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KonjunkturpaketMit „Wumms“ auch aus der Klimakrise?

Sichtlich erschöpft haben Kanzlerin Merkel und Vizekanzler Scholz am späten Mittwochabend das 130 Milliarden Euro schwere Konjunkturpaket vorgestellt. (Foto: Sandro Halank / Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)

Das Konjunkturpaket der Bundesregierung sorgt für Überraschungen: Die Abwrackprämie ist vom Tisch, Zuschüsse für E-Autos verdoppelt, die EEG-Umlage gedeckelt und Zukunftsinvestitionen von 50 Mrd. Euro geplant. Trotzdem kommt der Klimaschutz zu kurz.

04.06.2020 – Mit großer Spannung wurde das Konjunkturpaket der Bundesregierung erwartet. Vollkommen zurecht, schließlich soll es die immensen wirtschaftliche Auswirkungen der Corona-Krise abfedern und eine große Rezession verhindern. Wenn Deutschland schon viel Geld in die Hand nimmt, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, dann doch bitte zukunftsgerichtet und nachhaltig, forderten Verbände, Wissenschaftler und zuletzt auch die Wirtschaftsweisen. Ihre Idee: Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und Corona- und Klimakrise gleichzeitig angehen.

Trotzdem brachten die autoproduzierenden Bundesländer im Vorfeld eine Abwrackprämie zum Schutz der angeschlagenen Automobilindustrie ins Gespräch – die Empörung war entsprechend groß. Wochenlang gab es Proteste gegen diese rückwärtsgewandte und klimaschädliche Idee. Überraschenderweise taucht die so viel diskutierte Abwrackprämie im Konjunkturpaket der Bundesregierung nun überhaupt nicht auf. Der Einfluss der allmächtig erscheinenden Autolobby hat offensichtlich doch noch Grenzen. Das ist die erste von vielen positiven Nachrichten.

Senkung von Mehrwertsteuer soll Konjunktur stärken

Als die sichtlich erschöpfte Kanzlerin Angela Merkel am Mittwochabend die wichtigsten Eckpunkt des 130 Milliarden Euro schweren Konjunkturprogramms vorstellte, gab es zunächst eine Überraschung: Die Bundesregierung hat eine Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent bzw. von 7 auf 5 Prozent beschlossen. Diese Maßnahme war im Vorfeld praktisch gar nicht diskutiert worden, der Finanzbedarf beläuft sich auf 20 Milliarden Euro. Mehrmals betonte Vizekanzler Olaf Scholz, dass die Regierung mit „Wumms“ aus der Krise kommen wolle. Will sie auch mit „Wumms“ aus der Klimakrise heraus?

Was bringt das Konjunkturpaket für Umwelt- und Klimaschutz?

1. Die Förderung einer Mobilitätswende

Für den Mobilitätssektor ist die Meldung, dass die Abwrackprämie im Konjunkturpaket gar nicht erst auftaucht, wohl am wichtigsten. Der Wunsch der Gesellschaft wurde erhört, die Autolobby hat das Nachsehen. Stattdessen soll im Rahmen des 50 Milliarden Euro schweren „Zukunftspakets“ die Mobilität gestärkt sowie die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz gefördert werden.

In dem Paket enthalten ist zum Beispiel die Verdopplung der Umweltprämie für die Anschaffung neuer E-Autos bis zu einem Kaufpreis von 40.000 Euro von bisher 3.000 auf 6.000 Euro. Diese sogenannte „Innovationsprämie“ ist vorerst bis Ende 2021 befristet. Zusätzlich soll das Ladenetz deutlich ausgebaut werden, sodass an allen deutschen Tankstellen ein Ladepunkt für E-Autos vorhanden ist. Dafür fließen 2,5 Milliarden Euro in den Ausbau neuer Ladesäulen, die Forschung und Entwicklung im Bereich der Elektromobilität und die Batteriezellfertigung.

Generell wird die Kfz-Steuer stärker an CO2-Emissionen ausgerichtet. Dadurch erhofft sich die Bundesregierung Lenkungswirkungen hin zu emissionsfreien Fahrzeugen. Mithilfe des „Bus- und LKW-Flotten-Modernisierungs-Programms“ sollen alternative Antriebe gefördert und die Nachfrage nach Elektrobussen erhöht werden. Die Bundesregierung will dadurch den Stadtverkehr umweltfreundlicher machen. Jeweils eine Milliarde Euro fließen in die Stärkung klimafreundlicher Schifffahrt und Anschaffung moderner Flugzeuge, die einen geringeren CO2-Ausstoß besitzen.

2. Die EEG-Umlage wird gedeckelt

Zur weiteren Stärkung der Konjunktur und Wirtschaftskraft wird die EEG-Umlage auf 6,5 ct/kWh im Jahr 2021 und 6,0 ct/kWh im Jahr 2022 gedeckelt. Damit erreicht die Regierung zwar nicht die von Agora Energiewende geforderte Senkung der Ökostromumlage um 5 ct/kWh, verhindert aber immerhin ein unverhältnismäßig hohen Anstieg bei den Stromkosten. Zuletzt wurde bekannt, dass die EEG-Umlage im nächsten Jahr auf den Rekordwert von 8,6 ct/kWh klettern könnte.

