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Wälder und MooreDie wichtigsten Klimaschützer

Buchenwald mit blühenden Bodendeckern
Alte artenreiche Wälder speichern viel Kohlenstoff und sind für den Klimaschutz überaus wichtig. (Foto: PxHere / CC0 1.0 DEED)

Jahr für Jahr steigt der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre. Das klimaschädliche Gas stammt vor allem aus fossilen Prozessen, hat aber auch natürliche Quellen. Ozeane, Wälder und Moore als natürliche Senken sind die wichtigsten Kohlenstoffspeicher.

29.04.2024 – Ein zentrales Element des Klimaschutzes sind negative Emissionen. Natürliche und technische Senken müssen das in der Atmosphäre befindliche Kohlendioxid bzw. den darin enthaltenden Kohlenstoff einfangen und dauerhaft speichern. Das Ziel der EU bis 2040: jährlich knapp 400 Millionen Tonnen negative Emissionen (in Kohlenstoffäquivalenten). Von diesen 400 Millionen Tonnen entfällt auf den Landsektor der größte Anteil: 317 Millionen Tonnen, die vor allem in Wäldern und Mooren dauerhaft eingelagert werden sollen. Zum Vergleich: Der Treibhausgasausstoß der EU belief sich 2021 auf rund 3,5 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente.

Technische Kohlendioxidentnahmen aus der Atmosphäre oder das direkte Abscheiden am Ort des Entstehens und das dauerhafte Speichern sind im EU-Klimaszenario 2040 lediglich mit 75 Tonnen vorgemerkt – immer noch ein Vielfaches dessen, was aktuell geleistet wird, aber eben bei weitem nicht so viel, wie von den natürlichen Senken erwartet wird. Welche Möglichkeiten zur technischen Kohlenstoffentnahme es gibt und wie sie einzuordnen sind, wird im Artikel ab Seite 29 beschrieben.

Klimaziele ohne Wälder und Moore unerreichbar

Wie wir mit Wäldern und Mooren umgehen, ist entscheidend für erfolgreichen Klimaschutz, ganz abgesehen davon, dass sie über die Senkenfunktion hinaus Großes leisten für den Wasserhaushalt, die Wasserreinheit und die Biodiversität. Dabei haben die Moore bei der CO2-Bindung den Wäldern einiges voraus, weil sie im Vergleich zu Wäldern ein Vielfaches dauerhaft speichern können. In diesen Ökosystemen stimulieren sich Pflanzenwachstum und Kohlenstoffablagerung im Boden gegenseitig.

Doch die wertvollen Hoch- und Niedermoore existieren de facto nicht mehr. Mehr als 90 Prozent der Moorflächen in Deutschland wurden trockengelegt, d.h. mit Gräben oder Drainagen das Wasser abgeleitet, um einen trockenen Untergrund zu schaffen. Ein großer Teil davon wurde zu Weide- oder Ackerflächen, aus denen jede Menge CO2 entweicht. Denn wenn Moore trockengelegt werden, dringt Sauerstoff in den Torfkörper ein und es entsteht der Klimatreiber Nummer Eins: Sauerstoff und Kohlenstoff verbinden sich zu Kohlendioxid. Deshalb ist die auf Drainage gegründete Landwirtschaft fürs Klima so schädlich.

Aus Moor gewonnene Weide- und Ackerflächen wieder vernässen

Die Wiedervernässung von Mooren ist inzwischen als sehr kosteneffiziente Maßnahme zur Treibhausgasvermeidung anerkannt und steht ganz oben auf der Liste beim natürlichen Klimaschutz, sowohl in Europa als auch in Deutschland. Im geplanten EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur ist sie ein zentrales Element. Leider wurde das Gesetz nicht wie vorgesehen im März 2024 verabschiedet. Befürworter hoffen auf einen Beschluss des Umweltrates im Juni. Als möglichen Game-Changer für die Landwirtschaft in punkto Klimaschutz bezeichnet sie Franziska Tanneberger vom Greifswald Moor Centrum.

