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AgrarwendeEin Landwirt auf regenerativen Wegen

Landwirt Thies Paulsen neben seinen Kühen auf dem Berghof im nördlichen Schleswig-Holstein
Landwirt Thies Paulsen auf seinem Berghof im nördlichen Schleswig-Holstein. (Foto: Dierk Jensen)

Dass eine klimaschonende und humusaufbauende Landwirtschaft bei Weitem nicht nur eine Sache des Ackerbaus ist, demonstrieren die Aktivitäten auf dem Berghof im nördlichen Schleswig-Holstein. Der Umstieg ist ein langer, aber höchst lohnender Prozess.

20.02.2024 – Vor fünf Jahren, bei einem Seminar über Direktsaat, hat er die lang ersehnte Systemveränderung für seinen Betrieb entdeckt: Es hat bei ihm Klick gemacht. „Da ist mir plötzlich alles klar geworden, der Weg war definiert“, sagt Thies Paulsen. Seit diesem einschneidenden Heureka-Moment hat der Milchviehhalter auf seinem Betrieb im nordfriesischen Drelsdorf vieles verändert; seither setzt er auf seinem Berghof Stück für Stück die Ideen der regenerativen Landwirtschaft um.

Diese Umstellung fällt bei Weitem nicht einfach vom Himmel, es ist eher ein langer Prozess, den er zwar angestoßen hat, doch noch lange nicht abgeschlossen hat. Es gibt immer mal wieder Versuche auf dem Acker, die nicht so funktionieren wie er es sich eigentlich wünscht. Das Gleiche gilt für neue Betriebsabläufe, wo noch viel Optimierungspotenzial schlummert.

Klimawende mit Kuh

Dabei lässt der 47-jährige Agrarbetriebswirt keinen Zweifel daran, dass er die regenerative Landwirtschaft nicht nur vom Boden, sondern auch vom Tier denkt, genauer gesagt von der Kuh. „Ohne die Kuh können wir das Klima nicht retten“, ist seine feste Überzeugung. „Das Grasland hat deshalb eine entscheidende Bedeutung“, betont er beim Rundgang durch seine Offenställe. Er bedauert, dass der heutigen Landwirtschaft die echte Leidenschaft für die Tierhaltung verloren gegangen sei, „leider ist sie von der rein ökonomischen Betrachtungsweise verdrängt worden“.

Er versucht, neue Wege zu gehen. So praktiziert er seit zwei Jahren eine, wie er es bezeichnet, „Muttergebundene Kälberaufzucht“, bei der das Kalb drei Monate nach der Geburt die Milch von der Mutter säugen darf; das sind rund 15 Liter täglich, die im Euter verbliebene Menge gelangt dann in den Milchtank. So liegen die Kälber seiner 120-köpfigen Milchviehherde auch nicht in engen Einzelboxen, sondern in den ersten Wochen in einem mit Stroh eingestreuten Bereich zusammen mit ihren Müttern.

Auch das Alter seiner Herde, Holstein Frisian und Jersey, liegt relativ hoch: im Durchschnitt über sechs Jahre. „Durch eine Verlängerung der Laktation beabsichtige ich, das Leben meiner Kühe zu verlängern“, unterstreicht Paulsen, der einen kleinen Teil seiner Milch von einer mobilen Käserei aus der Region verarbeiten lässt. Diese produziert mehrere Sorten Käse, der unter anderem im bescheidenen Hofladen verkauft wird.

Bausteine zur nachhaltigen Weidewirtschaft

Um gute, bodenverträgliche Gülle aus dem Kuhstall zu erhalten, setzt er EM-Bakterien und IN-WA-Quarz ein. Für den gesprächsfreudigen Einsteiger in die regenerative Landwirtschaft ist dies ein wichtiger Schlüssel für eine nachhaltige Weidewirtschaft. Daher setzt er seit Kurzem mikrobielle Präparate (INW-Quarz) in der Gülle ein; sie stinke nicht mehr und lässt sich vom Boden(leben) viel besser verarbeiten.

Aber auch die Tiere mit ihrem Speichel, ob nun Schafe oder Rinder, spielen für die Lebendigkeit des Bodens eine wichtige Rolle, sagt Paulsen als er durch eine hochgewachsene Rotklee-Mischung schreitet und zwei tragenden Kühen entgegengeht. „Wir müssen die Beweidung besser in den Griff bekommen, vielleicht habe ich deshalb in fünf Jahren 100 grasende Mutterschafe und eine etwas kleinere Kuhherde“, projiziert er in die Zukunft.

