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Ende LandwendeMehr Subventionen für weniger Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft

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Der Abbau der Umweltstandards bei EU-Subventionen schafft kaum weniger Bürokratie, dafür weniger Umweltschutz und Klimaresilienz (Bild: Marta Ortigosa / Unsplash).

Mit weniger Umweltschutzauflagen will die EU Landwirte besänftigen. Das geht zulasten der Umwelt, der Ernährungssicherheit und der nachhaltig wirtschaftenden Landwirte. Vom Green Deal ist für die Biodiversität nicht viel übriggeblieben.

18.04.2024 – Im März hat die EU-Kommission vorgeschlagen, Umweltstandards in der Landwirtschaft zu lockern. Die EU reagierte damit auf anhaltende Bauernproteste in den europäischen Mitgliedsstaaten und vor Ort in Brüssel. Stimmt das EU-Parlament in der kommenden Woche dafür, könnten die Umweltauflagen noch vor der Europawahl gesenkt werden. Für Umwelt- und Klimaschutz sowie die Ernährungssicherheit ist das ein Rückschritt. Langfristig kann nur eine nachhaltige Landwirtschaft liefern.

Rückwärts in der Landwirtschaft

Die Landwirtschaft wird in der EU stark subventioniert. Über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) erhalten Bauern Subventionen, die insgesamt mehr als ein Drittel des Finanzhaushalts der EU umfassen. Sogenannte Flächenprämien machen den Großteil dieser Subventionen aus. Die Landwirte werden dabei schlicht für jeden Hektar Land, den sie beackern, bezuschusst. Die Auszahlung ist allerdings an Umweltauflagen geknüpft, die GLÖZ-Standards für den ‚guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen‘.

Maßnahmen sollen beispielsweise Bodengesundheit und Biodiversität auf den Äckern fördern. Nach dem Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine wurden einige Maßnahmen allerdings bereits zeitweise ausgesetzt. Eine davon war das verpflichtende Stilllegen von vier Prozent der Flächen, die nun sogar vollständig gestrichen werden soll. Für kleine Höfe unter 10 ha könnten zudem künftig die Kontrolle von Umweltauflagen entfallen. Länder sollen auch mehr Spielraum bekommen, weitere Maßnahmen ‚wetterbedingt‘ auszusetzen.

Ein weiterer Rechtsakt, der ebenfalls in der kommenden Sitzungswoche eingebracht wird, sieht vor, Länder flexibler entscheiden zu lassen, ob Dauergrünland erhalten werden muss. Ende letzten Jahres wurde das geplante Gesetz zur Pestizidreduktion (SUR) vom europäischen Parlament abgelehnt, nun droht das Renaturierungsgesetz, auf den letzten Metern gekippt zu werden. Stattdessen wird derzeit diskutiert, gentechnisch veränderte Pflanzen zu deregulieren.

Das grün sickert aus dem Green Deal

Die wissenschaftliche Expertise wird durchweg ignoriert. „Das Eilverfahren macht die Einbeziehung wissenschaftlicher Expertise unmöglich. Diese ist aber anscheinend nicht relevant, wenn man sich die fachlich haarsträubenden Begründungen der Reformvorschläge anschaut“, sagt Norbert Röder vom Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei in Braunschweig. Vergleichbar niedrig waren Ackerbauvorgaben zuletzt vor 15 bis 30 Jahren. Ein deutlicher Rückgang der Biodiversität sei zu erwarten.

„Da sich die landwirtschaftlichen Ökosysteme bereits in einem äußerst schlechten Zustand befinden und der Klimawandel und die Bodendegradation hinzukommen, geht die EU das Risiko ein, dass die landwirtschaftlichen Systeme zusammenbrechen“, drückt Guy Pe'er vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig sein Unverständnis aus. Wissenschaftlich sinnvoll wäre, die GAP zu reformieren und Landwirte, die nachhaltige Landwirtschaft betreiben wollen, zu unterstützen.

EU baut Umweltstandards statt Bürokratie ab

Als Grund für das rapide Zurückrollen der Umweltstandards gibt die EU an, Bürokratie abbauen zu wollen. Zu hohe bürokratische Auflagen gehörten zu den Hauptproblemen, die Landwirte bei ihren Protesten angeprangert hatten – und das sicher nicht zu Unrecht.

Gegen zu viel Papierkram geht die Reform jedoch nicht an. „Im Kern der Reform steht nicht der Bürokratieabbau, also der Abbau von Nachweis- oder Dokumentationspflichten“, meint Röder. „Stattdessen geht es darum, dass Landwirte für die Subventionen – beziehungsweise offiziell für die ,Einkommensgrundstützung für Nachhaltigkeit‘ – weniger Leistungen für die Gesellschaft erbringen müssen. Die GLÖZ-Standards begrenzten insbesondere die Betriebe, die am intensivsten wirtschaften. Somit profitierten vor allem Betriebe mit einer hohen Wertschöpfung je Hektar Fläche vom Abbau der Umweltstandards.

Der Bürokratieaufwand – im Sinne eines Dokumentations- und Verwaltungsaufwandes für die EU-Subventionen – sei in Deutschland nachrangig, meint Röder. Unabhängig von der GAP müssten Landwirte eine Vielzahl von Daten und Informationen an die unterschiedlichsten Behörden und Institutionen melden beziehungsweise vorhalten. „Hier würden eine konsequente Digitalisierung der Prozesse mit nutzerfreundlichen Schnittstellen, die gegenseitige Abstimmung der Anforderungen und ein automatischer Datenaustausch zwischen den Institutionen den Bürokratieaufwand für die Landwirte deutlich senken und Doppelarbeiten reduzieren.“

Bei den Ökoregelungen der GAP könne man zulässige Toleranzgrenzen bei Flächen- oder Lageabweichungen anheben, die Förderbedingungen verständlicher aufbereiten und leichter auffindbar machen, die Antragssoftware dahingehend optimieren, dass zum Beispiel Vorschläge für Maßnahmen unterbreitet werden oder kleinteilige Maßnahmen mit einem deutlich geringeren Aufwand beantragt werden könnten. Von derartigen Maßnahmen fehlt im Änderungsvorhaben der EU jedoch jede Spur.  jb


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