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Menschenrechte und UmweltschutzDie EU einigt sich auf ein gemeinsames Lieferkettengesetz

Europaflagge
Die Gesetzgeber der EU haben sich auf ein Lieferkettengesetz geeinigt (Bild: Dušan Cvetanović / pexels).

Nach langen Trilogverhandlungen hat sich die EU auf ein Lieferkettengesetz verständigt. Die Regelungen sind umfassender als das gleichnamige Gesetz in Deutschland. Für den Finanzsektor gelten sie jedoch vorerst nicht.

15.12.2023 – Die EU hat sich auf ein gemeinsames Lieferkettengesetz (CSDDD) geeinigt. In Zukunft sollen Unternehmen Menschenrechts- und Umweltstandards für ihre gesamte Wertschöpfungskette prüfen und einhalten müssen. Ausgenommen bleiben kleine und mittlere Unternehmen (KMU) – und der Finanzsektor.

Nachhaltige Wertschöpfung von Anfang bis Ende

Der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission ist bereits fast zwei Jahre alt, er stammt von Februar 2022. Ziel der Gesetzesinitiative war, Menschen- und Umweltrechte weltweit zu stärken, indem Unternehmen verpflichtet werden entsprechende Standards auch in ihren Wertschöpfungsketten einzuhalten. So soll ein gerechterer, transparenterer und nachhaltigerer Markt und fairere Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Nach monatelangen Diskussionen gab es nun eine Einigung über die Regelungen des Lieferkettengesetzes.

Unternehmen sollen zukünftig Pläne erstellen, in denen potenziell negative Auswirkungen im Bereich der Menschenrechte und Umwelt im Vorhinein ermittelt werden. Dazu gehört auch, ob die Aktivitäten mit den Pariser Klimazielen vereinbar sind. Die Unternehmen sollen dann Maßnahmen ergreifen, um negative Effekte zu reduzieren, zu kontrollieren, für die Öffentlichkeit transparent machen und Beschwerdeverfahren einrichten. Für die Umsetzung der Regelungen können die Unternehmen zivilrechtlich haftbar gemacht werden.

Die neuen Richtlinien zielen im Besonderen auf wirtschaftsstarke Unternehmen. So fallen EU-Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten sowie einem globalen Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro darunter. Bei Unternehmen, die in Branchen mit ‚hohem Schadenspotenzial“ aktiv sind, sinken die Grenzwerte auf 250 Mitarbeiter und 40 Millionen Euro. Gleiches gilt für außereuropäische Unternehmen, die ihren Hauptumsatz in der EU machen. In allen Fällen gelten die Regeln nicht nur für den Mutterkonzern, sondern auch für Tochtergesellschaften und deren Wertschöpfungsketten.

Ein Gewinn für Mensch und Umwelt

„Ein historischer Moment und Paukenschlag der europäischen Menschenrechtsregulierung. Dies ist die weitreichendste ökonomische Menschenrechtsregulierung weltweit“, betont Sarah Jastram, Professorin für Internationale Wirtschaftsethik an der Hamburg School of Business Administration.

Mit dem Gesetz werde es für Unternehmen wichtig, das Thema Sorgfalt in der Lieferkette strategisch zu sehen, meint auch Julia Hartmann, Professorin für Management und Nachhaltigkeit, EBS Universität für Wirtschaft und Recht, Oestrich-Winkel. „Der Schutz von Menschenrechten ist von zunehmender Bedeutung für die Unternehmensreputation weltweit. Außerdem sind Unternehmen, die enge Beziehungen zu Lieferanten und transparente Lieferketten pflegen, deutlich krisenresilienter. In einer Zeit, in welcher Ressourcen immer knapper werden, kann dies ein differenzierender Faktor werden.“

Europäisches Lieferkettengesetz, deutsches Lieferkettengesetz

Das nun beschlossene europäische Lieferkettengesetz ähnelt strukturell dem deutschen LkSG, das nun seit etwa einem Jahr gilt. Auch, wenn nach der europäischen Richtlinie einiges nachgeschärft werden muss, dürften deutsche Unternehmen mit den geltenden Richtlinien eher einen Vorsprung als einen Nachteil haben, meint Peter Gailhofer, Senior Researcher für Umweltrecht und Governance am Öko-Institut in Berlin.

„Grundlegend neu ist auch die Haftungsregelung: Der deutsche Gesetzgeber hat ausdrücklich festgehalten, dass eine Verletzung der Pflichten aus dem LkSG – etwa ein unzureichendes Risikomanagement – keine Haftung des Unternehmens begründet (Paragraf drei, Absatz 3 des LkSG)“, erklärt Lena Rudkowski Professorin für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht, Justus-Liebig-Universität Gießen. Die europäische Richtlinie verlange hingegen, dass Unternehmen für Schäden haften, wenn sie ihre unternehmensorganisatorischen Verpflichtungen verletzt haben, etwa zur Vermeidung negativer Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Menschenrechte. „Damit bekommen wir einen ganz neuen Durchsetzungsmechanismus, und die Haftungsrisiken für die Unternehmen steigen deutlich an.“

Finanzsektor einbeziehen

Ein deutliches Defizit der Einigung ist, dass der Finanzsektor – vorläufig – nicht mitreguliert wird. Es heißt zwar, dass eine Regelung für den Finanzsektor gefunden werden soll, wann diese in welcher Form kommt, und wie weitreichend sie sein wird, blieb jedoch offen. „Dass der Finanzsektor noch nicht in die Regulierung einbezogen wurde, dürfte die Erreichung der Ziele der CSDDD merklich einschränken“, bedauert Gailhofer.

 „Hier wird eine Industrie geschont, die mittelbar erheblichen Einfluss auf den Schutz von Umwelt und Menschenrechten nehmen kann“, meint auch Markus Scholz, Professor für Betriebswirtschaft, Technische Universität Dresden. Im Juli dieses Jahres hatte die UN-Arbeitsgruppe für Wirtschaft und Menschenrechte die EU-Institutionen bereits aufgefordert, den Finanzsektor unbedingt bei globalen Standards wie der CSDDD verpflichtend miteinzubeziehen.

Ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen hatte im Vorfeld der letzten Verhandlungen die Bundesregierung in einer Stellungnahme dazu aufgerufen, sich dafür einzusetzen, dass der Finanzsektor in das EU-Lieferkettengesetz einbezogen wird. Banken, Versicherungen und Investoren stünden häufig hinter Projekten, die Menschenrechte verletzten sowie Klima und Umwelt zerstörten, so FIAN, der Dachverband der Kritischen Aktionär*innen, Südwind und Facing Finance. „Wenn Finanzakteure verpflichtet sind, menschenrechtliche und umweltbezogene Standards zu achten, würde schädlichen Aktivitäten endlich das Kapital entzogen“, sagt Eva-Maria Reinwald, Referentin für Globale Wirtschaft und Menschenrechte beim Südwind-Institut.

Den Recherchen der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald zufolge investierten Banken im vergangenen Jahr rund 673 Milliarden Dollar in die fossile Energiebranche. Instrumente für die Finanzierung der Energiewende gibt es hingegen kaum.Es ist anzunehmen, dass wie bereits im Fall mehrerer vorangegangener EU-Regulierungen die starke Finanzlobby zur Ausnahme des Sektors aus dem CSDDD beigetragen hat. jb


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