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WärmewendeDie Fernwärme der vielen

Ein grünes Rohr über einer Straße, im Hintergrund sind Häuser zu sehen
Fernwärmeleitung in kommunaler Hand in Leipzig (Bild: © August Geyler / Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

Klimafreundlicher Fernwärme soll eine herausragende Rolle bei der dringend nötigen Wärmewende zukommen. Doch vielen Anbietern regenerativer Wärmeenergie fehlt es aktuell an einem unkomplizierten Zugang zu Wärmenetzen. Das soll sich ändern.

12.10.2023 – Fernwärmenetze finden sich vor allem in Städten und versorgen gleichzeitig Millionen Haushalte mit denselben Energieträgern. Ein gewaltiger Hebel also für die im Zeichen der Klimakrise dringend nötige Wärmewende. In der Vergangenheit speisten die Betreiber die Netze oftmals mit Wärme aus der Kohleverbrennung, inzwischen stellen viele Fernwärmeversorger um, auf klimafreundliche Energieträger.

Oftmals sind die Versorger ganz oder mehrheitlich im Besitz der Kommunen vor Ort und häufig Sparte der Stadtwerke, wie etwa in München, Hamburg oder Leipzig. Doch es gibt auch private Unternehmen, wie Vattenfall für Berlin oder Uniper für das mittlere Ruhrgebiet, von denen die Einwohner:innen der Städte abhängig sind. Vattenfall kündigt an bis spätestens 2030 Wärme für Berlin produzieren, „ohne dafür auch nur ein Stück Kohle zu verbrennen“. Gas wird in den Plänen aber weiter eine Rolle spielen. Vielen Berliner:innen und der Stadt geht das nicht weit und schnell genug. Schon lange wird über einen Rückkauf der Fernwärmeversorgung in städtische Hand spekuliert. Die Verhandlungen laufen.

Diskutiert wird auf europäischer Ebene auch darüber, den sogenannten Drittzugang zu Fernwärmenetzen deutlich zu erleichtern. Heißt: Anbieter von klimafreundlichen Wärmelösungen, etwa Solar- und Geothermie sowie Abwärme, soll der Zugang und damit das Einspeisen ihrer Wärme in die Fernwärmenetze erleichtert werden. In Deutschland passiert dies bislang nur in geringem Umfang auf Basis individuell ausgehandelter Verträge zwischen Wärmeanbietern und Netzbetreibern. Die Europäische Kommission sieht in einem Entwurf der Erneuerbare-Energien-Direktive von Juli dieses Jahres ein sogenanntes Single-Buyer- und ein Durchleitungsmodell als Lösungen an. Die Deutsche Energieagentur dena hat diese sowie den verhandelten Netzzugang und ein Modell „Wärmenetz EEG“ untersucht. Die Ergebnisse:

Modell 1, verhandelter Netzzugang: Beim in Deutschland bereits durchgeführten Modell haben die Netzbetreiber der Fernwärme (Kommunen und große Unternehmen) weiterhin die Kontrolle darüber, wer in die Wärmeversorgung einspeisen darf.

  • Zwar ist diese Praxis bereits erprobt, aber zugleich gibt es keine ausreichenden Anreize zur Dekarbonisierung. Es bräuchte dafür gesetzlich verankerte Ziele.

Modell 2, Wärmenetz EEG: Auch hier behält der Netzbetreiber die Kontrolle, muss aber oberhalb eines festgelegten Schwellenwerts Wärmeerzeugung Dritter aus Erneuerbaren Energien und Abwärme anschließen, wenn „schmutzigere“ Wärme verdrängt oder die Erzeugungskapazität erweitert oder ersetzt wird.

  • Hierbei gäbe es einen impliziten Dekarbonisierungsanreiz. Regulatorisch festgelegte Einspeisetarife könnten die Anreize für die Investition in klimaneutrale Wärme erhöhen. Je nach Ausgestaltung würde ein Wärmenetz-EEG aber zu erheblichen Kosten und hohem regulatorischen Aufwand führen.

