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Die Meinung
08. Mai 2023

Kommunale und erneuerbare Fernwärme - das Beste für Berlin

Der Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Debatte um die Wärmewende neu entfacht. Westeuropas größtem Fernwärmenetz in Berlin kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Zeit, dass die Stadt die Wärmeversorgung wieder in die eigene Hand nimmt.

Michael Efler, Vorstandsmitglied BürgerBegehren Klimaschutz

Michael Efler, Vorstandsmitglied BürgerBegehren Klimaschutz
Ein Mann im schwarzen Hemd spricht auf einem Podium in ein Mikrofon
Foto: Ana Torres Phtography

Inmitten dieser Wärmewende-Debatte hat Vattenfall im Mai 2022 überraschend angekündigt, möglicherweise die Fernwärme in Berlin zu verkaufen. Es handelt sich dabei um Westeuropas größtes Fernwärmenetz sowie 11 Heizkraftwerke. Insgesamt arbeiten über 1.600 Menschen für das Unternehmen. Nicht nur für die dringend notwendige Dekarbonisierung, sondern auch für Versorgungssicherheit und Verbraucherschutz wäre es die beste Lösung, wenn das Land Berlin die Anlagen erwirbt.

Ein großer Anteil der CO2-Emissionen entfällt in Berlin auf die Fernwärmeversorgung, die zu über 90% auf Kohle und Erdgas basiert. Zwar will Vattenfall aus der Steinkohlenutzung aussteigen, doch ist dafür vor allem ein Umstieg auf Erdgas (und später Wasserstoff) sowie eine verstärkte Biomassenutzung vorgesehen. Erneuerbare Wärme und Abwärme kommen viel zu kurz. Verbraucherschützer*innen kritisieren Vattenfall zudem immer wieder für ein intransparentes Preismodell und zu hohe Tarife.

Der Rückkauf der Fernwärme ist für Berlin die Chance, Gemeinwohlinteressen über Profite zu stellen. Als Eigentümer kann das Land schneller und konsequenter eine klimaneutrale Fernwärmeversorgung aufbauen. Dies erfordert umfangreiche Investitionen in Wärmespeicher, Anlagen zur erneuerbaren Wärmeproduktion z.B. aus Solar- und Geothermie, Abwärme aus Rechenzentren und Industrieanlagen, power to heat-Kraftwerke sowie in den Umbau und Ausbau des Fernwärmenetzes.

Zusätzlich kann das Land bei der Wärmeversorgung ein sozial-ökologisches Kostenmodell dauerhaft durchsetzen. Derzeit wird befristet bis März 2024 80% des Vorjahresverbrauches zu einem vergünstigten Tarif von 9,5 cent gedeckelt. Nur der darüber hinausgehende Verbrauch wird zu Marktpreisen abgewickelt. Dadurch können insbesondere Mieter:innen dauerhaft vor Preisturbulenzen geschützt werden.

Mit dem Rückkauf der Wasserbetriebe sowie des Stromnetzes hat das Land Berlin bereits viel Erfahrung mit Rückkäufen ehemals privatisierter Unternehmen gesammelt und damit Erfolge für die Berliner* innen und den Klimaschutz erzielt. Auch der Aufbau der Berliner Stadtwerke im Rahmen des Stromnetzrückkaufs ist ein Erfolgsmodell und hat erheblich zum Solarausbau beigetragen.

BürgerBegehren Klimaschutz hat daher im letzten Jahr eine Petition zum Rückkauf der Fernwärme gestartet, die mehr als 15.000 Berliner*innen unterzeichnet haben, und an die zuständigen Senator:innen übergeben. Dabei wurde deutlich, dass unsere Grundposition vom Senat geteilt wird und Berlin sich aktiv um einen Fernwärmerückkauf bemühen will.

