Menü öffnen

FrankreichMit Öko-Versprechen zum Wahlsieg

Klima-Demo im im Pariser Quartier La Defense
2019 demonstrierten Umweltorganisationen und Klimaaktivisten im Pariser Quartier La Defense gegen eine fahrlässige Umwelt- und Klimapolitik der französischen Regierung. (Foto: Julien Helaine, / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0)

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat im Wahlkampf-Endspurt die Ökologie ganz oben auf seine Agenda gestellt. Mit Erfolg. Doch Glauben schenken ihm Klimaschützer trotzdem nicht – denn sein ökologischer Plan blieb bislang reine Rhetorik.

27.04.2022 – „Faire de la France une Grande Nation écologique, c'est notre projet“ – Frankreichs frisch wiedergewählter Präsident Emmanuel Macron hatte sein Programm vor der Stichwahl noch einmal grün gepinselt und versprochen, der ökologische Wandel werde im Mittelpunkt seiner zweiten Amtszeit stehen – wohl vor allem, um mehr junge Wähler zu gewinnen und sich mit einem Thema deutlich von der Rechtspopulistin Marine Le Pen abzuheben.

Ihr warf er vor, eine Klimawandelskeptikerin und auf dem Gebiet inkompetent zu sein. So wolle Le Pen Windräder abbauen lassen und damit Steuergelder verschwenden. Mit ihm gebe es neue Offshore-Windparks, mehr Solarenergie und jede Menge neu gepflanzter Bäume. Sein nächster Premierminister werde direkt mit der ökologischen Planung betraut sein, versprach Macron. Der Premierminister solle zudem von zwei weiteren Ministern für Klimapolitik flankiert werden. Einer werde sich um die Energieplanung kümmern und Frankreich aus der Energieerzeugung mittels fossiler Brennstoffe führen. Der andere solle die ökologische Planung in der Fläche übernehmen und die Energiewende dezentralisieren.

Wiedergewählt, aber Ziele verfehlt

Klimaaktivisten und Umweltschützer machen sich indes keine allzu großen Hoffnungen. Denn die Wiederwahl Macrons bedeute nicht, dass man mit seiner bisherigen Politik zufrieden sei. Angesichts seiner Bilanz an der Klima- und Umweltfront während der letzten fünfjährigen Amtszeit könne man den Versprechen wenig Anerkennung zollen. Grundsätzlich bleibe das politische Programm in einer neoliberalen und technozentrischen Logik verankert, die mit den Klimazielen des Pariser Abkommens unvereinbar sei, „die eine tiefgreifende Transformation unserer Produktions- und Konsumweisen hin zu mehr Solidarität und sozialer Gerechtigkeit implizieren“, kommentierte Greenpeace-France-Chef Jean-François Julliard.

Frankreich wegen Untätigkeit im Klimaschutz verurteilt

Die Kluft zwischen Macrons Reden und Aktionen zu Ökologie und Klima sei enorm. „Er hatte fünf Jahre Zeit, um zu handeln, und er tat es nicht. Er wurde wegen Untätigkeit zum Klimaschutz verurteilt, daher gibt es keinen Grund, seinen Versprechen wirklich zu glauben“, so Julien Bayou, nationaler Sekretär von Europe Ecologie-Les Verts, gegenüber der französischen Presse. Frankreich wurde im Jahr 2021 zweimal von Gerichten wegen seiner Untätigkeit im Klimaschutz verurteilt. Ende 2020 hatte der französische Conseil d’État nach einer Klage Frankreichs Regierung verpflichtet, innerhalb von drei Monaten die Maßnahmen zur Bekämpfung der globalen Erwärmung zu erläutern. Der Europäische Gerichtshof hatte Frankreich wegen Nichteinhaltung von Luftqualitätsnormen verurteilt. Die französischen Zielvorgaben blieben hinter denen der EU zurück, kritisierten Wissenschaftler vom Centrum für Europäische Politik in ihrer Studie zum Klima- und Resilienzgesetz.

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Nach einer Amtszeit, in der ökologische Versprechen nicht ansatzweise eingelöst wurden und die Bedrohung durch die Machtübernahme der extremen Rechten wieder groß war, hat Greenpeace France deshalb gleich nach der Wahl die Zivilgesellschaft aufgerufen, sich zu mobilisieren – um die neue alte Regierung „zu einem absolut notwendigen sozialen und ökologischen Aufschwung zu zwingen“ und bei den anstehenden Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni Abgeordnete mit einer „ehrgeizigen und gerechten Vision von Ökologie“ zu wählen.

Erst Atom, dann Ökostrom

Erst im Februar hatte Macron den Bau von bis zu vierzehn neuen Atomkraftwerken angekündigt und die Laufzeitenverlängerung alter Meiler. Dafür hatte er 50 Milliarden Euro angesetzt. Um Stromlücken bis dahin zu schließen, sollten auch Erneuerbare Energien ausgebaut werden, dafür seien 50 Offshore-Windparks und eine Verdopplung der Windkraft an Land notwendig. Wie alle Präsidenten vor ihm, egal welcher Partei, setzt Macron auf Atomenergie als zentrales Element der französischen Klimaschutzstrategie. Die Einstufung der Atomkraft als nachhaltige Energie in die grüne EU-Taxonomie, die Frankreich vorangetrieben hatte, soll vor allem die hohe Verschuldung des Staatskonzerns EDF überbrücken und den Bau neuer AKWs finanzieren.

