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BundesregierungEinheitliche Regeln für Windkraftausbau und Artenschutz

Kraniche fliegen in der Nähe eines Windrads
Der Bau von Windrädern soll künftig unter artenschutzrechtlichen Aspekten erleichtert werden. (Bild: Helmut Cremer, pixabay, Public Domain)

Lange gefordert, legen Umwelt- und Wirtschaftsministerium Eckpunkte für bundesweit einheitliche Regeln zum naturverträglichen Ausbau der Windenergie an Land vor. Für Energie- und Umweltverbände ein wichtiger Schritt, aber längst nicht ausreichend.

05.04.2022 – „In Deutschland gelten zukünftig klare und verbindliche Regeln für den Artenschutz beim Windausbau“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gestern bei der Vorstellung eines gemeinsamen Eckpunktepapiers mit Umweltministerin Steffi Lemke. „Mit unserer Vereinbarung wird der notwendige schnelle Ausbau von Windkraft bei höchsten ökologischen Schutzstandards ermöglicht“, so Lemke.

Rund 1.000 Megawatt an möglicher Windkraftleistung liegen aktuell aufgrund des Artenschutzes brach. Vermeintliche Gefährdungen des Rotmilans etwa werden als Klagegrund herangezogen, ohne die Population und andere Gefahren für den Greifvogel in Betracht zu ziehen.  Es fehlt bislang an bundesweit einheitlichen Regeln und Standards, nach denen der Bau von Windkraft hinsichtlich möglicher Gefährdungen von Arten beurteilt werden kann. Dem wollen Wirtschafts- und Umweltministerium mit dem gemeinsam erarbeiteten Eckpunktepapier entgegenwirken.

Den gesamten Bestand betrachten

Im Bundesnaturschutzgesetz sollen nun bundeseinheitliche gesetzliche Standards eingeführt werden, um zu prüfen, ob sich durch die Errichtung einer Windenergieanlage das Tötungs- und Verletzungsrisiko kollisionsgefährdeter Vögel signifikant erhöht. Neben eines artspezifischen Tabubereichs für Windkraftanlagen in unmittelbarer Nähe zum Brutplatz, soll in weiteren Prüfbereichen die gesamte Population einer Art ins Blickfeld genommen werden. Wenn durch die geplanten Windräder nicht zu erwarten ist, dass sich der Bestand bundesweit verschlechtert, soll deren Bau per Ausnahmegenehmigung Vorrang erhalten.

Für viele potenziell kollisionsgefährdete Vögel steht eine detaillierte Bestandsentwicklung aber noch aus. Hermann Albers, Präsident Bundesverband WindEnergie, sagte nach Bekanntwerden des Eckpunktepapiers: „Die hier vorgesehene Einführung einer abschließenden Liste kollisionsgefährdeter Arten fordern wir seit Jahren. Ob die Auswahl der hier künftig erfassten 16 Vogelarten wissenschaftlich basiert erfolgte, ist noch nicht nachvollziehbar. Die Bestandsentwicklung zahlreicher dieser Arten ist seit Jahren deutlich positiv, Kollisionen an Windenergieanlagen sind nachweislich seltene Ereignisse.“   

Außerhalb bestimmter Prüfbereiche soll derweil keine weitere Prüfung mehr erforderlich sein, da das Tötungsrisiko dort nicht signifikant erhöht ist. In diesem Bereich seien auch keine Vermeidungsmaßnahmen mehr zu ergreifen. Vermeidungsmaßnahmen selbst soll es nur noch in einem eng definierten Rahmen geben. Sogenannte Fledermausabschaltungen etwa, die mittels Software Fledermäuse erkennen und Windräder automatisch abschalten, sollen für Windkraftbetreiber nur noch für sechs bis acht Prozent der jährlichen Erzeugung zumutbar sein. Saisonale oder brutzeitbezogene Abschaltungen soll es nicht mehr geben. Weitere Details zu zumutbaren Abschaltungen werden noch genauer definiert. „Kapazitäten, die zwar gebaut, dann aber abgeschaltet sind, leisten keinen Beitrag für die Energiewende und tragen nicht zur Akzeptanz der Anlagen vor Ort bei“, ordnet Hermann Albers ein.

Repowering erleichtern

Das Eckpunktepapier greift auch das Thema Repowering auf. Der Ersatz alter durch neue, leistungsstärkere Anlagen soll erleichtert werden, indem für viele Projekte die zeitaufwendige Alternativenprüfung entfallen wird. Standortalternativen sollen nur noch in artenschutzrechtlich hoch sensiblen Gebieten in Erwägung gezogen werden. Landschaftsschutzgebiete sollen zudem stärker für die Planungen neuer Windenergieprojekte in Betracht gezogen werden, soweit diese nicht zugleich Natura-2000-Gebiete oder Weltkultur- und Weltnaturerbeflächen sind.

Wirtschafts- und Umweltministerium kündigen zudem an, Artenhilfsprogramme zu stärken, in die unter anderem Anlagenbetreiber einzahlen sollen, wenn sie Ausnahmegenehmigungen nutzen. Auf den Schutz der Arten weist auch Kai Niebert, Präsident des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring, hin: „Wir brauchen einen gewaltigen Kraftakt, um uns im Rekordtempo aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu befreien. Daher begrüßen wir die Vorschläge für eine Vereinheitlichung des Artenschutzrechts, die gleichzeitig mit einer deutlichen Stärkung der biologischen Vielfalt in unseren Kulturlandschaften einhergehen müssen. Mit einem attraktiven Artenhilfsprogramm muss die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass sich der Erhaltungszustand der betroffenen Arten nicht verschlechtert.“

Weitere relevante Ausbaufaktoren

Niebert und andere Energie- und Umweltverbände fordern nun weitere relevante Ausbaufaktoren anzupacken. „Dies betrifft insbesondere die Abstandsauflagen zur Wohnbebauung, die Definition von Flächenkulissen für die Windenergienutzung, die Restriktionen zur Flugsicherung oder die Stärkung von qualifiziertem Personal in den Zulassungsbehörden“, so Niebert. In Bayern etwa hat die sogenannte 10H-Regel – also der verordnete zehnfache Abstand der Höhe eines Windrades zum nächsten Wohngebiet – dafür gesorgt, dass der Windkraftausbau in dem Bundesland fast zum Erliegen gekommen ist.

Und während wegen dem Artenschutz rund 1.000 Megawatt möglicher Windkraftleistung aktuell brach liegen, sind es wegen Restriktionen zur Flugsicherung fast 5.000 Megawatt. Diese Leistung an windreichen Standorten wird nur deshalb nicht gebaut, weil die Luftraumüberwachung Bedenken hat, die Windkraftanlagen könnten die Radarsignale stören. In Deutschland darf derzeit in einem Radius von 15 Kilometern um Drehfunkfeuer – Radaranlagen der Flugsicherung – kein Windrad gebaut werden. Der internationale Standard liegt bei 10 km. Spanien erlaubt sogar Windräder in 3 km Entfernung, ohne dass der Luftverkehr gefährdet ist. mf


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