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GaskriseWie Deutschland und Europa die Gasversorgung sichern wollen

Alter Erlwein-Gasspeicher Dresden-Reick im April 2021 – Außenfassade
Europa rückt in der Gaskrise enger zusammen und versucht, seine Speicher zu füllen. Lücken könnte es im Winter dennoch geben. (Bild: Johannes Reimer / CC0 / via Wikimedia Commons)

Im Winter droht Erdgas knapp zu werden, sollte Russland die bereits gedrosselten Lieferungen nach Europa ganz stoppen. Deutschland versucht, seine Gasspeicher zu füllen, holt Kohlekraftwerke aus der Reserve und ruft weiter zum Energiesparen auf.

15.07.2022 – EU-Kommission und Bundesregierung halten einen vollständigen Lieferstopp von russischem Gas für möglich. Gaslieferungen aus Russland in die EU lagen zuletzt bei weniger als 30 Prozent des Vorjahres. In Deutschland wie der EU werden Pläne für die Notfallversorgung diskutiert.

Russland dreht den Gashahn zu

Deutschland importiert rund 90 Prozent seines Erdgasbedarfs. Bisher gab es dabei keine verpflichtenden offiziellen Angaben darüber, wie das Erdgas gehandelt wurde. So kann der Anteil russischer Importe nicht genau bestimmt, sondern nur geschätzt werden. Wissenschaftler vom Forschungszentrum Jülich gehen davon aus, dass rund die Hälfte der Importe aus Russland kommt.

Seit Mitte Juni ist klar, dass Russland seine Gaslieferungen zunehmend drosselt. Russlands Präsident Wladimir Putin senkte den Lieferumfang nach Deutschland in zwei Schritten erheblich: Zunächst auf 60, dann 40 Prozent der vertraglich vereinbarten Mengen.

Für eine Routinewartung der Gas-Pipeline Nordstream 1 wurde der Gasfluss von Russland nach Deutschland vorgestern bis voraussichtlich kommenden Donnerstag vollständig gestoppt. Alternative Transportrouten, beispielsweise durch die Ukraine oder die Yamal Pipeline stünden zwar nach wie vor zur Verfügung, werden allerdings laut Bundesnetzagentur nicht genutzt.

Energie sparen

Eine aktuelle Analyse des Projekts Energiesysteme der Zukunft kommt zu dem Schluss, dass bei einem Wegfall russischer Erdgasimporte in den nächsten Monaten in Europa etwa 25 Prozent des winterlichen Erdgasbedarfs nicht gedeckt werden könnten. Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck und die Bundesnetzagentur sehen die Versorgung in Deutschland zwar aktuell als gesichert an, sprechen jedoch von einer angespannten Lage, die sich durchaus weiter verschlechtern könne.

Ein Entwurf für einen Notfallplan der EU-Kommission sieht laut Medienberichten erhebliche Energiesparmaßnahmen vor. Dazu gehört, dass öffentliche Gebäude und Büros ab Herbst standardmäßig auf nur noch 19 Grad geheizt werden sollen. Habeck kündigte zudem an, den Gasverbrauch der Industrie über finanzielle Anreizprogramme weiter senken zu wollen. Anfang der Woche stellte er außerdem die europäische Priorisierung privater Haushalte infrage und warb für eine Absicherung der Industrie. Die Versorgung privater Haushalte gilt als gesichert, allerdings warnt die Bundesnetzagentur bereits vor erheblichen Gaspreiserhöhungen in den kommenden Monaten.

Gasspeicher füllen

Experten forderten bereits vor dem Ukraine-Krieg gesetzliche Mindestfüllstände für Gasspeicher. Mindestmengen einzulagern, ist beispielsweise für Öl schon seit langem üblich. Im März einigten sich die Mitgliedsländer der EU erstmals auf verpflichtende Speicherfüllstände. In Deutschland gilt seit Ende April das überarbeitete Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das Mindestfüllstände für deutsche Gasspeicher vorschreibt. Ist abzusehen, dass die Verwalter der Gasspeicher keine ausreichenden Mengen beschaffen oder beschaffen können, wird die Trading Hub Europe GmbH (THE) mit dem Befüllen der Gasspeicher beauftragt.

Die THE ist verantwortlich für das deutsche Marktgebiet und nun über das EnWG dazu verpflichtet, die Gasspeicher schrittweise aufzufüllen. Jeder Gasspeicher soll bis zum ersten Oktober zu 80 Prozent, zum ersten November zu 90 Prozent und ab dem kommenden Jahr ab ersten Februar dann wieder zu 40 Prozent befüllt sein. Durchschnittlich liegen die Füllstände aktuell in Folge der Maßnahmen bei rund 60 Prozent, was dem Mittel der letzten Jahre entspricht.

Rund ein Viertel der Gasspeicher in Deutschland sind in russischem Besitz. Ein Großteil davon gehörte der Gazprom-Tochterfirma Astora, die ihre Speicher seit Sommer 2021 kaum hatte befüllen lassen. Inzwischen verwaltet die Bundesnetzagentur als Treuhänderin zunächst bis zum 30. September die Geschäfte der Gazprom-Germania und damit auch Astora. Die neue Gasspeicher-Richtlinie wird aktuell beim ehemaligen Astora-Gasspeicher Rehden angewandt, der zuvor monatelang fast leer stand. Zur Sicherung der Energieversorgung kann die Treuhänderschaft über das novellierte Energiesicherungsgesetz um zunächst sechs Monateverlängert werden. Energieexperten diskutieren derzeit zudem eine entschädigungslose Enteignung der russischen Gasspeicher in Deutschland.

Versorgung sichern

Für den Gaseinkauf stellt die Bundesregierung über die KfW einen Kredit von 15 Milliarden Euro bereit, der über den Bund abgesichert ist. Die angestrebten Füllstände der Gasspeicher wären – laut Bundesregierung – bis zum Winter möglich gewesen, wenn Russland die vertraglich vereinbarten Gasmengen geliefert hätte. Habeck sieht in der aktuellen Reduzierung der Liefermengen einen politisch motivierten Schritt, um Preise weiter in die Höhe zu treiben und Druck im Besonderen auf Deutschland auszuüben.

Bereits Ende Juni hatte Habeck die erste Alarmstufe des Gasnotfallplans ausgerufen und die Situation offiziell zu einer Gaskrise erklärt. Neben dem Befüllen von Gasspeichern kauft die Bundesregierung derzeit auch mehr Flüssiggas (LNG) auf dem internationalen Gasmarkt ein. Dem Stromsystem stehen zudem eine Reihe von Kohlekraftwerken als Reserve zur Verfügung. Über das Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz dürfen sie befristet bis zum 31. März 2024 zurück auf den Strommarkt. So sollen stromerzeugende Gaskraftwerke vom Markt verdrängt und Gasreserven für essenzielle Zwecke wie die Wärmeversorgung geschont werden. Zudem beschloss der Bundestag das Osterpaket, und damit einen schnellen und vorrangigen Ausbau Erneuerbarer Energien. Julia Broich


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