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Nachhaltig reisenIm Nachtzug durch Europa

Bahnhof St. Pancras, London
In Europa sind Nachtzüge wieder im Kommen. (Bild: TheOtherKev / pixabay)

Es rollen wieder mehr Nachtzüge durch Europa. Viele Kurzstreckenflüge könnten so nachhaltig ersetzt werden. Für eine echte Renaissance braucht es jedoch einen neuen wirtschaftlichen Rahmen, mehr Geld für die Schiene und weniger für den Flugverkehr.

26.01.2022 – Nachtzüge könnten einen bedeutsamen Beitrag zur Verkehrswende leisten. Denn das europäische Schienennetz ist gut ausgebaut, moderne Züge sind schnell, komfortabel und klimaschonend. In der Europäischen Union mangelt es nicht an Stimmen für die Schiene und auch die Ampel-Regierung will laut Koalitionsvertrag den grenzüberscheitenden Verkehr stärken. Mit der EU sowie ihren Mitgliedstaaten sollen demnach Nachtzugangebote aufgebaut werden. Doch dafür muss sich einiges ändern.

Europa reist auf der Schiene zurück in die Zukunft

Für eine echte Renaissance der Nachtzüge müsste die Politik deutlich umlenken. Denn bisher verläuft die europäische Bahnpolitik oft chaotisch, und Nachtzüge sind hier keine Ausnahmen. Dabei könnte ein gut ausgebautes, europaweites Nachtzugnetz Passagiere animieren, von Flugzeug oder Auto auf Nachtzüge umzusteigen. Eine repräsentative Umfrage von Transport&Enviroment und Germanwatch ergab 2021, dass 69 Prozent der Passagiere bereit wären, Nachtzüge zu nutzen. Auch der Bahntest des Verkehrsclub Deutschland zeigt, dass der Bedarf da ist: Viele Nachtzüge seien weit im Voraus ausgebucht. Zurzeit ist das Angebot einfach zu gering, doch das war nicht immer so.

Das Nachtzugnetz in Europa war in den 1970er, 80er und 90er Jahren noch deutlich besser ausgebaut als heute. Die Nachtzüge verschwanden mit dem Auftauchen der Billigfluglinien, so Investigate Europe. Eine Kombination aus Subventionen für den Flugverkehr und höheren Abgaben für Betreiber von Nachtzügen führte dazu, dass mehr und mehr Nachtzuglinien eingestellt wurden. Auch heute wird der Flugverkehr laut einer EU-Studie noch immer mit über 27 Milliarden Euro subventioniert, während der Bahnbetrieb mit Gebühren für Trassen und Schienennutzung belegt wird. Neben den wirtschaftlich schwierigen Voraussetzungen kommen auch Materialprobleme hinzu. So gibt es auf dem Markt zu wenig Schlafwagen, doch gerade kleinen Bahnbetreibern fehlten oft die finanziellen Mittel, um neue Waggons bauen zu lassen, berichtet Investigate Europe. Auch fehlte ein europäisches Zulassungsmodell, mit dem Wagen grenzüberschreitend zugelassen und eingesetzt werden könnten.

Die meisten großen Bahnbetreiber seien hingegen noch immer nicht daran interessiert, großflächige und grenzüberschreitende Nachtzuglinien zurückzubringen, meint Jon Worth, Politikberater und Initiator der Kampagne „Trains for Europe“ im Interview mit Investigate Europe. Die nationalen Linien seien für Unternehmen wie die Deutsche Bahn, die französische SNCF, die italienische Trenitalia oder die spanische Renfe unter den derzeitigen Bedingungen profitabler. Nachtzüge einzusetzen, könne zwar den Marktanteil der Schiene erhöhen. Doch weil die Kosten für den Nachtzugbetrieb höher seien, verdienten die Unternehmen mit ihnen auch weniger Geld. Obwohl der Bedarf für Nachtzüge gegeben sei, würden sie aus wirtschaftlichen Gründen so viel zu wenig eingesetzt. Mit derselben Begründung hat die Deutsche Bahn ihre Nachtzuglinien 2016 eingestellt.

Nachtzugnetze in ganz Europa werden wieder ausgebaut

Es gibt jedoch Ausnahmen. Die österreichische ÖBB fährt gegen den europäischen Trend und setzt bereits seit einigen Jahren auf Nachtzüge. Der Nightjet verbindet immer mehr Großstädte Europas und auch eine Auswahl der deutschen Nachtlinien. Auch kleinere Bahnunternehmen springen inzwischen auf den Nachtzugtrend auf. Zu ihnen gehört zum Beispiel das französische Start-Up Midnight Trains, das ab 2024 zehn Städte im 1500 Kilometer-Radius um Paris anfahren will.

In Frankreich, Deutschland und der EU ist die Bahnpolitik besonders seit dem Green Deal wieder in aller Munde. Belgien habe Millioneninvestitionen angekündigt und wolle, so Investigate Europe, zur Drehscheibe für Nachtzüge werden. Die Schweizer Staatsbahn baue ihr Nachtzugnetz wieder aus und wolle zehn neue Routen befahren, in Schweden rollen Schlafwagen bereits seit Mitte letzten Jahres wieder durch die Nacht. Der TransEuropeExpress 2.0, eine Bahnkooperation zwischen Deutschland, Frankreich, Österreich und Schweiz soll in den kommenden Jahren 13 europäische Millionenmetropolen über Nacht miteinander verbinden. Ein starkes Nachtzugnetz, so heißt es auf der Webseite, sei der Schlüssel zu einer nachhaltigen und umweltfreundlichen Mobilität. jb


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