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Fossile InfrastrukturenLNG-Terminals für die Energiewende umrüsten? Nicht so einfach!

Lutaufnahme der Einmündung eines Flusses ins Meer mit Hafen.
Brunsbüttel an der Mündung des Nord-Ostseekanals. Hier, an einem der wichtigsten Seehäfen Deutschlands, sollen bald ein schwimmendes und später auch ein festes LNG-Terminal entstehen. (Bild: user:UlrichAAB, Wikimedia Commons, CC BY 3.0)

Bundesregierung und Betreiber versprechen LNG-Terminals in Deutschland für die spätere Aufnahme von grünem Wasserstoff und Ammoniak fit zu machen. Doch was dies für eine immense und teure Herausforderung darstellt, legt eine neue Studie offen.

04.11.2022 – Für eine klimaneutrale Wirtschaft, etwa in industriellen Prozessen, braucht es Wasserstoff oder Ammoniak, produziert aus Erneuerbaren Energien. Aktuell im Bau befindliche LNG-Terminals dagegen können kurzfristig einen Gas-Mangel beheben, dürfen im Sinne des Klimas jedoch nicht für Jahrzehnte betrieben werden. Die Idee von Bundesregierung und Betreibern ist, LNG-Terminals später zum Import von Flüssigwasserstoff oder Ammoniak umzurüsten. Dies sei jedoch mit großen Unsicherheiten behaftet, warnt das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI auf Grundlage einer eigenen Studie im Auftrag der European Climate Foundation.

Sechs „schwimmende“ LNG-Terminals sogenannte FSRUs – Floating Storage and Regasification Units – in Deutschland sind bereits in Planung und Bau. Fünf davon werden Hauptverantwortlich von der Bundesregierung projektiert, ein weiteres privat von der Deutschen Regas. Bei den FSRUs handelt es sich um spezielle Schiffe und dazugehörige Anlandestationen, die innerhalb kürzester Zeit Betriebsbereit seien können. Die ersten drei sollen Ende dieses und Anfang kommenden Jahres in Betrieb gehen, die drei weiteren bis Anfang 2024. Bei festen LNG-Terminals hingegen wird mit einer Bauzeit von mindestens dreieinhalb Jahren gerechnet. Frühestens Anfang 2026 könnten diese LNG aufnehmen, dann auch in größeren Mengen als die FSRUs.

Doch schon der Bau von FSRUs ist mit erheblichen Kosten verbunden. Die geplanten Mittel für ein FSRU in Wilhelsmhaven etwa werden mit 576 Millionen Euro über 10 Jahre beziffert. Allein 200.000 Euro gehen jeden Tag für die Miete der speziellen Schiffe drauf. Der Bau fester LNG-Terminals wird sogar mit Kosten von bis zu einer Milliarde Euro beziffert. Es bedürfte einer enorm langen Betriebsdauer, damit sich diese Terminals rechnen. Angesichts der Klimakrise befürchten Klima- und Umweltschützer:innen einen sogenannten „fossilen Lock-In“, also ein Behaaren auf dem Betrieb fossiler Infrastrukturen, damit diese sich rechnen. Für die deutschen und europäischen Klimaziele aber dürften LNG-Terminals nicht bis in die 2040er Jahre hinein betrieben werden.

Die Bundesregierung, sowie der Energiekonzern RWE, die zusammen das bislang einzige konkrete Projekt für ein festes LNG-Terminal in Brunsbüttel vorantreiben, versprechen, dass eine entsprechende Anlandestation fit für die klimaneutrale Zukunft gemacht werde. Konkret geht es um die Umrüstung der Terminals zur Aufnahme von grünem Wasserstoff oder Ammoniak. Ammoniak wird dabei oft dem Wasserstoffsektor zugerechnet, da es als eine Lösung für den Transport von Wasserstoff gilt, aufgrund der höheren Dichte von Ammoniak. Man wolle neben dem LNG-Terminal in Brünsbüttel zeitnah ein weiteres für grünes Ammoniak realisieren, so RWE im März. Das Vorhaben solle dazu beitragen die spätere Umstellung des gesamten Standorts auf grüne Moleküle zu erleichtern. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck begrüßte das Vorhaben.

Große technische Herausforderungen

Die Autor:innen der Studie vom Fraunhofer ISI weisen jedoch auf große technische Herausforderungen hin, die eine Umrüstung von LNG-Terminals zur Anlandung und Weiterverbreitung von Ammoniak, wie auch Wasserstoff mit sich bringt. Ammoniak habe eine günstigere Siedetemperatur als LNG und daher geringere Anforderungen an die thermische Isolation, sei aber korrosiv und giftig, so die Forscher:innen, die weiter schreiben: „Flüssiger Wasserstoff hingegen hat einen noch niedrigeren Siedepunkt als LNG, kann Materialversprödung verursachen und geht aufgrund des Explosionsrisikos mit hohen Sicherheitsanforderungen einher.“

Um hohe Neuinvestitionen zu vermeiden, mahnen die Autor:innen die Umstellung auf Ammoniak oder flüssigen Wasserstoff bereits bei der Planung der Terminals zu berücksichtigen. Beim Speichertank – dem mit Abstand teuersten Bauteil – etwa sollten kompatible Materialien, wie spezielle Edelstähle verwendet werden. Doch selbst bei einer vollständigen Berücksichtigung der späteren Umrüstung müssten wohl bei einem späteren Betrieb mit Ammoniak 30 Prozent der Investitionskosten erneut getätigt werden. Bei einer Umstellung auf flüssigen Wasserstoff könnten sogar 50 Prozent der ursprünglichen Investitionskosten erneut anfallen. Zudem sei es nicht möglich, die Terminals flexibel mit verschiedenen Energieträgern zu betreiben.

Im Falle von Flüssigwasserstoff fehle es zudem an praktischen Anwendungen im großindustriellen Maßstab. Es gebe nur einen Prototyp eines Importterminals in kleinerem Maßstab in Kobe, Japan. Dies und die geringe oder fehlende Nachfrage bzw. der fehlende Markt für Flüssigwasserstoff führe zu weiteren Unwägbarkeiten. Constantin Zerger, Energieexperte der Deutschen Umwelthilfe (DUH), hatte kürzlich per Anfrage nach dem Umweltinformationsgesetz das Bundeswirtschaftsministerium gefragt, welche Studien dem Ministerium zur Umrüstung von LNG-Terminals auf Wasserstoff vorliegen. Als Antwort erhielt er unter anderem Unterlagen von RWE zum Terminal in Brunsbüttel, die er via Twitter veröffentlichte. Die Unterlagen waren fast komplett geschwärzt.

Constantin Zergers Fazit: „Die Pläne zur Umrüstung von Wasserstoff oder Ammoniak scheinen für BMWK und RWE streng geheim zu sein. Komisch für ein Projekt, dass erst durch einen großen Millionenkredit durch die KfW und damit mit Steuergeld ermöglicht wurde.“ Die DUH weist zudem daraufhin, dass eine spätere Umrüstung der schwimmenden Terminals, laut Fraunhofer ISI, ausgeschlossen ist. Und dass entgegen den Verlautbarungen der Bundesregierung. Bundeskanzler Olaf Scholz etwa erklärte bei einem Kongress Anfang Juni, dass bei allen LNG-Projekten – stationären wie schwimmenden – die neuen Terminals und Leitungen in Zukunft auch für Wasserstoff genutzt werden könnten. mg


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Kommentare

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Heidger Brandt 06.11.2022, 06:28:19

Ein sehr guter Bericht.

Zu ergänzen sind drei erschütternde Erkennntisse:

 

Zum einen wird überdeutlich, dass es tatsächlich allein um den langfristig geplanten Impot von LNG geht.

Das heißt, die Bundesregierung bzw. SPD, Grüne und FDP mit ihrem angeblichen "Klimakanzler" Scholz und angeblichen "Energiewende- und Klimaschutzminister" Habeck an der Spitze, täuschen und belügen die Öffentlichkeit infam über die wahren Absichten ihrer Politik.

 

Zum anderen wird offensichtlich, dass diese Regierung nicht dem Schutz des Klimas und nicht dem Gemeinwohl dient, sondern allein den Profit-Interessen von RWE. Politik als Erfüllungslobbyismus.

Statt die wirkliche Energiewende durchzuführen, die nur dezentral von gemeinnützig ausgerichteten Stadt- und Gemeindewerken durchgeführt werden kann und damit ohne die Energiekonzere, wird das extrem überteuerte

zentrale fossile Geschäftsmodell von RWE und Co. mit Steuermilliarden immer weiter ausgebaut und verfestigt. Gleichzeitig steigen die Energiekosten und damit Profite der Konzerne in Zukunft noch stärker aufgrund der gegenüber russischem Pipeline-Erdgas deutlich höheren LNG-Kosten. Alles bezahlt aus den Einkommen der Verbraucher und zulasten insbesondere der mittelständischen Wirtschaft und damit zum Schaden der Volkswirtschaft insgesamt.

 

Und nebenbei wird der Treibhauseffekt von diesen sich verantwortungsvoll gebenden "Volksvertretern" bzw. Erfüllungsgehilfen kurzsichtiger Konzerninteressen immer weiter angekurbelt und der Klimakollaps billigend in Kauf genommen.

Heidger Brandt 06.11.2022, 14:34:28

Es kommt noch ein vierter fataler Aspekt hinzu:

Der Wasserstoff soll – trotz ausreichender Möglichkeiten – nicht in Deutschland und der EU produziert, sondern über große Entfernungen und damit extrem teuer und extrem stör- und krisenanfällig importiert werden. Und dies überwiegend aus den Golf-Diktaturen und unsicheren Krisenstaaten wie dem Senegal. Das heißt, die Abhängigkeit von Russland soll zukünftig durch fortgeschriebene Abhängigkeiten von überwiegend dubiosen Regimen ersetzt werden. Auch hier ist absehbar, dass die Preise bei jeder noch so kleinen Krise und Störung der Transportwege in die Höhe schnellen werden bzw. diese von den Betreibern und den Händlern für das Hochschrauben der Preise genutzt werden. - Das heißt: Auch beim Wasserstoff ist allein die Fortschreibung des renditeträchtigen, für die Verbraucher und die Volkswirtschaft fatalen Geschäftsmodells der Energiekonzerne vorgesehen.

Hinzu kommt: Es gibt weder konkrete Berechnungen noch Planungen noch Finanzierungs- und Umsetzungsmodelle, wo welche Kapazitäten entstehen sollen, die den gesamten deutschen und europäischen Energiebedarf abdecken können. Und schon gar keine Sicherheiten, dass dies in Zukunft mit den genannten Staaten funktionieren wird. Es existieren lediglich pauschale Versprechen, mit denen die Öffentlichkeit über die tatsächlichen Ziele des fossilen Weiterso getäuscht wird. In welchem Umfang dies geschieht, offenbaren die geschwärzten Planungsunterlagen von RWE, die gleichzeitig das einzige Regierungsprogramm sind.


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