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Klimaklage





KoalitionsvertragGelingt so die Verkehrswende?

Ein Mann im Anzug sitzt an einem Pult und dreht den Kopf nach rechts
Volker Wissing, Generalsekretär der FDP und zuvor Wirtschafts- und Verkehrsminister in Rheinland-Pfalz, wird neuer Bundesverkehrsminister. (Bild: Olaf Kosinsky (kosinsky.eu) Licence: CC BY-SA 3.0-de)

Während der Koalitionsvertrag an vielen Stellen positiv bewertet wird, gibt es am Mobilitätsteil deutliche Kritik. Wird das FDP geführte Verkehrsministerium Deutschlands Mobilität nachhaltig umbauen? Das sind die Vorhaben im Detail.

25.11.2021 – Ein Anteil von 80 Prozent regenerativer Energien bei der Stromproduktion klingen ambitioniert und stoßen bei Umweltverbänden und Energieexperten durchaus auf Lob und könnten Deutschlands Pfad auf dem Weg zur Klimaneutralität befördern. Bei der Verkehrswende hingegen bestehen in dieser Hinsicht noch große Fragezeichen und es fehlen dringend nötige Maßnahmen.

Das Auto

Fehlende Tempolimits auf Autobahnen, Landstraßen und innerorts, kein Abweichen von der bestehenden Pendlerpauschale, die weitere Subventionierung von Diesel und Dienstwagen mit Verbrennermotor sowie die Berücksichtigung von „Wertschöpfung und Arbeitsplätze“ bei der Verabschiedung einer neuen Schadstoffnorm EURO 7, im Koalitionsvertrag tragen die Handschrift der FDP, die mit Generalsekretär Volker Wissing auch das Verkehrsministerium übernehmen wird.

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) kritisiert: „Die Handschrift der Autokonzerne ist unübersehbar. Unglaublich, dass die CSU-Autolobby-Politik nahtlos fortgesetzt werden soll. Deutschland soll das Land der Raser, immer größerer SUV-Stadtpanzer und vom Staat finanzierten Klimakiller-Dienstwagen bleiben.“ Zwar erklären die Koalitionäre, dass noch vor 2035 das Verbrenner Aus bei der Neuzulassung von Wagen in Deutschland kommen soll, aber auch danach könnten „nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden“.

Dabei ist der Wirkungsgrad von synthetischem Benzin deutlich geringer als der reiner Elektroautos. Laut einer Studie von Agora Verkehrswende ist bei einem E-Auto rund 70 Prozent der zur Verfügung gestellten Energie am Ende nutzbar, bei einem Auto mit E-Fuels Antrieb hingegen nur 15 Prozent. Dazu kommt, dass bei E-Fuels innerhalb der Produktions- und Lieferkette erhebliche Mengen CO2 ausgestoßen werden. Die FDP hatte sich im Wahlkampf für E-Fuels eingesetzt.

Zumindest ist es das Ziel der Ampel-Parteien bis 2030 mindestens 15 Millionen Elektro-Pkw auf die Straßen zu bringen und dafür die Ladesäuleninfrastruktur, mit dem Ziel von einer Million öffentlicher Säulen 2030, deutlich auszubauen. Dabei setzen die Koalitionäre vor allem auf private Investitionen, die durch Förderungen und bessere Genehmigungsprozesse mobilisiert werden sollen. Dies gilt auch für den Wandel von Automobilregionen zur Elektromobilität insgesamt. Ob diese Mobilisierung wirkt, bleibt abzuwarten.

Die Schiene

Zustimmung erfährt die künftige Ampel-Koalition hinsichtlich ihres stärkeren Fokus auf die Schiene. Es soll „erheblich mehr in die Schiene als in die Straße“ investiert werden. Der bestehende Bundesverkehrswegeplan, der bis 2030 über 1.000 neue Fernstraßen in Deutschland vorsieht, soll überarbeitet und der Fokus auf Erhalt und Sanierung von Straßen gelegt werden.

Demgegenüber soll das Schienennetz ausgebaut und Strecken reaktiviert werden. Es gelte Oberzentren an den Fernverkehr anzuschließen und den von der Großen Koalition angekündigten Deutschlandtakt zu realisieren. Auch der bereits angekündigte Ausbau des grenzüberschreitenden Verkehrs in der EU und Nachtzugangebote wolle man unterstützen. Die dafür nötige Digitalisierung von Fahrzeugen und Strecken werde in diesem Zuge „prioritär“ vorangetrieben. Dirk Flege, Geschäftsführer des Verkehrsbündnisses Allianz pro Schiene, zeigt sich erfreut über die Inhalte des Koalitionsvertrages. „Das kann der Aufbruch für ein neues Zeitalter in der Verkehrspolitik mit Vorfahrt für die klimafreundlichen Mobilitätsformen werden“, so Flege.

In diesem Zuge bewertet das Verkehrsbündnis auch die die neue Vereinbarung zur Lkw-Maut positiv. Diese soll stärker an der CO2-Last ausgerichtet werden. Und die Milliarden Einnahmen sollen, anders als bisher, für den gesamten Mobilitätssektor eingesetzt werden statt wie bisher allein für den Straßenbau. „Von dieser Öffnung der Finanzkreisläufe wird die Schiene stark profitieren“, sagt Martin Burkert, Vorstand der Allianz pro Schiene. Das Ziel ist unter anderem die Fahrgastzahlen bis 2030 zu verdoppeln und 75 Prozent des Schienennetzes zu elektrifizieren.

Eine von Grünen und FDP geforderte Aufspaltung der Bahn wird es hingegen nicht geben. Die Infrastruktureinheiten sollen jedoch künftig zusammengelegt werden und gemeinwohlorientiert arbeiten, um Erhalt und Ausbau der Netze zu stärken. Auch soll die Nutzung der Schiene günstiger werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der Bahnen zu stärken. Doch dieser Punkt ist versehen mit der Einschränkung „sofern haushalterisch machbar“.

Der Güterverkehr

Wie ebenfalls schon von der Großen Koalition angekündigt, sollen mehr Güter auf die Schiene verlagert werden. Der Anteil am gesamten Güterverkehr soll von 19 auf 25 Prozent steigen. Dafür sollen unter anderem Umschlagterminals von Schiffen und Lkws auf Güterwägen stärker gefördert werden.

Demgegenüber soll der Verbrenner-Lkw abgewertet werden, indem zum Beispiel auch kleinere Lkws ab 3,5 Tonnen in die Lkw-Maut Einzug finden und ein CO2-Zuschlag eingeführt wird. In Städten soll die emissionsfreie Stadtlogistik, etwa durch Mikrodepots und Paketzustellung per Lastenrad ausgebaut werden. Woher und welche Mittel der Bund dafür in die Hand nehmen will, bleibt jedoch unklar.

Der öffentliche Nahverkehr

Auch bei der Förderung des öffentlichen Nahverkehrs fehlt es an klaren Zahlen und Zielvorgaben. Dort steht lediglich, dass Regionalisierungsmittel ab 2022 deutlich erhöht werden. Über die Finanzierung bis 2030 sollen weitere Gespräche mit den beteiligten Ländern und Kommunen folgen. Ein Bekenntnis zu deutlich günstigeren Tickets für Fahrgäste etwa fehlt. Deutlich wird hingegen, dass auch hier die Digitalisierung vorangebracht werden soll, um etwa verschiedene Mobilitätskonzepte besser miteinander zu verknüpfen.

Der Schiffs- und Flugverkehr

Vor allem die Anzahl von Kurzstreckenflügen soll stark verringert werden, indem es bessere Bahnverbindungen im Zuge eines Deutschlandtaktes gibt. Dort wo das Flugzeug weiterhin nötig ist und genutzt wird, soll das CO2-neutrale Fliegen gefördert werden. Im Gegensatz zum Auto können Wasserstoff und E-Fuels im Flug- sowie Schiffsverkehr eine sinnvolle Alternative darstellen.

Die Ampel-Koalition verspricht Einnahmen aus der Luftverkehrssteuer für Produktion und Einsatz von CO2-neutralen strombasierten Flugkraftstoffen sowie für Forschung, Entwicklung und Flottenmodernisierung im Luftverkehr einsetzen. Auch ambitionierte Quoten für Power-to-Liquid im Luft- und Schiffsverkehr soll es geben, um deren Markthochlauf anzureizen. Für einen insgesamt stärkere Besteuerung der Luftfahrt, will die Koalition eine europäische Lösung anstreben. Bei der Schifffahrt soll deren Anteil am Güterverkehr gegenüber der Straße gesteigert und bei entsprechenden Hinterlandanbindungen Landstrom, alternative Antriebe und Kraftstoffe gefördert werden.

Die Radinfrastruktur

Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung sollen nun endlich an Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung angepasst werden und Länder und Kommunen in diesem Zuge mehr Gestaltungsspielraum bekommen. Das müsste vor allem Fahrradfahrern und Fußgängern zugutekommen. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) begrüßt diese Verpflichtung der neuen Ampelkoalition.

Als positiven Aspekt sieht Rebecca Peters, ADFC-Bundesvorsitzende, auch die angekündigte Absicherung der Finanzierung zur Stärkung des Radverkehrs bis 2030. „Denn das Fahrradland, das die Bundesregierung durch den Nationalen Radverkehrsplan anstrebt, baut man nicht mit Sonderprogrammen in zwei, drei Jahren“, so Peters. Der ökologische Verkehrsclub VCD vermisst jedoch konkrete Ziele zur Größenordnung.

Für absolut widersprüchlich hält der VCD den Koalitionsvertrag beim Thema Verkehrssicherheit. „Die Ampelkoalition will zur Umsetzung der Vision Zero, also des Ziels Null Verkehrstote, das Verkehrssicherheitsprogramm fortschreiben. Nur einen Satz später wird ein generelles Tempolimit abgelehnt – die vielleicht sichtbarste und schnell umsetzbare Maßnahme für sicherere Straßen“, so Michael Müller-Görnert, verkehrspolitischer Sprecher beim VCD.

Der neue Verkehrsminister

Mit Spannung wird erwartet, wie der künftige Verkehrsminister Volker Wissing die zum Teil vagen Absichtserklärungen aus dem Koalitionsvertrag angehen wird. Auch bei der Höhe der Mittel, die aus öffentlicher und privater Hand zur Verfügung stehen werden, gibt es noch große Unklarheiten. Der ADFC kritisiert, dass sich Wissing bis Mai diesen Jahres als Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau in Rheinland-Pfalz hinsichtlich einer nachhaltigen Stadtentwicklung nicht gerade hervorgetan habe.

Er habe das Thema Radverkehr vor allem auf die Kommunen abgewälzt, ohne eigene Akzente zu setzen. Gegenüber der Bild kündigte Wissing nach der Vorstellung des Koalitionsvertrages unter anderem an, sich im Zuge steigender Benzinpreise für eine Absenkung der Sprit-Steuern einzusetzen. Manuel Först

Kommentare

Andreas V. am 25.11.2021

+111 Gut Antworten

FPD? Was denn nun: FDP oder SPD??

 

Der Abschnitt 'auch danach sollen „nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können.“' ist natürlich sehr unschön. Das klingt wirklich nach alter Auto-Lobby. Also quasi Porsche.

Redaktion energiezukunft am 26.11.2021

+105 Gut

Lieber Andreas, vielen Dank für den Hinweis. Wir haben den Fehler korrigiert. Mit besten Grüßen die Redaktion der energiezukunft

Roland Baumann am 30.11.2021

+113 Gut Antworten

Im Zuge der Umstellung auf das Elektroauto kann man das fehlende Tempolimit vorerst außer Acht lassen. Als Fahrer eines BEV legt man sich schnell auf ein selbst auferlegtes Tempolimit bei den derzeitig zur Verfügung stehenden Batteriekapazitäten fest. Eine Steigerung der Batteriekapazität wird noch mehrere Jahre dauern. Bis dahin kann man dann über ein in Europa einheitliches Tempolimit nachdenken und umsetzen.

Ein völlig falscher Ansatz ist aus meiner Sicht die steigenden Energiekosten durch niedrigere Besteuerungen auszugleichen. Damit würden verantwortungsvolle Bürger, welche versuchen Energie zu sparen zusätzlich belastet, da die fehlenden Staatseinnahmen anderweitig wieder hereingeholt werden müssen.

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