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ElektromobilitätAus alt mach sauber

Auto in Frontansicht auf einer Brücke
Der straßentaugliche N1 des Start-ups. (Bild: NAEXT)

Warum nicht einen Verbrenner zum E-Auto umrüsten, statt viele Ressourcen in einen elektrischen Neuwagen zu stecken? Mit diesem Konzept will das Start-up NAEXT den Markt umkrempeln. Dafür hoffen sie auch auf Unterstützung des Staates.

25.07.2022 – Ein E-Auto mit Getriebe – ein ungewohntes Fahrgefühl. Auf leisen Sohlen schaltet man die Gänge hoch. Trotzdem ist es spürbar, wie die Gänge je nach Geschwindigkeit den richtigen Vorwärtstrieb geben. Ein Neuwagen mit Elektroantrieb kommt heute üblicherweise nicht mit einem mehrstufigen Getriebe vom Band. Der N1 von NAEXT hingegen ist mit dem Getriebe eines Verbrennermotors ausgestattet. Das liegt daran, dass der elektrisch betriebene T5 einst einen Dieselmotor hatte. Der Motor wurde ausgetauscht und mit Anschluss an mehrere Batterien versehen, das Getriebe blieb drin. Der N1 war der erste vom TÜV zugelassene Straßentaugliche Wagen des Start-Up NEAXT, das von der Gemeinde Seevetal südlich von Hamburg aus, die Elektromobilität umkrempeln will.

Statt Neuwagen sollen immer mehr Baureihen mit Verbrennerantrieb umgerüstet werden für die elektromobile Zukunft. Dafür konzipiert NAEXT modulare Umbausätze für Autos wie den T5, T6 und neuerdings auch Autos des Herstellers Ford. Der Umbau kann dann in Werkstätten überall auf der Welt erfolgen. Umbausätze für möglichst viele Werkstätten und immer mehr Baureihen verschiedener Hersteller bereitzustellen, ist das Ziel des Unternehmens, das unter anderem von Nick Zippel und Christoph Bückle geleitet wird. „Wir bieten hier Lösungen an, bei denen man drastisch Ressourcen einsparen kann“, sagt Bückle bei einem Treffen in einer Halle im Industriegebiet von Seevetal, wo die ersten Bühnen für einen Serienumbau alter Verbrenner auf E-Antrieb entstehen.

Batterien wiederverwerten

Die Batterien, die bereits die Regale der Halle bis zur Decke füllen, kommen aus Überproduktionen oder werden aus anderen Gründen am Markt nicht mehr gebraucht und würden im Recycling landen, wenn das Start-Up sie nicht aufkauft. Batterien, die voll einsatzfähig sind, wie Bückle und Zippel betonen. Und damit die Batterien möglichst lange im Einsatz sind, haben die Macher von NAEXT schon eine Weiterverwendung im Blick. „Zu 80 oder 90 Prozent degradierte Batterien, mit denen man mit dem Auto nicht mehr weit kommt, lassen sich problemlos noch für einige Jahre als Gewerbespeicher nutzen“, so Zippel. Dafür haben die Entwickler:innen von NAEXT einen sogenannten modularen Hexagon entwickelt, in den sich mehrere der alten Autobatterien reinschieben und beliebig austauschen lassen. Einer oder mehrere Hexagone zusammengeschlossen können so Speicherkapazität für größere Gewerbeflächen bieten.

Zurück zum Auto: Neben dem Originalchassis des Autos wird auch das Getriebe überholt und nicht neu gebaut. Das Refurbishment, das Sanieren und Auffrischen alter Teile, zieht sich durch den gesamten Produktionsprozess eines NAEXT-Wagens. „Wir wollen alten Dingen neues Leben einhauchen und nicht unnötig Ressourcen verschwenden für ein neues Auto“, sagt Bückle. Mindestens 60 Tonnen und damit 80 Prozent an Ressourcen spare ein NAEXT-Wagen im Vergleich zu einem Neuwagen ein. Die Kosten für die Elektrifizierung eines Verbrenners beziffern Zippel und Bückle aktuell auf 35.000 bis 40.000 Euro, wenn der Verbrennermotor und seine Komponenten bereits ausgebaut sind. Die beiden sind sich sicher, dass der Preis deutlich sinken wird, wenn die Massenfertigung startet.

