit hat sich das Volumen der durch Militär und Luftverkehr blockierten Windkraftprojekte gegenüber 2019 noch einmal erhöht. Damals standen laut Bundesverband Windenergie (BWE) Projekte mit 3.600 Megawatt Leistung aus diesem Grund auf dem Abstellgleis.

Laut BWE-Präsident Hermann Albers wären neue Windkraftanlagen auf diesen Flächen sogenannte low hanging fruits – Vorhaben, bei denen mit minimalem Aufwand ein maximaler Erfolg erzielt werden kann. Kurzfristig ließen sich zwischen vier und fünf Gigawatt Windleistung realisieren, wenn Windkraftbranche, Militär und Flugverkehr an einem Strang ziehen würden. Es gehe darum, innerhalb der Prüfbereiche pragmatische Lösungen zu finden. Die Ministerien Verkehr, Verteidigung und Wirtschaft müssten sich abstimmen.

Der Branchenverband hat dem Konfliktfeld in seinem Aktionsplan ein eigenes Kapitel gewidmet. Die Kernforderung: Die Deutsche Flugsicherung solle die geforderten Abstände rund um Flugnavigationsanlagen reduzieren. In Deutschland darf derzeit im Radius von 15 Kilometern um ein Drehfunkfeuer kein Windrad gebaut werden. Internationaler Standard sind 10 Kilometer – wobei sich einige Länder sogar mit noch niedrigeren Abständen zufrieden geben und Flugsicherheit gewährleisten.

Insbesondere die Hubschraubertiefflugstrecken werden im Aktionsplan des BWE als Hindernis genannt. Der konkrete Streckenverlauf sei oftmals weder den Behörden noch den planenden Kommunen bekannt, auch die Verlegung von Strecken werde nicht kommuniziert. So würden Windeignungsgebiete ausgewiesen, die dann durch eine (wiederbelebte) Hubschraubertiefflugstrecke nicht bebaubar sind.

Auch das Klima zwischen Bundeswehr und Windbranche habe gelitten. Die konstruktive Zusammenarbeit, bei der fallorientiert nach Lösungen gesucht wurde, sei mehr und mehr einer pauschalen Bewertung gewichen. Das Bundesverteidigungsministerium solle seine Dienststellen zur konstruktiven Zusammenarbeit auffordern.

Der gordische Knoten beim Artenschutz

Weitere rund 1.000 Megawatt Windkraftleistung liegen brach aufgrund des Artenschutzes. Hier sieht die Lösung umgekehrt aus: Um den Artenschutz mit dem Ausbau der Windkraft zu vereinbaren, brauche es vor allem Standards, um mögliche Gefährdungen und Risiken einheitlich zu beurteilen und nach klaren Kriterien zu entscheiden.

Juristisch stellt der Artenschutz auf das Tötungsrisiko eines einzelnen Individuums ab. In einer artenschutzrechtlichen Prüfung wird ermittelt, inwieweit sich für einzelne Exemplare einer Art das Tötungsrisiko durch die Windenergieanlage signifikant erhöht. In der Praxis wird dieses Instrument sehr verschieden gehandhabt, weshalb eine stärkere Standardisierung sowohl Behörden als auch Projektierern helfen würde. Bereits 2018 mahnte das Bundesverfassungsgericht dazu eine Klarstellung an. Die Umweltministerkonferenz legte 2020 einen Entwurf mit Prüfkriterien vor, der jedoch nie verabschiedet wurde.

Den Fokus vom Individuum auf die Population richten

Es schien als könne der gordische Knoten durchschlagen werden, indem der Fokus vom individuell signifikant erhöhten Tötungsrisiko auf die Betrachtung des Risikos für die jeweilige Population verschoben wird. Letztlich ist Artenschutz der Schutz von Arten oder von Populationen und nicht zwangsläufig der Schutz von Individuen.

Katrin Böhning-Gaese, Direktorin für Biodiversität und Klima der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung erklärt, dass zweifelsfrei nachgewiesen sei, dass Windkraft tödliche Folgen für einzelne Vogel-Individuen hat. Hingegen sei wissenschaftlich sehr viel weniger gut belegt, welche Folgen wirklich für die Populationen der unterschiedlichen Arten bestehen. Verschiedene wissenschaftliche Studien kommen zu verschiedenen Ergebnissen. Hinzu kommt, dass sich die Naturräume entwickeln und eine Momentaufnahme deshalb unvollständig sein muss.

Böhning-Gaese sieht Klimawandel und Artenschutz als die beiden großen Umwelt-Herausforderungen der Zukunft. Sie sagt: „Beides sind Symptome desselben Problems – wir Menschen übernutzen die Natur. Aber man kann eben auch beides gemeinsam angehen.“ Es gelte kreative Lösungen zu finden, die Artenschutz und Klimaschutz gleichermaßen dienen, beispielsweise durch große Schutzgebiete, Extensivierung der Landschaft, aber auch bis hin zu Änderungen in der Landwirtschaft und zur Änderung in unserem eigenen Konsum und Ernährungsverhalten. pf


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