Was sagt nun die neue, CDU-geführte Berliner Koalition zu diesem Thema? Der Koalitionsvertrag enthält dazu folgende Aussage:

Die Koalition verfolgt weiter die Pläne zum Erwerb der Fernwärme, um sie zusammen mit starken industriellen Partnern zu betreiben und zu finanzieren. Hierzu streben wir eine Mehrheitsbeteiligung an der GASAG mit dem langfristigen Ziel eines integrierten Netzbetriebes für Gas und Wärme an. … Für die Koalition sind der Erwerb der Fernwärme und der Mehrheit von Gesellschafts- und Stimmrechtsanteilen an der GASAG sich wirtschaftlich und vertraglich gegenseitig bedingende Themen.“

Auf den ersten Blick durchaus überraschend ist, dass auch ein CDU-geführter Senat die Rekommunalisierungspläne fortsetzen will. Allerdings gibt es dabei auch zwei kritische Aspekte. Zum einen will der Senat die Fernwärme zusammen mit industriellen Partnern betreiben und finanzieren. Beim Stromnetz wurde dies nicht so gehandhabt – dieses ist nunmehr zu 100% kommunal. Eine Beteiligung industrieller Partner erhöht die Abstimmungsprozesse enorm und führt dazu, dass Berlin die Geschäftspolitik des Unternehmens nicht allein bestimmen kann.

Zu befürchten ist, dass privatwirtschaftliche Interessen Vorrang gegenüber gemeinwohlorientierten Interessen bekommen können. Diese Befürchtungen haben eine rationale Grundlage, denn die industriellen Partner sind schon bekannt: Es sollen die Unternehmen E.ON und ENGIE sein, neben Vattenfall zwei der drei Gesellschafter der GASAG. E.ON ist nach wie vor auch im Erdgasgeschäft tätig und setzt dabei auf umstrittene Geschäftspolitiken wie LNG-Importe, den Einsatz von Wasserstoff in der Wärme sowie auf die Beimischung von Wasserstoff in Gasnetzen. Auch ENGIE ist massiv im Wasserstoffgeschäft tätig und hat das völlig unzureichende Ziel, bis 2030 58% der produzierten Energie aus erneuerbaren Energien beizutragen.

Der zweite kritische Aspekt ist die Verknüpfung des Themas Fernwärme mit dem Mehrheitserwerb der GASAG, die sogar als „sich wirtschaftlich und vertraglich gegenseitig bedingende Themen“ bezeichnet werden. Dies macht den Rückkauf der Fernwärme noch komplexer. Vattenfall hat bereits öffentlich erklärt, seinen GASAG-Anteil nicht verkaufen zu wollen.

Diese beiden Themen miteinander zu verknüpfen, kann daher auch den Rückkauf der Fernwärme insgesamt erschweren oder gar verhindern. Außerdem ist zu beachten, dass das zum GASAG-Konzern gehörende Gasnetz mindestens teilweise zurückgebaut werden muss, um das Ziel von Klimaneutralität zu erreichen, denn in der Regel dürfte ein Einsatz von Biogasen oder Wasserstoff in den Erdgasnetzen aus Kosten- bzw. Kapazitätsgründen nicht in Frage kommen.

Wenn das Land die Fernwärme erwirbt, zeichnet sich die Notwendigkeit milliardenschwerer Investitionen in den klimafreundlichen Umbau ab. Hier stellt sich die Frage, inwieweit dies zusätzlich zum Kaufpreis finanzierbar ist. Vor diesem Hintergrund ist es begrüßenswert, dass der schwarz-rote Koalitionsvertrag ein bis zu 10 Milliarden Euro schweres Sondervermögen Klimaschutz, Resilienz und Transformation plant. Explizit sollen daraus auch Investitionen in die Fernwärme finanziert werden können. Bei der Umsetzung sollte die Zivilgesellschaft der Politik genau auf die Finger schauen.

Fazit: Berlin muss die Wärmwende konsequent angehen. Eine zu 100% kommunale Fernwärmeversorgung kann dabei einen wesentlichen Beitrag leisten. Kooperationen mit Konzernen, die immer noch teilweise ein auf fossilen Energien basierendes fossiles Geschäftsmodell verfolgen, sind dagegen mit Skepsis zu betrachten.

Michael Efler ist Vorstandsmitglied bei dem gemeinnützigen Verein BürgerBegehren Klimaschutz. Von 2016 bis 2021 war er Abgeordneter der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus und dort ihr klima- und energiepolitischer Sprecher.




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