Ängste, die landwirtschaftlichen Flächen würden fehlen und die Ernährungssicherheit sei gefährdet, sind unbegründet. Gemittelt über Europa sind nur drei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen trockengelegte Moore. Aber aus diesen drei Prozent entstehen 25 Prozent der Treibhausgasemissionen, die der Landwirtschaft zugeordnet werden. Somit könnten mit der Wiedervernässung von nur drei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ein Viertel der Treibhausgase aus der Landwirtschaft vermieden werden. Heruntergebrochen auf Deutschland: Sieben Prozent der landwirtschaftlichen Flächen sind trockengelegte Moore, ihre Wiedervernässung könnte 37 Prozent der landwirtschaftlichen Treibhausgase vermeiden. Was für eine Chance!

Torfmoosanbau in der Diepholzer Moorniederung

Doch wie genau wird ein Moor wiedervernässt, und was ist auf der nassen Fläche dann noch möglich? Antworten und Praxisbeispiele gibt es wie etwa im Barver Moor in Niedersachsen. Hier wurde eine Demonstrationsfläche geschaffen, die inzwischen mit Paludikultur nass bewirtschaftet wird. Im Barver Projekt wird auf einer zuvor als Grünland genutzten landwirtschaftlichen Fläche Torfmoos angebaut, auch Sphagnum genannt. Es ist prädestiniert für den Anbau in Hochmooren. Um das Areal zu vernässen, wurden Drainagen entnommen, ein Ringgraben um die Flächen angelegt und die wasserrechtliche Genehmigung für die Entnahme von Wasser aus einem nahegelegenen Entwässerungsgraben eingeholt.

Doch die Fläche muss keineswegs dauerhaft bewässert werden, wie der Bodenkundler und Moorexperte Jens-Uwe Holthuis berichtet: „Wenn sich der Torfkörper gesättigt hat, entwickelt er in Kombination mit den Torfmoosen eine Eigendynamik, ein eigenes Wasserregime und kann relativ unabhängig von der Bewässerung Wasser speichern.“ Allerdings hat es eine Weile gedauert, bis der über die Jahrzehnte ausgetrocknete Torfkörper wieder nass wurde.

Im Jahr 2020 wurden Torffragmente auf der Fläche verteilt und über den Sommer gewissenhaft der Wasserstand für die kleinen Pflänzchen überwacht. Die Mühen wurden belohnt, das Sphagnum ist gut angewachsen. In diesem Jahr soll es eine Probeernte geben. Mit schweren landwirtschaftlichen Maschinen kann die Fläche nicht befahren werden. Paludikultur braucht leichtere mobilere Maschinen, eine der Herausforderungen, die Holthuis nennt.

Im Gegensatz zum jahrhundertelangen und immer noch stattfindenden Torfabbau, der viele Emissionen freisetzt, bleibt bei der Ernte und Verarbeitung von Torfmoos der Kohlenstoff im Torfkörper. Das Moos eignet sich für den Erdenmarkt – als Zusatz für gärtnerische Erden – weil es sehr leicht ist und viel Wasser speichern kann. Aber auch andere Nischenmärkte gibt es, in der Orchideenzucht oder als Isoliermaterial. „Weil die Moose so gut Wasser aufnehmen, können sie auch gut Chemikalien binden oder speichern. Ein Unternehmen in Kanada beispielsweise setzt sie ein, um durch Havarien im Meer ausgetretenes Öl zu binden“, berichtet Holthuis. Leider sind Paludikulturen in der Europäischen Union noch nicht einmal beihilfeberechtigt – ein Grund, weshalb Landwirte zögerlich sind.

Nicht nur Torfmoose, auch Schilf, Rohrkolben oder Moosbeeren können auf nassen Böden angebaut werden und als Baustoffe, Futter oder Nahrungsmittel dienen. Die Haltung einiger Tierarten ist ebenfalls auf nassen Böden möglich. Photovoltaikanlagen auf wiedervernässten Mooren sind eine weitere wirtschaftliche Alternative und inzwischen EEG-gefördert.

