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Entschädigung für BraunkohleRealitätsfern und wettbewerbsverzerrend

Der Braunkohletagebau Garzweiler aus der Vogelperspektive
Der Braunkohletagebau Garzweiler im Rheinischen Revier, betrieben von RWE. (Photo by ueberform on Unsplash)

Die EU-Kommission äußert erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Entschädigungen für Braunkohlebetreiber. Und sollte die EU die Milliarden-Entschädigung wider Erwarten doch noch freigeben, drohen weitere Energieversorger bereits mit einer Klage.

28.04.2021 – Die von der Bundesregierung festgelegten 4,35 Milliarden Euro an Entschädigung für den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung stehen weiter auf der Kippe. Die EU-Kommission leitet ein Prüfverfahren ein. Angesichts der dazu veröffentlichten Begründung letzte Woche, stellte die Umweltrechtsorganisation ClientEarth schlechte Aussichten für die Braunkohlebetreiber RWE und LEAG fest. Juliette Delarue, Juristin von ClientEarth, sagte: „Eine erste Untersuchung der Braunkohle-Entschädigungen wirft für die Zahlungen an RWE und LEAG mehr Fragen auf als sie Antworten liefert.“

Wenn staatliche Mittel an bestimmte Unternehmen fließen, muss die Europäische Union dies prüfen und genehmigen, um marktverzerrende Vorteile auszuschließen. Nach dem sogenannten EU-Beihilferecht genehmigte die EU-Kommission Ende letzten Jahres Entschädigungen für Steinkohle und kleinere Braunkohlekraftwerke. Seitdem gab es bereits zwei Auktionsrunden, bei denen Kraftwerksbetreiber um die Abschaltung ihrer Kohlemeiler bieten konnten. Beide Runden waren deutlich überzeichnet. Das heißt, es bewarben sich mehr Kraftwerksbetreiber um Entschädigungen für eine baldige Abschaltung als im Kohleausstiegsplan vorgesehen. In diesem Zuge gab es auch weniger Geld für die Kraftwerksbetreiber als maximal vorgesehen. Das zeigt, dass die Kohlekraftwerke für die Betreiber zunehmend unrentabel werden. Analysen bestätigen dies.

Für die großen Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier und in der Lausitz von RWE und LEAG dagegen, sah die Bundesregierung keine Auktionen vor, sondern die festgelegten Entschädigungen in Milliardenhöhe. Doch inzwischen kristallisiert sich immer mehr heraus, dass diese Entschädigungszahlungen vor dem EU-Beihilferecht möglicherweise nicht standhalten.

Zweifel an Berechnungsgrundlage

In der Begründung äußerten die Experten erhebliche Zweifel an der Berechnungsgrundlage der Zahlungen. Demnach würden die Annahmen der Bundesregierung zur prognostizierten Laufzeit und Wirtschaftlichkeit der Kohlekraftwerke nicht mit der Realität auf dem Energiemarkt und in der Klimapolitik übereinstimmen.

Die LEAG etwa steuert unsicheren Zeiten entgegen. Trotz hoher Auslastung zu Beginn des Jahres macht der Konzern mit der Kohleverstromung Verluste. Dazu trägt der Preis pro ausgestoßene Tonne CO2 im Europäischen Emissionshandel bei, der inzwischen auf 44 Euro angestiegen ist. Auch niedrige Strommarktpreise sind ein Grund, die sich aus einem Rückgang der Stromnachfrage, infolge der Corona-Krise sowie dem steigenden Anteil von Wind- und Sonnenstrom ergeben. Es entsteht ein Überangebot, das den Preis drückt, auch wenn kein Überschuss vorhanden ist.

Felix Matthes Experte für Energie- und Klimapolitik am Ökoinstitut sagte dazu im März, dass die LEAG am Strommarkt ihre kurzfristigen Betriebskosten voraussichtlich noch decken könne, doch für größere Reparaturen, Investitionen oder Personalkosten könnte schnell Geld fehlen. Kraftwerke würden so zunehmend auf Verschleiß fahren. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass die LEAG ohnehin seit 2016 den Plan verfolgte noch so viel Kohle zu verstromen, wie letztendlich im Kohleausstiegsgesetz von 2020 vorgesehen.

Weiterer Wettbewerbsvorteil für RWE

Die Entschädigungen für RWE stehen ebenfalls in der Kritik und das nicht nur vor dem Hintergrund, dass auch im Rheinland angesichts immer schärferer Klimaschutzzielen ein Kohleausstieg voraussichtlich früher erfolgt. Mehrere Kommunalversorger und die NATURSTROM AG kritisieren, dass mit den kolportierten 2,6 Milliarden an Entschädigungen für RWE eine zusätzliche Wettbewerbsverzerrung eintritt.

NATURSTROM und die regionalen Energieversorger hatten sich bereits im letzten Jahr zusammengeschlossen, um vor dem Europäischen Gericht gegen die Freigabe des Deals zwischen RWE und E.ON zu klagen. RWE übernahm das Geschäft der Stromerzeugung von E.ON. Das Netz- und Vertriebsgeschäft ging den umgekehrten Weg, inklusive einer Beteiligung von RWE an E.ON. Unter geringen Auflagen genehmigte die EU-Kommission den Deal, der für die klagenden Energieversorger eine unzulässige Begünstigung und wachsende Marktmacht der beiden Konzerne darstellt.

Nun appellieren die Kommunalversorger und NATURSTROM an die EU-Kommission, die Entschädigungszahlungen nicht freizugeben. Die zusätzlichen Milliarden würden RWE einen weiteren Wettbewerbsvorteil verschaffen. Sollte die Kommission die Entschädigungen wider Erwarten doch freigeben, behalten sich die Energieversorger eine weitere Klage vor dem Europäischen Gericht vor.

NATURSTROM Vorstand Thomas Banning hält den viel zu langen Ausstiegsweg aus der Kohleverstromung bis 2038 für eine Farce. „Wenn dann den Betreibern der Kohlekraftwerke für einen nicht nur klimapolitisch notwendigen, sondern auch für die Betreiber wirtschaftlich längst zwingenden Schritt vom Staat milliardenschwere Entschädigungen zugesprochen werden, die zudem ohne jegliche öffentliche Beteiligung in Hinterzimmern ausgehandelt wurden, dann schrillen die Alarmglocken“, sagte Banning auf Anfrage der energiezukunft.

Die Milliarden an Entschädigung würden nicht nur den Steuerzahler über Gebühr belasten, sondern den Großkonzernen auch Wettbewerbsvorteile verschaffen. „Geschenktes Geld für Schrottinvestitionen, das man gleich wieder einsetzen kann, um sich in den bisher vernachlässigten Markt der Erneuerbaren Energien einzukaufen. Das geht dann zu Lasten der Unternehmen und Stadtwerke, die schon frühzeitig auf die Energiewende gesetzt haben“, so Banning. mf


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