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RessourcenstreitBiomasse gefragt und knapp

Maschinengreifarm mit mehreren dünnen Baumstämmen
Holzartige Biomasse soll erst nach mehreren Stufen der stofflichen Nutzung energetisch verwertet werden. (Foto: adobestock310138632-47500311)

Zu Recht wird hart um die Kriterien zum nachhaltigen Einsatz von Biomasse gestritten. Besonders die Holzverbrennung steht derzeit im Fokus. Mit einer nationalen Biomasse-Strategie will die Bundesregierung Leitplanken für Deutschland setzen.

17.10.2022 – Die Frage, wie und wieviel Biomasse zur Energie- oder Kraftstofferzeugung angebaut werden sollte, wurde schon vor einem Jahrzehnt heftig diskutiert. Jetzt stellt sich die Frage verschärft – unsere Ökosysteme sind fragil, die landwirtschaftlichen Böden ausgelaugt, Wälder großflächig zerstört oder gefährdet, der Flächenfraß von Straßen, Autobahnen, Gewerbegebieten und Wohnhäusern nicht gestoppt.

Pflanzen brauchen fruchtbaren Boden und Wasser, stabiles Klima und im Fall von Wald sehr viel Zeit zum Wachsen. Deshalb wird um die Kriterien für nachhaltige Biomasse zu Recht so hart gerungen. Es geht um Flächen und was darauf wächst. Kohlenstoffspeicherung, Biodiversität und natürlicher Klimaschutz sind auszubalancieren mit dem Anbau von Nahrungsmitteln, Tierfutter, Nutzpflanzen für Bioenergie, der Holzgewinnung für Bau und Verpackung. Auch Restholz, Altholz oder Bioabfälle werden immer begehrter, um daraus Wärme oder Strom zu gewinnen.

Biomasse als Teil Erneuerbarer Energien

Im Jahr 2020 wurden 15,6 Prozent der Wärme in Deutschland erneuerbar gewonnen – die Biomasse hatte daran einen Anteil von 86 Prozent. Auch bei der Stromerzeugung ist die Biomasse relevant: sie lieferte 7,5 Prozent des im Jahr 2021 in Deutschland erzeugten Stroms. Im Konzert der Erneuerbaren Energien ist Biomasse aufgrund ihrer flexibel steuerbaren Last ein wichtiges Instrument.

Es gibt gelungene und nachahmenswerte Beispiele, die das untermauern. Genannt sei hier das Speicherkraftwerk Rixdorf-Lebrade. Die Biogasanlage wurde flexibilisiert, mit einem Gas- und einem Wärmespeicher komplettiert sowie ein neues Blockheizkraftwerk angeschafft. Statt im Dauerbetrieb liefert die Anlage seither nur Strom, wenn er benötigt wird.

Die Biovergärungsanlage im Rhein-Hunsrück-Kreis könnte ebenfalls als Blaupause dienen. Dank eines gut organisierten und differenzierten Grün- und Bioabfall-Konzepts kommen in der Anlage fast ausschließlich Küchenabfälle an, die nach dem Vergären als Gas zur Stromerzeugung dienen. Zwei Blockheizkraftwerke werden damit gespeist, das kleinere erzeugt Strom für den Standort, das größere wird netzdienlich morgens und abends hinzugeschaltet.

Nicht per se klima- und umweltfreundlich

Doch das ABER steht immer lautstarker im Raum. Auch wenn Biomasse natürlichen Ursprungs ist, ist ihre Nutzung nicht automatisch klimafreundlich. Zudem steht sie nur begrenzt zur Verfügung. Bei der Energieerzeugung kann die Biomasse in punkto Flächeneffizienz nicht mit Wind- und Photovoltaik mithalten. Doch noch viel mehr sind es die Nachhaltigkeitskriterien – insbesondere bei der Holznutzung, die die Gemüter erhitzen.

Da ist der gefährdete Wald, der als natürlicher Klimaschützer und Biodiversitätsraum immer bedeutender wird. Vor allem bei der Energiegewinnung aus Holz, das als Baustoff und Papierrohstoff unersetzlich ist, wird deshalb die Latte höher gelegt. Wieviel Holz wir zukünftig nutzen können, hängt aber vor allem vom Erfolg beim Schutz der Wälder ab. Was als nachhaltig gilt und wie die vorhandenen Wälder, Holzmengen und Einsatzarten monitort werden, ist detailreicher Wissenschaftsdisput und politische Schwerstarbeit zugleich.

Geltende Regeln lassen Fragen offen

Die Akteure und Unternehmen der Branche haben vielfältige Nachweispflichten zu erfüllen, denn schon heute ist die Energiegewinnung aus Biomasse strengen Regeln unterworfen. Sie sind in der Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung festgeschrieben, mit der Deutschland (ziemlich spät) die Vorgaben der europäischen Richtlinie für Erneuerbare Energien REDII umgesetzt hat.

Für Holzenergieanlagen mit einer Feuerungswärmeleistung von mehr als 20 Megawatt muss ab 2023 für den weiteren Erhalt der EEG-Vergütung nachgewiesen werden, dass forstliche Biomasse aus legaler Ernte stammt, Walderneuerung stattfindet und Schutzgebiete unangetastet bleiben. Bereits die Lieferanten und Verarbeiter der Biomasse müssen nachweisen, dass die von ihnen erfasste Biomasse die Kriterien erfüllt, sofern sie in nachweispflichtigen Holzenergieanlagen eingesetzt werden soll.

