Menü öffnen

KlimakriseReform des Energiecharta-Vertrags gescheitert

Emissionen aus Fabrikschloten vor Nachthimmel
Die Reform des Energiecharta-Vertrags ist gescheitert – ein schwarzer Tag für den Klimaschutz. (Foto: Jackson Jost on Unsplash)

Der Energiecharta-Vertrag schützt Investitionen in fossile Brennstoffe und blockiert dabei Maßnahmen für die Energiewende – und ist damit ein großes Hindernis für wirksamen Klimaschutz. Einige EU-Länder ziehen nun den Ausstieg in Erwägung.

24.05.2022 – Die Reform des Energiecharta-Vertrags (ECT) ist gescheitert. Am Samstag wurde in Brüssel die letzte Verhandlungsrunde über eine Modernisierung des internationalen Handels- und Investitionsabkommens vorzeitig beendet, berichtet das Umweltinstitut München. Der ECT-Vertrag ist ein großes Hindernis für wirksamen Klimaschutz – denn er schützt Investitionen in fossile Brennstoffe und blockiert Maßnahmen für die Energiewende.

Der 1994 zum Schutz grenzüberschreitender Investitionen im Energiesektor unterzeichnete Vertrag über die Energiecharta hat viele Kritiker. Es handelt sich um ein internationales Investitionsschutzabkommen für die Energiewirtschaft, das Investoren die Möglichkeit gibt, Staaten vor internationalen Schiedsgerichten zu verklagen. Dabei gilt es bereits als Enteignung, wenn ein Staat die Bedingungen für Investitionen durch neue Regeln wie einen früheren Kohleausstieg verschlechtert.

Anti-Klimaabkommen

So verklagten bspw. die Energiekonzerne RWE und Uniper die Niederlande wegen deren Kohleausstieg in Milliardenhöhe. RWE verlangte im Jahr 2021 unter Berufung auf den ECT 2,4 Milliarden Euro von den Niederlanden als Entschädigung für den Kohleausstieg, der dort für 2030 geplant ist. In Deutschland wurde gegen den Atomausstieg geklagt, und auch die Kosten für den Braunkohleausstieg wurden um Millionen in die Höhe getrieben. Kritiker sehen den ECT daher im Widerspruch zum Pariser Klimavertrag und bezeichnen ihn als „Anti-Klimaabkommen”.

Reform gescheitert – EU sollte kündigen

Der Vertrag sollte daher geändert werden, um ihn an das Pariser Abkommen anzupassen. Seit April 2020 wurde in Brüssel verhandelt. Für eine Reform müssten alle 53 Vertragsstaaten zustimmen. Das wurde nicht erreicht. „Bereits vor dem Start der Verhandlungen über eine Reform des ECT stand fest: Mehr als Kosmetik ist nicht drin“, kommentierte Ludwig Essig, Fachbereich Handelspolitik des Umweltinstituts München. „Dass die EU mit allen drei Reformzielen scheiterte, ist dramatisch, zeigt aber: Die EU muss das Anti-Klimaabkommen jetzt kündigen!“

Die vier EU-Mitgliedstaaten Deutschland, die Niederlande, Polen und Spanien waren schon lange von den Verhandlungen frustriert, berichtete Euractiv, und hatten die Europäische Kommission, die im Namen der 27 EU-Mitgliedstaaten verhandelt, aufgefordert, zu prüfen, wie ein koordinierter Austritt gemäß den EU-Verfahren eingeleitet werden könnte. Frankreich und Spanien zählen zu den größten Befürwortern radikaler Reformen und forderten die EU-Länder auf, gemeinsam auszusteigen, wenn die Verhandlungen bis Ende 2021 keine Fortschritte bringen.

Rechtsgutachten: Verstoß gegen EU-Recht

Nachdem das Umweltinstitut München schon 2018 mit einem Rechtsgutachten aufgezeigt hatte, dass Investitionsschutz-Klagen durch den Energiecharta-Vertrag gegen europäisches Recht verstoßen könnten, urteilte der Europäische Gerichtshof am 10. September 2021, dass die Schiedsgerichtsklausel des ECT innerhalb der EU nicht anwendbar ist.

Auch eine von der Umweltrechtsorganisation Client Earth in Auftrag gegebene Studie des europarechtlichen Zentrums der Universität Amsterdam stellte die Rechtsmäßigkeit des Vertrags innerhalb der EU auf den Prüfstand. Die Rechtswissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass der ECT ist in seiner derzeitigen Fassung nicht kompatibel mit den EU-Verträgen sei, denn er beeinträchtige in seiner aktuellen Form die Autonomie des EU-Rechts und zudem die Funktionsweise der EU-Institutionen.

Klimapoltische Sackgasse

Doch das veraltete und kontroverse Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren (ISDS) des Vertrags wird im Rahmen des Modernisierungsprozesses nicht verändert. Es stand während des gesamten Prozesses nicht einmal auf der Agenda, berichtet das Umweltinstitut. So würden bestehende Investitionen in Kohle, Gas und Öl noch bis weit in die 2030er Jahre hinein durch den ECT geschützt werden. Einige neue Gasinvestitionen in Pipelines und Kraftwerke konnten bis 2040 geschützt sein.

Für das Umweltinstitut führt das Abkommen somit in die Sackgasse. „Der Krieg in der Ukraine und die eskalierende Klimakrise zeigen in dramatischer Weise auf, welche gravierenden Folgen die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen haben. Gerade in diesen Zeiten müssen die demokratisch gewählten Regierungen die Handlungsfreiheit haben, eine zügige und sozial gerechte Energiewende umzusetzen. Doch genau dies behindert der Energiecharta-Vertrag”, so Ludwig Essig.

Zu diesem Schluss kommen auch die führenden Wissenschaftler in ihrem neuen IPCC-Bericht. „Wir fordern die Europäische Kommission und die europäischen Mitgliedsländer auf, einen gemeinsamen, rechtssicheren Austritt vorzubereiten. Sollte dies nicht gelingen, muss Deutschland unverzüglich einseitig kündigen” fordert das Umweltinstitut. na


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft