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GroßbritannienWenn die Kohlekraftwerke stillstehen

Das britische Ratcliffe-on-Soar Kohlekraftwerk
Stillstand beim britischen Ratcliffe-on-Soar Kohlekraftwerk (Foto: Luiscarlosrubino / commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Seit zwei Monaten kommt Großbritannien ohne Kohlestrom aus – und das könnte im Sommer auch so bleiben. Während die Erneuerbaren Rekordwerte erzielen, sinkt gleichzeitig durch Corona die Stromnachfrage. Ein historischer Wendepunkt für die Kohlenation.

13.06.2020 – Seit 1882 gehören Kohlekraftwerke genauso zu Großbritannien, wie der nachmittägliche Five o’clock Tea. Hätte man 2010 behauptet, dass das Vereinigte Königreich in nur zehn Jahren monatelang ohne Kohle auskommt, wer hätte einem schon geglaubt? Tatsächlich wurden Englands Kohlekraftwerke in der letzten Dekade dermaßen schnell aus dem Stromnetz verdrängt, wie es wohl niemand für möglich gehalten hätte.

So gab es im Jahr 2017 den ersten kohlestromfreien Tag in der Geschichte des Landes – nach der Elektrifizierung, versteht sich. Dieser Rekord wurde sicherheitshalber zum Ende des Jahres noch einmal wiederholt. Im darauffolgenden Jahr konnte das britische Stromnetz bereits stolze 21 Tage auf die Kohle verzichten.

Im Jahr 2019 wurden sämtliche Rekorde erneut geknackt, das Vereinigte Königreich konnte seine Kohlekraftwerke insgesamt für 83 Tage komplett abschalten. Ganze 18 Tage am Stück herrschte Stillstand an den Kohle-Förderbändern.

Zwei Monate ohne Kohlestrom

Und in diesem Jahr können die Mitarbeiter britischer Kohlekraftwerke noch viel öfter die Füße hochlegen – und das nicht nur wegen der Corona-Pandemie. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch wurde ein neuer Rekord aufgestellt, wie der britische Übertragungsnetzbetreiber National Grid bekanntgab: Zum ersten Mal kam Großbritannien stolze zwei Monate am Stück ohne den Strom sämtlicher Kohlemeiler aus.

Stattdessen stammten in diesem Zeitraum 36 Prozent der gesamten Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien, ein satter Anteil von 31 Prozent aber auch aus Gaskraftwerken und 9 Prozent aus Stromimporten. 22 Prozent wurden immer noch durch die Atomenergie gestemmt, die Großbritannien kurioserweise weiter ausbaut. Am Kernkraftwerk Hinkley Point werden derzeit zwei weitere Reaktoren errichtet, Kritiker befürchten ein Milliardendesaster.

Weshalb stehen die Kohlekraftwerke still?

Der Rekordstillstand britischer Kohlekraftwerke ist einerseits auf die Corona-Krise zurückzuführen, die einen Einbruch der Stromnachfrage um 15 bis 20 Prozent verursacht hat. Andererseits erreichten Erneuerbare-Energie-Anlagen eine Rekorderzeugung im Vereinigten Königreich. Auch hierzulande haben die Erneuerbaren bisher mehr als die Hälfte der gesamten Stromerzeugung gestemmt.

Da die Kohlekraftwerke Strom zu viel höheren Grenzkosten produzieren, werden sie nun immer häufiger aus dem Netz gedrängt. Experten sprechen hierbei vom sogenannten Merit-Order-Effekt, wodurch Kraftwerke mit hohen Kosten an der Strombörse in der Rangfolge abrutschen. Aufgrund des gestiegenen CO2-Preises im europäischen Emissionshandel und teuren Einkaufskosten von Steinkohle erreichen die Kohlemeiler inzwischen deutlich höhere Grenzkosten als viele regenerative Kraftwerke.

Kohlefrei im Sommer?

Experten rechnen damit, dass Großbritannien auch die nächsten drei Monate komplett auf seine Kohlekraftwerke verzichten kann. Damit würde das Königreich den gesamten Sommer ohne Kohlestrom auskommen. Ein historischer Wendepunkt für die ehemalige Kohlenation. jk


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