Mit dem nuklearen Ausbau begebe sich Frankreich in eine immer tiefere Abhängigkeit mit Russland, warnen schon lange Klimaschutz- und Anti-Atomorganisationen und riefen gegen die geplante Kooperation der Atomkonzerne Framatome und Rosatom bei der Brennelementeherstellung im deutschen Lingen auf. Sie befürchten zunehmenden russischen Einfluss über den Atommarkt. Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist das Thema akut geworden. „Die sogenannte atomare Energie-Unabhängigkeit ist eine Fata Morgana,“ warnte Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen im Februar.

Energiewende-Rückwärtsrollen

Versprochene Energiewende-Ziele hinsichtlich des Verhältnisses Atomenergie und Erneuerbare Energien wurden während Macrons Amtszeit regelmäßig revidiert. Frankreich hinkt in Bezug auf den Anteil Erneuerbarer Energien im Energiemix entsprechend hinterher. 67 Prozent der Stromproduktion entfallen auf die Kernenergie, sieben Prozent auf Windkraft und ein Prozent auf Kohle. Die Photovoltaik macht rund zwei Prozent der Stromproduktion in Frankreich aus. Ende 2021 versprach die Regierung einen Aktionsplan für die Solarenergie. Die Installation von über drei Gigawatt Photovoltaik pro Jahr solle bis Ende 2025 gefördert werden, möglichst verteilt über das ganze Land.

„Make our planet great again“ – Meister der großen Worte

Mit tragenden Sprüchen wie „Make our planet great again“ startete Macron in seine erste Amtszeit und engagierte den medienwirksamen Öko-Aktivisten Nicolas Hulot als Umweltminister – der nahm rund ein Jahr später schon wieder seinen Hut. „Ich will mich nicht länger belügen“ kommentierte er seine Flucht aus dem Elysée, er sehe in der Regierung Macron keine Möglichkeit mehr, seine Pläne zu Klima- und Umweltschutz umzusetzen. Seit der COP21 ist es Frankreich nicht ein einziges Mal gelungen, die Ziele zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu erreichen. Um weitere Fehlschläge zu vermeiden, hat die Regierung 2020 ihre Ambitionen ganz einfach nach unten und die CO2-Emissionen nach oben korrigiert.

Die UNO weihte Macron 2018 für seine flammenden Reden für den Klimaschutz zum „Champion der Erde“. Umweltschützer nennen ihn den Champion der leeren Versprechen. In der Corona-Krise versprach Macron „das Wesen der Globalisierung zu verändern“, denn „niemand zögert, tiefgreifende und radikale Entscheidungen zu treffen, wenn es um Leben oder Tod geht. Dasselbe gilt für das Klimarisiko“. Doch die Regierung verteilte öffentliche Gelder in zweistelliger Milliardenhöhe an den Luft- und Automobilsektor, Bahn oder Fahrradinfrastruktur erhielten nur Almosen, kritisierte Greenpeace France. Die Liste der leeren Versprechen sei lang.

2017 versprach der frisch angetretene Präsident, Umweltgesundheit zu einer „Priorität für die Amtszeit von fünf Jahren“ zu machen. Das Verbot von Glyphosat stehe dabei ganz oben auf der Liste. 2019 hieß es dann, das sei nicht machbar und „würde unsere Landwirtschaft töten“.

Im Juli 2019 wird CETA, ein von Macron stark unterstütztes Freihandelsabkommen mit Kanada, trotz heftigen Widerstands in der Nationalversammlung ratifiziert. Dieses Freihandelsabkommen erhöhe die Treibhausgasemissionen und stärke die Macht multinationaler Konzerne gegen das allgemeine Interesse, warnten lange zuvor Umwelt- und Klimaschutzorganisationen. Im Februar 2020 stimmten die Abgeordneten von La République en Marche für das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Vietnam, berichtet Greenpeace France – „ohne Rücksicht auf Menschenrechte oder Klima“.

Die Regierung versprach auch die „Schließung von Kohlekraftwerken, ein Ende der Genehmigungen für Kohlenwasserstoffe und die Einstufung von 30 Prozent unserer Meeres- und Landgebiete als Schutzgebiete.“ Zwar gab es 2017 ein Kohlenwasserstoffgesetz, aber es sei so lasch, dass Frankreich ein Jahr nach seinem Inkrafttreten die Weiterführung von 18 Kohlenwasserstoffprojekten genehmigt hatte, kritisieren die Umweltschutzorganisationen.

Die ökologische Agenda des alten neuen Präsidenten bleibt in den Augen der Umwelt- und Klimaschützer also reine Rhetorik. Er sollte das jetzt ändern: In Frankreich steht nicht weniger als der soziale Frieden auf dem Spiel, das hat die Wahl noch einmal deutlich gemacht. Einsicht hat er direkt nach der Wahl schon mal gezeigt – rhetorisch gesehen. na


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft