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Energiecharta-VertragDas Ende der Reform

Rauchende Schornsteine
Der reformierte Energiecharta-Vertrag schützt weiter fossile Energiekonzerne und behindert Klimaziele (Bild: PublicDomainPictures / pixabay).

Das Ergebnis der Reformverhandlungen des Energiecharta-Vertrags enttäuscht. Entscheidende Punkte des Anti-Klimaabkommens bleiben bestehen. Zivilgesellschaftliche Organisationen, Wissenschaftler und Politiker mehrerer Länder fordern den Austritt.

30.06.2022 – Klimaschützer befürchteten bereits nach der erfolglosen Verhandlungsrunde im Mai das Scheitern einer echten Reform des Energiecharta-Vertrags. Dies hat sich nun bestätigt. Der auch als Anti-Klimaabkommen bezeichnete Vertrag wird auch in Zukunft Investitionen in und das Geschäft mit fossilen Energieträgern schützen.

Eine Reform, die keine ist

Eine Modernisierung des Energiecharta-Vertrags ist überfällig. Das Ergebnis der letzten Verhandlungsrunde in der vergangenen Woche war jedoch ernüchternd. Nach jahrelangen Diskussionen konnten sich die Mitgliedsländer des internationalen Vertrags nicht auf eine Reform einigen, die den Pariser Klimazielen und dem European Green Deal entspricht.

Klimamaßnahmen sollen auch nach der Reform nicht grundsätzlich von Investorenklagen ausgenommen werden. Noch bis mindestens 2033 wird der Energiecharta-Vertrag weiter Investitionen in fossile Energien schützen. Beschränkungen des Investitionsschutzes für fossile Brennstoffe soll es zudem nur in EU und UK geben, nicht in den übrigen Ländern. Klimaschützer befürchten, dass eine schnelle Energiewende durch den Vertrag weiterhin gehemmt wird.

Nichtregierungsorganisationen (NGO) warnen zudem vor der geplanten Ausweitung des Vertrags auf neue Energieträger und Technologien. So sollen bald auch Investoren in Wasserstoff, Biomasse, synthetische Kraftstoffe und CO2-Abscheidung und -Speicherung unter dem reformierten Energiecharta-Vertrag klagen können, was die Gefahr für Staaten weiter erhöht.

Raus aus dem Energiecharta-Vertrag

Die Autoren des sechsten Sachstandsberichts des IPCC kritisieren bereits seit 2020 die Unvereinbarkeit des Energiecharta-Vertrags mit globalen Klimazielen und dem European Green Deal. Der aktuelle IPCC-Bericht identifiziert den Energiecharta-Vertrag sogar explizit als Mittel der Fossilindustrie, Klimaschutz zu blockieren. Aus eben diesem Grund forderte in der vergangenen Woche erneut eine Gruppe aus 78 Wissenschaftlern die EU in einem offenen Brief auf, aus dem Energiecharta-Vertrag auszusteigen. Fünf Klimaaktivisten reichten zudem Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen zwölf europäische Regierungen ein – auch gegen Deutschland. Grund der Klage ist der Energiecharta-Vertrag und dessen Unvereinbarkeit mit internationalen Klimaverpflichtungen.

Auch aus der Politik gibt es Zustimmung. Die EU-Staaten Spanien, Belgien und das niederländische Parlament bekräftigten nach Bekanntwerden der Reform erneut ihren Zuspruch für einen Austritt aus dem Energiecharta-Vertrag. Zuletzt hatten die Staaten dies nach der erfolglosen Verhandlungsrunde im Mai gefordert. Die Bundesregierung hatte sich zuletzt für signifikante Änderungen der Investitionsschutzstandards und die Verkürzung der Fortgeltungsklausel eingesetzt. Diese wurden jedoch nicht in der Reform aufgegriffen.

„Die Reform des Energiecharta-Vertrags kann die Anforderungen der Ampel nicht erfüllen. Klagen gegen Klimaschutz bleiben auch nach der Reform möglich. Die einzige Konsequenz kann der Ausstieg Deutschlands aus dem Vertrag sein, sonst macht sich die Ampel unglaubwürdig”, so Fabian Flues, Handelsexperte bei der NGO PowerShift. NGO, Wissenschaftler und Klimaschützer rufen die Bundesregierung auf, gemeinsam mit den anderen EU-Ländern einen Ausstieg aus dem Energiecharta-Vertrag zu beschließen.

Investorenschutz vor Klimaschutz

Der Energiecharta-Vertrag stammt von 1994 und sollte ursprünglich westliche Investoren absichern, die Energieprojekte in den ehemaligen Ostblockstaaten umsetzten. Bis heute haben 51 Länder zuzüglich der EU und Euratom den Vertrag ratifiziert. Der Investitionsschutzvertrag sollte vor willkürlicher Enteignung schützen. Tatsächlich hat er eine Schattenjustiz geschaffen, die es Investoren ermöglicht, Staaten vor privaten Schiedsgerichten zu verklagen, sollten sie sich als enteignet ansehen. Diese Schiedsgerichte legen oft bereits rechtliche Änderungen wie schärfere Klimaschutzauflagen als Enteignung aus.

Eines der bekanntesten dieser Verfahren ist die Klage Vattenfalls gegen die Bundesrepublik Deutschland. Im April 2009 verklagte der Energiekonzern den deutschen Staat aufgrund des Atomausstiegs und wegen Umweltauflagen für ein Kohlekraftwerk. Große Wellen schlug zudem das Bekanntwerden der Klage des Fossilriesen RWE gegen die Niederlande aufgrund ihres geplanten Kohleausstiegs. Die meisten dieser Schiedsgerichte tagen allerdings vollständig hinter verschlossenen Türen. Selbst von den abgeschlossenen Verfahren sind über die Hälfte nicht öffentlich einsehbar. Ein Report des International Institute for Sustainable Development zeigte Anfang des Jahres, dass 20 Prozent aller Streitbeilegungsverfahren zwischen Investoren und Staaten auf die fossile Brennstoffindustrie entfallen. Ein Großteil davon basiert auf dem Energiecharta-Vertrag.

Der Europäische Gerichtshof erklärte den Energiecharta-Vertrag im September 2021 als unwirksam für Streitigkeiten zwischen Europäischen Mitgliedstaaten. Damit entzog das Gericht mehr als 55 in der EU anhängigen Verfahren formal die Grundlage. Bisher arbeiten die Schiedsgerichte allerdings ungebremst weiter. Auch die Reform des Energiecharta-Vertrags wird daran wohl nichts ändern. jb


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