3. Deutschland soll Wasserstoff-Experte werden

Die Bundesrepublik soll zum „Ausrüster der Welt“ aufsteigen, wenn es um modernste Wasserstofftechnik geht. Im Rahmen der „Nationalen Wasserstoffstrategie“ werde schon bald ein Programm zur Entwicklung von Wasserstoffproduktionsanlagen vorgelegt. Bis 2030 sollen dadurch Anlagen mit einer Gesamtleistung von bis zu fünf Gigawatt entstehen – einschließlich klimafreundlicher Onshore- und Offshore-Stromerzeugung. Im kommenden Jahrzehnt müsse die Kapazität dann um weitere fünf Gigawatt erweitert werden.

Der Finanzbedarf wird hierbei auf insgesamt sieben Milliarden Euro geschätzt und ebenfalls dem „Zukunftspaket“ zugerechnet.

4. Programm zur Gebäudesanierung

Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm wird noch in diesem Jahr um eine weitere Milliarde Euro aufgestockt. Damit stehen nun bis 2021 insgesamt 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Förderprogramme des Bundes zur energetischen Sanierung kommunaler Gebäude sollen aufgestockt werden.

5. Nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder

Immerhin 700 Millionen Euro fließen in den Erhalt und die nachhaltige Bewirtschaftung von Deutschlands Wälder. Dabei soll auch in der Forstwirtschaft die Digitalisierung und Anschaffung moderner Betriebsmaschinen und -geräte gefördert werden. Außerdem plant die Bundesregierung die Stärkung einer modernen Holzwirtschaft einschließlich der stärkeren Nutzung von Holz als Baustoff.

Bei der Energiewende nichts Neues

Etwas unambitioniert wirkt dagegen der Wunsch der Bundesregierung, den Erneuerbare-Energien-Ausbau weiter zu forcieren. Der Solardeckel soll unmittelbar abgeschafft werden. Soweit nichts Neues. Länder sollen Mindestabstände von 1.000 Metern für Windkraftanlagen gesetzlich festlegen dürfen. Will man die Energiewende dadurch ankurbeln oder bremsen? Immerhin wird das Ausbau-Ziel für die Offshore-Windkraft von 15 auf 20 Gigawatt im Jahr 2030 angehoben.

Mit nur sechs Zeilen ist der Punkt 38 „Ausbau der Erneuerbaren Energien“ im Konjunkturpaket nicht nur von der Textlänge sehr dünn, sondern vor allem inhaltlich. Hier hätte man mehr erwarten können. Schließlich gilt die Erneuerbare-Energien-Branche nicht ohne Grund als Job- und Wirtschaftsmotor, der einem Konjunkturaufschwung in den nächsten Jahren zusätzlich Aufwind verschaffen könnte.

„Kein Aufbruch in eine zukunftsfähige Wirtschaft“

„Statt in der Krise das Konjunktur- und Zukunftspaket dafür zu nutzen, das Fundament für eine sozial gerechte und klimafreundliche Wirtschaft zu legen, werden nur schwache grüne Impulse gesetzt“, bemängelt Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND, das Konjunkturprogramm der Bundesregierung. In klimaschutzrelevante Bereiche würden nur rund 30 Milliarden Euro fließen.

So hätten mehr Gelder in die für das Klima so wichtige Gebäudesanierung investiert werden müssen. Eine zukunftsfähige Landwirtschaft wurde ebenfalls mit viel zu wenig Mitteln abgespeist. „Auch Maßnahmen zum Ressourcenschutz, der Kreislaufwirtschaft, Reparatur und Recycling sind nicht enthalten, obwohl sich hier viele zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen ließen“, so Bandt weiter.

Auch sei die Senkung der Mehrwertsteuer nur ein Konsumanreiz nach dem „Gießkannenprinzip“, wo es als unsicher gilt, wie viel überhaupt bei den Konsumenten ankommt. Soziale oder ökologische Lenkungswirkungen seien überhaupt nicht vorhanden.

Greenpeace bemängelt am Konjunkturprogramm der Regierung ebenfalls, dass „kein Fokus auf Klimaschutz“ gesetzt wurde. Nur etwa ein Sechstel der gesamten Finanzmittel würden demnach in Investitionen mit erkennbarer Klimaschutzwirkung fließen. jk


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Kommentare

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Denkender Bürger 04.06.2020, 20:21:05

Na warten wir erst mal ab, was am Ende dabei rauskommt.

Nicht daß das Ganze, wenn es um die Refinanzierung der jetzt großzügig ausgeschütteten Fördermittel geht zum Bumerang wird ...


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