Das wirft in der Praxis viele Fragen auf, da Holz nicht gleich Holz ist. Es gibt Frisch- oder Altholz, Restholz und Sägespäne aus der Holzverarbeitung, Holz aus Land- oder Forstwirtschaft, Holzabfälle mit verschiedensten Eigenschaften. Als nachhaltig gilt vor allem der Einsatz von Abfall- und Restholz – wenn es ein entsprechendes Zertifikat gibt, was nicht immer der Fall ist. Ist die Zertifizierung für ein kleineres Unternehmen zu teuer, landen eigentlich nachhaltige Holzreste beispielsweise aus der Landschaftspflege als nicht-nachhaltige Brennstoffe im Kraftwerk.

Doch auch das Gegenteil ist möglich. Bestandsaufnahmen haben gezeigt, dass in der EU nennenswerte Holzmengen aus ungeklärten Quellen verarbeitet werden – und im günstigsten Fall erst nach anderweitigem Gebrauch als Abfall in der Verbrennung landen. Ist jedoch die Herkunft des für das Möbelstück verwendeten Holzes unklar, sollte es bei seiner energetischen Nutzung ebenfalls nicht als nachhaltig gelten. Wird womöglich sogar Primärholz aus Rodungen zu Pellets verarbeitet oder direkt verbrannt, tritt der worst case ein, wenn der Strom aus dieser Anlage Subventionen als Erneuerbare Energie erhält und das Land damit seine Erneuerbaren-Bilanz aufbessern kann. Transparenz herzustellen ist nicht leicht, aber notwendig.

Das Ringen um Regeln auf EU-Ebene

Noch sind längst nicht alle Praxisfragen beantwortet, da kündigen sich schon die nächsten Neuregelungen an. Im September diskutierte das Europäische Parlament die Erneuerbaren-Richtlinie REDIII. Sie wird die REDII ablösen und enthält explizit Vorgaben zur Nutzung von Biomasse aus Holz. Der Umweltausschuss hatte vorgeschlagen, Energie aus primärer holziger Biomasse nicht mehr auf die Ziele für Erneuerbare Energien anzurechnen.

Im Vorfeld hatten 500 Wissenschaftler in einem Brief Kommissionspräsidentin an Ursula von der Leyen gefordert, die Verbrennung von Holz nicht länger als klimaneutral und nachhaltig anzuerkennen. Der europäische Bioenergieverband und die Bioenergiesektion der Internationalen Energieagentur halten dagegen: Das für Bioenergie verwendete Holz sei kein hochwertiges Schnittholz, sondern bestehe in der Regel aus Durchforstungsholz, minderwertigem Holz, Alt- und Gebrauchtholz, Ernte- und Verarbeitungsresten oder Holzabfällen.

Die strengen Vorschläge des Umweltausschusses nahm das EU-Parlament nicht an. Das Nutzen von Primär-Biomasse soll weiter als Erneuerbare Energie anrechenbar sein, allerdings soll der Anteil schrittweise gesenkt werden.  Die erneuerbaren Richtlinie REDIII geht nun in den Trilog, der voraussichtlich erst Mitte 2023 abgeschlossen werden wird.

Eckpunkte für nationale Biomassestrategie Nabis

Ebenfalls im nächsten Jahr soll in Deutschland eine nationale Biomassestrategie die nachhaltige Nutzung von Biomasse sicherstellen. Anfang Oktober stellte die Bundesregierung Eckpunkte vor, die nun im Dialog mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft konkretisiert werden.  Der Rahmen ist definiert: Es können nur nachhaltig verfügbare Potenziale genutzt werden, natürliche Ökosysteme gilt es zu erhalten und die Ernährungssicherheit soll Vorrang haben. Wichtigstes Leitprinzip ist die konsequente Kaskaden- und Mehrfachnutzung von Biomasse – also immer der stofflichen Nutzung Vorrang zu geben, die eine möglichst langfristige Kohlenstoffbindung ermöglicht. Erst am Ende der Kaskade sollten andere Anwendungen, zum Beispiel im Energie- und Kraftstoffbereich, in den Blick genommen werden.

Mit der Strategie soll außerdem dem erhöhten Nutzungsdruck – etwa auf Naturschutzflächen- und der Konkurrenz um Flächen, etwa zur Lebensmittelerzeugung, begegnet werden. In diesem Sinne ist die Nationale Biomassestrategie auch Teil der notwendigen agrar-ökologischen Transformation. Auch die im novellierten Bundes-Klimaschutzgesetz verankerte Stärkung der Klimaschutzfunktion natürlicher Ökosysteme wie Wälder und Moore soll mit der Strategie erreicht werden.

Bei der Vorstellung des Eckpunktepapiers betonte Umweltministerin Steffi Lemke: „Es muss genau abgewogen werden, wofür die knapp bemessene Ressource Biomasse verwendet werden soll. Wir brauchen eine effiziente Kaskadennutzung: Hochwertige Stoffe müssen nachhaltig genutzt werden, im Fall von Holz zum Beispiel für die Herstellung von Baustoffen oder Möbeln. Gleichzeitig führt der Schutz von Ökosystemen, die natürlicherweise CO2 speichern, zu einem messbaren Beitrag für den Klimaschutz und zum Erhalt der Biodiversität, das heißt es kann unter Umständen sinnvoll sein, Holz im Wald zu belassen."

Es ist wahrscheinlich, dass – ähnlich wie bei der europäischen Waldstrategie 2050 – keiner der Akteure so recht zufrieden sein wird. Kompromisse und Einsicht auf allen Seiten sind gefragt. Für die europäische Waldstrategie hat ein Forscherteam die Konfliktlinien herausgearbeitet, sie widmeten diesem Thema eine eigene Publikation. Petra Franke


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