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VerkehrswendeDie Bahn in Fahrt bringen

Bahn und Schienen
Mehr Wagen! (Bild: Didgeman / pixabay)

Wettbewerbsnachteile und Profitzwang haben den Bahnausbau in Deutschland jahrzehntelang ausgebremst. Eine Ausrichtung auf Qualität und Gemeinwohl könnte das ändern. Gebraucht wird eine andere Struktur und ein fairer Rahmen für den Bahnverkehr.

16.03.2022 – Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Personenverkehr der Bahn bis 2030 zu verdoppeln. Bis dahin muss noch viel geschehen, denn bisher bleibt der Bahnausbau ausgebremst. Der Verband privater und wettbewerblicher Verkehrsunternehmen mofair legte nun in einer Reihe von Positionspapieren dar, wie der Ausbau gelingen kann. Gebraucht werden demnach niedrigere Trassenpreise, eine Neuausrichtung der Bahn auf Qualität, und eine Ausgestaltung der im Koalitionsvertrag verankerten Gemeinwohl-Idee. Denn alle sind sich einig, dass die Schiene für die Klimawende gebraucht wird.

Am Gemeinwohl orientiert, nicht am Profit

Die Deutsche Bahn (DB) befindet sich zwar in Besitz der Bundesrepublik Deutschland, ist aber als Aktiengesellschaft organisiert und arbeitet entsprechend gewinnorientiert. Dies hat in den letzten beiden Jahrzehnten dazu geführt, dass die DB die Infrastruktur erheblich vernachlässigt hat, um Investitionen zu vermeiden. Ein Konzept zur vollständigen Entflechtung von Infrastruktur und Bahnbetrieb bis hin zur Zerschlagung der Deutschen Bahn wurde bereits von den Grünen vorgeschlagen, jedoch im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung nicht weiterverfolgt. Welche Art der Entflechtung oder Umstrukturierung dem Bahnausbau und den Reisenden am besten nützen würde, bleibt durchaus umstritten. Im Koalitionsvertrag ist allerdings festgehalten, dass die Schieneninfrastruktur in Zukunft gemeinwohlorientiert ausgerichtet werden soll.

Mofair macht nun konkrete Vorschläge, wie die Bahnziele der Koalition umgesetzt werden könnten. Auch sie empfehlen, Infrastruktur und Bahnbetrieb zu trennen. Die Infrastruktur könnte dann gemeinwohlorientiert bewirtschaftet werden, und der Bahnbetrieb marktwirtschaftlich. Die derzeitige Rechtsform der Aktiengesellschaft mit ihrer Ausrichtung auf Gewinn stehe im Widerspruch zu den Anforderungen Qualität, Kapazität und Verfügbarkeit, und erlaube kaum politische Steuerung, kritisiert Mofair. Alternativ empfiehlt der Verband die Rechtsform der GmbH und eine Zusammenlegung von DB-Teilbereichen zu einer Schieneninfrastrukturgesellschaft. Diese soll konsequent auf Qualität ausgerichtet, Schienen, Bahnhöfe und alles, was dazu gehört, in gutem Zustand gehalten und effizient modernisiert werden. Auch sollten ein angemessener Umfang und notwendige Kapazitätsreserven sichergestellt sein. Jegliche Gewinnorientierung müsse von vornherein ausdrücklich ausgeschlossen werden.

Der Verband kritisiert zudem, dass im Koalitionsvertrag das Bahnstromnetz nicht eindeutig als Teil der Infrastruktur anerkannt wird. Die DB Energie GmbH ist nach eigenen Aussagen das fünftgrößte Energieversorgungsunternehmen Deutschlands und wurde, so Mofair, lediglich aufgrund von einer Lücke im Energierecht noch nicht vom übrigen Unternehmen getrennt. Dieses Monopol müsse aufgelöst und die heutige DB Energie GmbH, die Bahnstromnetzbetreiber und Stromversorgungsunternehmen in einem ist, entflochten werden.

Ein fairer Rahmen für die Schiene

Ein weiteres Problem ist die grundsätzliche Finanzierung der Bahninfrastruktur in Deutschland. Der Verkehr auf der Schiene wird hier im Vergleich zum Verkehr auf der Straße strukturell benachteiligt. Ausbau und Instandhaltung von Straßen werden über Steuern finanziert und viele Parkplätze im öffentlichen Raum sind kostenlos. Bahnbetreiber und damit Bahnfahrende müssen hingegen jede Schienennutzung, sei es nun das Befahren einer Strecke oder das Abstellen von Zügen auf einem Gleis, bezahlen.

Auch deshalb erhebt die Deutsche Bahn für die Schienennutzung nicht nur die sogenannten Grenzkosten, sondern auch Vollkostenaufschläge. Die Grenzkosten sind die unmittelbaren Zusatzkosten, die durch das Befahren einer Strecke durch einen weiteren Zug anfallen. Zu den Vollkosten gehören alle Kosten, die grundsätzlich für die Instandhaltung, Verwaltung und den Betrieb entstehen. Letztere machen einen erheblichen Teil der deutschen Trassenpreise aus, die im europäischen Vergleich besonders hoch ausfallen. Durchschnittlich entfallen etwa 80 Prozent des Preises auf anteilige Vollkosten und nur 20 Prozent auf die unmittelbare Zusatznutzung. Die Schienennutzung kostet in Deutschland so bis zu 10-mal so viel wie in anderen europäischen Ländern.

In der Europäischen Union wird dabei schon länger diskutiert, zumindest zeitweise das Grenzkostenprinzip einheitlich einzuführen, um den Bahnausbau zu beschleunigen. In Deutschland würde dies eine anteilige Übernahme der Bahninfrastrukturkosten durch den Bundeshaushalt bedeuten. Tatsächlich genehmigte der Bund eine solche Förderung bereits 2021 rückwirkend, um die verheerenden Folgen der Coronapandemie für die Bahn abzumildern. Mofair plädiert dafür, in einem ersten Schritt diese Förderung fortzusetzen, um anschließend die Finanzierung nachhaltig sicherzustellen. Mit einem neuen, sachlich gerechtfertigten und auf Qualität ausgerichteten Trassenpreissystem und einem auf Gemeinwohl ausgerichteten Infrastrukturbetrieb könne der Wettbewerb auf der Schiene und der Bahnausbau endlich in Fahrt kommen. jb


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