Modell 3, Single-Buyer: Der Netzbetrieb erfolgt weiterhin durch das bestehende Fernwärmeunternehmen. Bei Wärmenetzen oberhalb eines festgelegten Schwellenwerts aber muss die Wärmeerzeugung immer dann wettbewerblich organisiert werden, wenn im Netzgebiet die Erzeugungsleistung erweitert oder anteilig ersetzt werden muss. In diesen Fällen sucht der Netzbetreiber Wärmeerzeugungsleistung mit einem festgelegten Erneuerbare-/Abwärme-Mindestanteil in einem wettbewerblichen, transparenten Verfahren.

  • Auch hier würde die Ausschreibung klimaneutraler Wärmeerzeugung einen impliziten Dekarbonisierungsanreiz setzen. Der mögliche hohe Aufwand hinter Ausschreibungen könnte Investitionen aber auch hemmen. Bei einem geringen Angebot könnten auch überhöhte Angebote erfolgreich sein. Der regulatorische Aufwand hinter Ausschreibungen wäre zudem erheblich.

Model 4, Durchleitung: Drittanbieter von Wärme aus erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme erhalten das Recht, die bestehende Netzinfrastruktur zu nutzen und gegebenenfalls auszubauen, um eigene Wärmekunden zu versorgen. Für die Netznutzung fallen dann Entgelte an. So würden die Kund:innen die Hoheit darüber gewinnen, welcher Anbieter von Fernwärme sie versorgen darf.

  • Der Wettbewerb verschiedener Anbieter könnte die Akzeptanz für klimaneutrale Fernwärme erhöhen. Es besteht aber auch die Gefahr, dass die private Zahlungsbereitschaft zur Erreichung der Klimaneutralität nicht ausreicht. Hier würden vor allem für den Netzbetreiber hohe Aufwände der Netzüberwachung anfallen.

So könnten vor allem Die Modelle Wärmenetz-EEG und Single-Buyer die Dekarbonisierung druch den Zugang von Drittanbietern vorantreiben. Hohe regulatorische Aufwände müsste man dafür angehen. Der Drittzugang müsste dabei eng mit dem Prozess, der in Deutschland inzwischen verpflichtenden kommunalen Wärmeplanung verzahnt werden. Laut dena könnte insgesamt die Aufnahme von Drittanbietern ins Netz die Wärmewende dort vorantreiben, wo aufgrund der Monopolstellung eines Unternehmens bisher keine ausreichende Transformationsdynamik ausgelöst wurde.

Wie etwa in Berlin. Verbraucherschützer:innen kritisieren zudem ein intransparentes Preismodell und zu hohe Tarife seitens Vattenfall. Der Rückkauf der Fernwärme sei für Berlin die Chance, Gemeinwohlinteressen über Profite zu stellen, so Michael Efler, Vorstandsmitglied des BürgerBegehren Klimaschutz, das sich für Daseinsvorsorge in kommunaler Hand einsetzt. Wasserbetriebe und Stromnetz konnten erfolgreich wieder in kommunale Hand überführt werden. „Als Eigentümer kann das Land schneller und konsequenter eine klimaneutrale Fernwärmeversorgung aufbauen“, sagt Efler.

Doch für die Hoheit über die Berliner Wärmeversorgung braucht es nicht nur die Fernwärmenetze von Vattenfall sondern auch das Gasnetz der GASAG. Auch dort ist Vattenfall mit rund 31 Prozent beteiligt, ebenso der französische Energiekonzern Engie, E.ON hält rund 36 Prozent der Anteile. Das macht einen kompletten Rückkauf in kommunale Hand ungleich schwieriger. Bei der GASAG könnte es zu einem Mischmodell kommen. Efler sagt: „Kooperationen mit Konzernen, die immer noch teilweise ein auf fossilen Energien basierendes fossiles Geschäftsmodell verfolgen, sind mit Skepsis zu betrachten.“ Eine Wärmeversorgung dagegen, die zu 100 Prozent in kommunaler Hand und damit eng mit politischen Entscheidungen verzahnt ist, wäre auch für klimaneutrale Drittanbieter ein Vorteil sich auf dem Markt zu platzieren. mg


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