Der Wald als Klimaschützer

Wenn es um die Senkenfunktion des Waldes geht, gibt es eine klare und einfach zu verstehende Maßnahme: Artenreiche Waldgebiete mit altem Baumbestand müssen unangetastet bleiben, nur minimal bewirtschaftet werden. Keine Autobahn, kein Gewerbegebiet rechtfertigen die Abholzung, denn diese Wälder sind für den Klimaschutz unerlässlich. Jahr für Jahr speichert der Wald in Deutschland etwa 60 Millionen Tonnen Kohlenstoff. Die aktuellste Zahl stammt aus 2021: 52,5 Millionen Tonnen CO2 netto absorbierte der Wald in diesem Jahr, das sind rund sechs Prozent der deutschen CO2-Emissionen. Die Zahlen pro Hektar variieren, je nach Beschaffenheit und Alter. Zudem speichern nicht nur die Bäume selbst Kohlenstoff, sondern auch der Waldboden.

Das Speicherpotenzial von Wäldern ist bei Weitem nicht ausgeschöpft, jedoch wird auch davor gewarnt, es zu überschätzen und negative Effekte von Massenaufforstungen, Kompensationsprogrammen und Greenwashing zu vernachlässigen. Die letzten Jahre zeigen zudem die Verwundbarkeit der Wälder: Dürren, Schädlingsbefall und großflächige Waldbrände können die Emissionsbilanz erheblich ins Ungleichgewicht bringen.

Forschungsergebnisse zeigen, dass ungefähr die Hälfte des weltweiten Speicherpotenzials von der Biodiversität abhängt und deshalb Klimaschutz-Maßnahmen auf die natürliche Artenvielfalt abzielen müssen. Nur so kann die Senkenfunktion tatsächlich ausgeschöpft werden. Natürliche, vielfältige Wälder könnten bis zu 30 Prozent des vom Menschen verursachten Kohlenstoffs binden. Hinzu kommen sauberes Wasser, saubere Luft und Orte zum Wohlfühlen. Was für eine Chance!

Guter Waldumbau

Wald forstlich nutzen und ihn gleichzeitig resilienter machen – diese beiden Ziele sind nicht leicht unter einen Hut zu bringen. Dabei ist genau dies das Gebot der Stunde. Nur widerstandsfähige, gesunde Wälder können langfristig stabil Holz liefern und gleichzeitig das Klima schützen.

Doch die Stabilität hat ihren Preis. Pflanzung und Pflege vielfältiger Wälder ist teurer als der Anbau von pflegeleichten Monokulturen. Schädigen Stürme oder Wetterextreme den Mischwald, ist die Investition gescheitert, ein Risiko für Waldbesitzer. Es ist eine Aufgabe der Klimapolitik, den Waldumbau zu unterstützen.

In der Forstwirtschaft ist die Abkehr von der Monokultur verstanden, vielerorts wird am Umbau gearbeitet: Kahlschläge sind tabu, in bestehenden Nadelholz-Monokulturen werden punktuell junge Laubbäume gepflanzt. Auf Schadflächen, dort wo nach einem Sturm oder Schädlingsbefall die Bäume großflächig darniederliegen, wird nicht alles Totholz entfernt, Pionierbäumen Raum gelassen und bei der Aufforstung auf Vielfalt geachtet.

EU plant Zertifikate für CO2-Entnahmen in der Landnutzung

Die EU hat sich Anfang des Jahres auf einen Rechtsrahmen für die Zertifizierung von CO2-Entnahmen geeinigt. In etwa fünf Jahren soll es so weit sein: Die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre und die Anreicherung in Böden könnte dann in der Land- und Forstwirtschaft zur Einnahmequelle werden. Die Wiederherstellung von Wäldern und Böden, die Vermeidung von Bodenemissionen sowie die Wiedervernässung von Torfmooren bilden zentrale Säulen im Plan der EU. Zertifikate gibt es zudem nur, wenn das Carbon-Farming auch dem Artenschutz dient. Die Sachverständigen im Klimabeirat der EU gehen noch weiter: Sie empfehlen darüber hinaus die Bepreisung von CO2-Emissionen im Agrarsektor, in anderen Landnutzungssektoren und im Ernährungsbereich. Petra Franke


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