Eine Kooperation besteht bereits mit dem Unternehmen Vanufaktur, die gebrauchte Sprinter und Kastenwägen von VW und Mercedes Benz zu Campervans – den sogenannten Flowcampern – umrüsten. Die Baureihe Frieda Volt kommt dabei elektrisch, mit einem modularen Umbausatz von NAEXT daher. 30 bis 40 Frieda Volts sollen im nächsten Jahr auf die Straße rollen. Zudem laufen Gespräche mit vielen Unternehmen und Kommunen in Deutschland und international, die aufgrund strengerer Umwelt- und Klimaschutzvorschriften ihren Fuhrpark umstellen müssen. Spruchreif sei inzwischen eine Kooperation mit der Stadt Köln, wie Bückle im Nachgang mitteilt.

Das Amt für Landschaftspflege und Grünflächen der Stadt hat über 400 Fahrzeuge im Betrieb und will einen erheblichen Teil elektrifizieren. Im Bereich der Fahrzeuge biete der Markt aktuell keine elektrisch betriebenen Doppelkabinen-Fahrzeuge an, wie sie vom Amt benötigt werden. Somit liege es nahe, vorhandene Fahrzeuge umrüsten zu lassen. Zudem koste die Umrüstung weniger als die Hälfte dessen, was die Neubeschaffung eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs kosten würde, teilt das Amt der Stadt mit. Auch die Einsparung von rund 75 Prozent an CO2-Emissionen gegenüber einem elektrischen Neuwagen führt das Amt als Grund für die Kooperation mit NAEXT an. Für das Projekt kann die Stadt Köln mit Förderungen durch den Bund rechnen.

Direkte staatliche Förderung, Fehlanzeige

Worauf Bückle und Zippel hoffen, ist auch eine direkte staatliche Förderung für jeden einzelnen Umbau, ähnlich der für E-Mobile Neuwagen. „Wir schreiben E-Mails an Politiker ohne Ende“, so Zippel. Bislang ohne Erfolg. Entsprechende Überlegungen auf politischer Ebene sind bislang noch nicht in die Öffentlichkeit gedrungen. Auf Anfrage der energiezukunft wollte sich das Bundesverkehrsministerium nicht äußern, ob eine entsprechende Förderung in Planung ist oder warum solche Überlegungen nicht näher beleuchtet werden.

In Frankreich gibt es die sogenannte „prime à la conversion des  véhicules“ – die Umtauschprämie, die neben dem Tausch eines Verbrenners zu einem Elektro-Auto auch für die Umrüstung eines Verbrennermotors zu einem E-Motor – „rétrofit électrique“ – gilt. Bis zu 5.000 Euro Prämie sind dabei möglich. In diesem Segment in Frankreich aktiv ist unter anderem das Start-Up Phoenix Mobility. Auch der große Automobilkonzern Renault hat inzwischen eine eigene „Re-Factory“. In Deutschland ist neben NAEXT vor allem die Firma Pepper Motion ein Begriff in der Szene. Das Start-Up hat sich auf die Umrüstung von Diesel-LKWs und Bussen spezialisiert. Das Unternehmen verspricht nach der Umrüstung eine Reichweite von 200 bis 250 Kilometer, was für Stadtbusse im öffentlichen Nahverkehr und regional verkehrende LKWs ausreichend erscheint.

Bei sommerlichen Wetterbedingungen versprechen Bückle und Zippel für ihre NAEXT-Modelle sogar eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern. Platz für mehr Batterien und damit größere Reichweiten sind in Planung. Ziel sei es, Umbausätze für möglichst viele Fahrzeugmodelle zu entwickeln, damit das Geschäftsmodell für möglichst viele Firmen, Kommunen und Privatleute attraktiv wird und auch der deutsche Staat nicht mehr an einem direkten Fördermodell für rétrofit électrique vorbeikommt. Manuel Först


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Kommentare

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Marco Ulbricht 30.07.2022, 18:53:49

Vor wenigen Tagen haben Spitzenpolitiker bekräftigt dass bei Häusern künftig Sanierungen stärker gefördert werden sollen als Neubauten. Vielleicht ist das ein möglicher neuer Hebel… :-)


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