Boden schonen, Humus aufbauen

Voller Leidenschaft zeigt der norddeutsche Landwirt seine Felder, die arrondiert um seinen Hof liegen. Mit 47 Hektar Eigenland bewirtschaftet er insgesamt rund 140 Hektar - zur einen Hälfte Grünland und zu anderen Hälfte Ackerland. Auf Letzteres hat er im Jahr 2023 auf 17 Hektar Mais, auf drei Hektar Futterrüben, auf weiteren 15 Hektar Triticale, 15 Hektar Wintergerste, zehn Hektar Bohnen und zehn Hektar Sommergerste respektive Sommerweizen angebaut. Seine Fruchtfolge lautet: Bohnen, Wintergerste, Rotklee-Silomais, Sommerweizen, Wintertriticale, Silomais.

Ein wichtiger Aspekt seiner bodenschonenden und Humus aufbauenden Bewirtschaftungsart: Der Acker sollte über das ganze Jahr hinweg begrünt sein, ob nun mit Zwischen- oder Hauptfrüchten. Nackten Boden sieht man bei ihm nicht.

Brücken bauen zwischen den Fraktionen

Den Pflug hat Paulsen ohnehin schon vor rund zwei Jahrzehnten von seinen Felder verbannt. „Die Direktsaat praktiziere ich schon drei Jahren, das hat sich bewährt.“ Allerdings, und das räumt Paulsen freimütig ein, ginge dies nicht gänzlich ohne Pflanzenschutzmittel. Das sei ein Manko, stellt er selbstkritisch fest. Gleichwohl hofft er, dass er den Einsatz von Herbiziden weiter reduzieren kann. Beispielsweise verzichtet er mittlerweile auf Wachstumsregulatoren, ebenso hält er einen Verzicht auf Glyphosat zukünftig für machbar.

Aber einen guten Getreidebestand zu verlieren, nur weil er auf eine Pilzbehandlung trotz Befall im Ährenstadium verzichtet, widerspricht seiner Auffassung von Landwirtschaft; wahrscheinlich auch am Ende der Grund dafür, dass er sich nicht für den ökologischen Landbau entschieden hat. Er sieht sich vielmehr positioniert zwischen konventioneller Landwirtschaft, die seiner Meinung in die Sackgasse geraten sei, und Ökolandbau, der aus verschiedenen Gründen gegenwärtig nicht so recht weiterkomme. „Vielleicht können wir als regenerative Landwirte auch eine Brücke zwischen diesen beiden Fraktionen bauen“, hofft der Nordfriese, der selbst eine Kleinwindanlage (6 kW) sowie eine PV-Anlage mit 210 kWp betreibt.

Der Weg ist das Ziel

Paulsen hegt die Absicht, seinen Boden durch kluge Fruchtfolgen und intelligente Fruchtwechsel zu lockern, um irgendwann ganz auf Pflanzenschutzmittel verzichten zu können; aktuell sei er aber noch nicht so weit. Und da bekanntlich der Weg das Ziel ist, zeigt Paulsen auf einem seiner Felder, wohin er noch will. Dort hat er im letzten Sommer 65 Dezitonnen Sommerweizen geerntet; das Stroh wurde geerntet, dann die Zwischenfrucht ausgesät und schließlich am 25. September ins auflaufende Zwischenfruchtgemenge Wintertriticale eingebracht; fünf Tage später setzte er Glyphosat ein, um vor allem das Problemgras Trespe kontrollieren zu können.

Um nun einen Vergleich zu haben, hat er einen breiten Streifen nicht behandelt. Die Beobachtung: Unter dem Nachauflauf des Sommerweizens und der Trespe und den anderen stickstoffsammelnden Zwischenfrüchten steht die Triticale trotzdem in der Reihe. „So kann es vielleicht in Zukunft auch ohne gehen“, freut sich Paulsen über das Ergebnis und betrachtet solche Fortschritte eines nachhaltigen, kohlenstoffanreichernden und wasserhaltefähigeren Ackerbaus als unverzichtbare Voraussetzung dafür, um sich dann später über das Carbon Farming sowie weiteren Erlösoptionen durch CO2-Zertifikate weiter Gedanken zu machen. „Wir haben ja nicht nur ein CO2-Problem, sondern auch ein Wasserproblem. Wir haben zu wenig Wasser im Boden. Dieser sollte bei Bedarf genügend Wasserdampf abgeben, um Hitze zu lindern.“

Gemeinschaft stärkt

Obwohl er seit drei Jahren den Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft folgt, brauche es einfach Zeit, um sich auch im Kopf umzustellen. Dabei ist ihm der Kontakt mit Nachbarn, Kunden und Freunden wichtig. Welche positiven Impulse dieser Austausch gibt, zeigt sich jedes Mal im Herbst, wenn Paulsen eine kleine Herde Färsen von den sommerlichen Pensionsweiden auf Oland, einer Hallig im nordfriesischen Wattenmeer, mit zwei Dutzend freiwilligen Helfern übers Watt aufs Festland treibt. Ein Erlebnis, das zusammenschweißt und beim gemeinsamen Gulasch-Essen über fast alle Widersprüche und Probleme in der aktuellen (regenerativen) Landwirtschaft diskutiert wird. Dierk Jensen


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