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KohleausstiegNicht auf die lange Bank schieben

Dampfende Türme eines Kraftwerks
Bislang sieht die Planung für zwei Blöcke des Braunkohlekraftwerks Schwarze Pumpe in der Lausitz eine endgültige Abschaltung im Jahr 2038 vor. (Bild: SeptemberWoman, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)

Das Ziel ist der Kohleausstieg 2030. Doch eine gesetzlich festgelegte Überprüfung lässt die Bundesregierung verstreichen. Jurist:innen mahnen zur Eile für einen rechtssicheren Ausstieg. Zusätzliche Entschädigungsansprüche der Kohleindustrie drohen.

16.08.2022 – Bis zum 15. August habe die Bundesregierung erstmals „die Auswirkungen der Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung auf die Versorgungssicherheit“ zu überprüfen. So steht es im Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes – auch Kohleausstiegsgesetz genannt – dass die alte Bundesregierung aus Union und SPD 2019 vorlegte. Diesen Zeitpunkt ließ die neue Ampel-Regierung nun verstreichen. Tagesspiegel Background zitierte dazu gestern aus dem Umfeld des zuständigen Bundeswirtschaftsministeriums „Ich glaube, dass es den Prüfbericht in der ursprünglich geplanten Form nicht geben wird.“ Von dort wurde auf eine mögliche ausführlichere Prüfung zum Ende des Jahres verwiesen.

Laut Kohleausstiegsgesetz ist für 2026 ein Überprüfungsschritt zu einer möglichen früheren Beendigung der Kohleverstromung bis 2035 vorgesehen. Diesen Überprüfungsschritt will die Ampel-Koalition nun bis Ende 2022 vornehmen und dabei einen Kohleausstieg bis 2030 prüfen. Laut Koalitionsvertrag hat man sich dabei zum Ziel gesetzt „keine zusätzlichen Entschädigungen an Unternehmen zu zahlen.“

Bislang werden für Steinkohlekraftwerke Auktionen durchgeführt, bei denen Betreiber für deren Schließung um Entschädigungen bieten können. In der Vergangenheit waren diese Auktionen regelmäßig überzeichnet. Das heißt besonders viele Betreiber boten um einen Ausstieg, von denen die günstigsten Gebote den Zuschlag erhielten. Damit war der Ausstieg aus der Steinkohle bislang billiger als befürchtet. Noch bis 2026 soll es Auktionen geben, danach erfolgt der Ausstieg nach ordnungsrechtlichen Anordnungen und ohne weitere Entschädigungen bis spätestens 2038.

Doch im Zuge des Krieges in der Ukraine und der Gaskrise, erlebt die Steinkohle in Deutschland womöglich eine – wenn auch nur kurze – Renaissance. Letzte Woche wurde das Steinkohlekraftwerk Mehrum in Niedersachsen aus der Netzreserve geholt und der Betrieb wieder aufgenommen. Schon im letzten Jahr machten hohe Gaspreise und schlechte Ausbeute Erneuerbarer Energien Kohlekraftwerke wieder etwas rentabler. Im Kohleausstiegsgesetz der alten Bundesregierung ist derweil geregelt, dass der Ausstieg aus der Steinkohle bis 2030 vorgezogen werden kann.

Unterschiedliche Ausgangslagen

Die Umweltrechtsorganisation ClientEarth verweist in einer Kurzstudie darauf, dass ein solches „Vorziehen der Stilllegungen ohne die Begründung von Ansprüchen beispielsweise auf Entschädigungen möglich erscheint.“ Denn hierzu wurde kein Vertrag mit den Betreibern geschlossen, die damit keine Rechtsposition innehaben.

Ganz anders sieht es beim Ausstieg aus der Braunkohleverstromung aus. 4,35 Milliarden Euro sicherte die alte Bundesregierung den Braunkohlekraftwerksbetreibern RWE und LEAG vertraglich zu, für den Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038. Von Anfang an waren diese Entschädigungszahlungen in der Kritik, angesichts unsicherer Prognosen über die künftigen Gewinne der Kohlekonzerne. Ende 2020 kündigte die EU-Kommission zudem an, die Entschädigungszahlungen nach dem EU-Beihilferecht auf den Prüfstand zu stellen. Es stehe eine mögliche Wettbewerbsverzerrung im Raum. Die Prüfung läuft und ist auch für das weitere Vorgehen bezüglich eines möglichen Kohleausstiegs bis 2030 entscheidend.

Geregelt im Kohleausstiegsgesetz ist lediglich ein mögliches Vorziehen des Braunkohleausstiegs bis 2035, ohne zusätzliche Entschädigungszahlungen. ClientEarth mahnt eine entsprechende gesetzliche Verankerung möglichst frühzeitig zu ziehen. Bei einem Ausstieg bis 2030 hätten die Betreiber es grundsätzlich in der Hand eine Anpassung der vertraglich geregelten Entschädigungen zu fordern. Laut ClientEarth sei es nun von Bedeutung, inwieweit die gesetzlichen Fristen für das entschädigungslose Vorziehen nach dem derzeitigen Ausstiegsgesetz bereits verstrichen sind, wie die demnächst anstehende Entscheidung der Europäischen Kommission im Beihilfeverfahren über die Entschädigungen ausfällt, aber auch wie sich die Energiekrise und der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland entwickelt. Daher dürfe die Bundesregierung diese Frage nicht auf die lange Bank schieben, sondern müsse jetzt schon bekannt geben, welche Maßnahmen sie für einen Kohleausstieg 2030 zu ergreifen gedenkt.

Francesca Mascha Klein von ClientEarth und Hauptautorin der Studie sagt: „Bereits stillgelegte Kohlemeiler werden jetzt wieder angeworfen, weil die Vorgängerregierungen den Ausbau der Erneuerbaren nicht ausreichend vorangebracht und stattdessen auf den fossilen Energieträger Gas gesetzt haben. Das hat negative Auswirkungen auf Umwelt, Klima, Gesundheit und den Strompreis. Umso dringender ist es daher, dass die jetzige Bundesregierung das Ziel eines beschleunigten Ausstiegs Deutschlands aus der Kohle nicht aus den Augen verliert und dafür jetzt schon Rechts- und Planungssicherheit schafft.“ Zudem dürfe man, angesichts der derzeit hohen Gas- und Strompreise, den Kohleausstieg nicht allein dem Markt überlassen. mf


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