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VerkehrswendeEuropas Bahnpolitik ist entgleist

Zug in Schottland
Die europäische Bahnpolitik ist alles andere als idyllisch. Dabei braucht die Verkehrswende den Schienenverkehr. (Bild: javipolinario / pixabay)

Die europäische Bahnpolitik ist chaotisch. Laut Recherchen von Investigate Europe fehlt es an Investitionen, Kooperation und geeigneten politischen Maßnahmen. Statt auszubauen, wird stillgelegt. Dabei braucht die Verkehrswende die Schiene.

29.11.2021 – Das länderübergreifende Journalisten-Team Investigate Europe recherchierte in den vergangenen Monaten im Projekt „Entgleist“, wie es um die Bahn in Europa bestellt ist. Denn Züge sind im Vergleich mit Fliegen und Autofahren der CO2-ärmste Weg zu reisen. Auch deshalb rückte die Bahn in den vergangenen Jahren und spätestens mit dem europäischen Green Deal wieder in den Fokus.

Die Möglichkeiten des Zugverkehrs sind groß. Dies hatte eigentlich auch die Europäische Kommission bereits erkannt, die 2021 zum Jahr der Schiene ausrief. Auch der europäische Green Deal betont den Zugverkehr als notwendige Alternative in der Verkehrswende. Obwohl EU-Politiker sich öffentlich hinter den Schienenausbau stellen, ist die Bahnpolitik weiter unkoordiniert. Ein besseres Zusammenwachsen des Schienennetzes wurde jahrzehntelang verpasst. Konkrete Programme gibt es kaum, stattdessen fließen weiter massive Subventionen in den Auto- und Flugverkehr, so Investigate Europe.

Entgleiste Bahnpolitik

Die positiven Verlautbarungen der Politik spiegeln sich laut den Recherchen von Investigate Europe nicht in Taten wider. Stattdessen kommen sie zu dem Schluss, dass die europäische Bahnpolitik der letzten Jahrzehnte katastrophal gescheitert sei. Sie bemängeln unkoordinierte Investitionen in den Ausbau von Schienennetzen, schlechte Zusammenarbeit zwischen den nationalen Bahnbetreibern, den Flickenteppich von Schienen und Zügen, die schon rein technisch nicht zusammenpassen sowie Blockaden und Fehlentscheidungen aller Beteiligten.

Versuche, ein gemeinsames Bahnnetz zu schaffen, scheiterten mal auf EU-Ebene, mal an der nationalen Politik, mal an Bahnbetreibern. Letztere wollen keine Konkurrenz auf ihren Schienen und verhinderten deshalb jahrelang einen gemeinsamen Eisenbahnmarkt. Nicht besser verhalten sich EU-Länder, die mit Zugangsregeln versuchen, ihr Schienennetz abzuschotten. Dazu gehört, dass in einigen Ländern Lokführer die Landessprache auf fortgeschrittenem Niveau sprechen müssen, um internationale Züge zu fahren. Bahnreisen durch Europa werden zudem dadurch erschwert, dass sie nicht auf einer Plattform verglichen und gebucht werden können. Eine Gesetzesinitiative, die unter anderem auch dies ermöglichen sollte, wurde nach den Recherchen von Investigate Europe im Europäischen Rat von Frankreich und Deutschland blockiert.

Züge stehen still

Dabei bietet die Bahn schon heute eine bequeme und ressourcenschonende Alternative zu vielen Kurzstreckenflügen. Viele weitere Strecken könnten problemlos und ohne zeitlichen Mehraufwand für die Reisenden mit der Bahn überbrückt werden, wenn entsprechende Strecken nur ausgebaut würden. Zu diesem Ergebnis kam eine umfassende Studie von Greenpeace, die das europäische Schienennetz und dessen Potenzial, Kurzstreckenflüge zu ersetzen, analysierte.

Statt Auszubauen, wurden bestehende Schienennetze vielerorts jedoch stillgelegt. Besonders sinnlos erscheint der schleichende Rückbau des europäischen Nachtzugnetzes. Existierten in den 90er Jahren noch Nachtzugnetze, die Europas Metropolen verbanden, so wurden sie in den darauffolgenden Jahrzehnten nach und nach abgeschafft. Insgesamt wurden in den letzten 20 Jahren laut Investigate Europe 6.000 Kilometer an Gleisen stillgelegt.

Die Strecken rechneten sich nicht mehr. Mit Billigfliegern, die mit steuerfreiem Kerosin subventioniert wurden, konnten die Nachtzüge nicht mithalten. Denn für die Nutzung der Schienen fallen Trassengebühren an. Laut Investigate Europe machen diese Gebühren ein Viertel der Kosten für Fernzugfahrten aus. Ein weiterer Konkurrent ist der Autoverkehr, für den überall noch immer deutlich größere Investitionen bereitgestellt werden. Seit der (Teil-)Privatisierung der Bahn in ganz Europa in den 90er Jahren ist der Betrieb zudem auf Profit ausgerichtet, was den wirtschaftlichen Druck noch einmal deutlich erhöhte. jb


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