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Europäische UnionVerschärftes Lieferkettengesetz weiter in Sicht

Zwei Menschen hinter weißen Masken tragen Schilder auf denen steht "Nike/Uniqlo made with Uyghur forced Labour"
Die Organisation Sum Of Us (heute Ekō) protestierte 2021 auf der New Yorker Fashion Week gegen Marken wie Nike und Uniqlo, denen vorgeworfen wird Kleidung in Zwangsarbeiterlagern für Uiguren in China zu produzieren. Die Unternehmen sind auch in Europa mit hunderten Beschäftigen und Milliardenumsätzen aktiv. (Bild: Ekō (formerly SumOfUs), flickr, CC BY 2.0)

Kurz vor der entscheidenden Abstimmung im EU-Parlament versuchten Unions-Abgeordnete ein schärferes Lieferkettengesetz abzuwenden, doch ohne Erfolg. Das Parlament geht nun mit weitreichenden Forderungen in die weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene.

02.06.2023 – Eigentlich hatten sich die Fraktionen im Rechtsausschuss bereits geeinigt, doch dann preschte die CSU-Abgeordnete Angelika Niebler im EU-Parlament mit weiteren Mitstreiter:innen und Änderungsanträgen, die die Einigung für ein neues EU-Lieferkettengesetz deutlich abgeschwächt hätten. Gegenüber Correctiv erklärte Niebler vor der Abstimmung mehr als 60 EU-Abgeordnete stünden hinter ihr, vor allem aus der konservativen EVP und der liberalen Fraktion Renew. Man wolle sich stärker an dem 2021 verabschiedeten und Anfang 2023 in Kraft getretenen deutschen Lieferkettengesetz orientieren.

Es gab die Befürchtung, dass der Kompromiss aus dem Rechtsausschuss in der gestrigen Abstimmung scheitern würde. Doch am Ende setzte sich die Mehrheit durch. 366 Abgeordnete stimmten für die Einigung aus dem Rechtsausschuss, 225 dagegen, 38 enthielten sich. In die abschließenden sogenannten Trilog-Verhandlungen mit EU-Kommission und Rat, geht das EU-Parlament so mit weitreichenderen Forderungen, als es der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission vorsah.

Was bislang geschah

Wiederholtem Drängen des EU-Parlaments folgend, legte die EU-Kommission Anfang letzten Jahres einen Vorschlag für ein europäisches Lieferkettengesetz vor, dessen Inhalt bereits weitaus strenger war, als das deutsche Lieferkettengesetz. Ein Lieferkettengesetz soll Unternehmen zu Sorgfaltspflichten in der gesamten Wertschöpfungskette ihrer Produkte verpflichten. Das deutsche Lieferkettengesetz sieht eine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht vor. Umweltaspekte werden nur dann berücksichtigt, wenn sie in einem gewissen Zusammenhang zu einer Menschenrechtsverletzung, zum Beispiel einer Gesundheitsschädigung, stehen.

Der Kommissionsvorschlag dagegen sieht auch explizit Sorgfaltspflichten der Unternehmen für Umweltauswirkungen wie schädliche Bodenveränderungen, Wasser- oder Luftverschmutzung, Emissionen oder übermäßigen Wasserverbrauch vor. Zudem sollen Unternehmen verpflichtet, werden die Klimafolgen ihrer Betriebe zu analysieren und ihre Strategien an den grünen Wandel anzupassen. Auch eine zivilrechtliche Haftung ist vorgesehen. Unternehmen könnten so vor europäischen Gerichten zur Verantwortung gezogen werden und Menschen auch aus Nicht-EU-Ländern gegen Verstöße bei der Produktion der Produkte klagen.

Der Kommissionvorschlag sieht vor, dass die Sorgfaltspflichten bei Unternehmen ab einer Größe von 500 Beschäftigten und einem weltweiten jährlichen Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro gelten. Das deutsche Lieferkettengesetz dagegen gilt bei Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Mitarbeiter:innen, ab 2024 dann bei einer Größe von 1.000 Mitarbeiter:innen oder mehr.

Die weitreichenderen Forderungen

Das EU-Parlament fordert nun alle Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten und 40 Millionen Euro Jahresumsatz innerhalb der EU in die Sorgfaltspflicht zu nehmen. Zudem soll das Lieferkettengesetz auch für Unternehmen gelten, die den allgemeinen Schwellenwert nicht erreichen, aber die Teil einer Muttergesellschaft eines Konzerns mit mindestens 500 Mitarbeiter:innen und 150 Millionen Jahresumsatz sind. Auch Zweigniederlassungen sollen unter das Gesetz fallen. Allerdings sieht der Parlamentsvorschlag wie in Deutschland Fristen vor. So soll die Grenze für Unternehmen ab 250 Mitarbeiter:innen erst nach vier Jahren plus optionaler Verlängerung der Frist um ein weiteres Jahr gelten.

Gegenüber dem Kommissionsvorschlag verbessert wurde dagegen eine stärkere zivilrechtliche Haftung. Die Forderung nach einer Begrenzung der Verfahrenskosten etwa, soll mehr Menschen die Möglichkeit geben zu klagen, obwohl sie nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügen. Auch soll es einen Zugang zu Beweismitteln des beklagten Unternehmens geben, wenn Gerichte dies anordnen. Zudem wurde die Sorgfaltspflicht in der Einigung des EU-Parlaments erhöht. Bei Lieferketten aus Krisenregionen etwa, soll es eine zusätzliche Konfliktanalyse geben. Bei Klima- und Umweltauswirkungen solle man sich an die Pariser Klimaziele, Aarhus-Abkommen und weitere internationale Übereinkommen halten. Des Weiteren soll das Gesetz auch für Teile der Finanzindustrie gelten.

Anna Cavazzini, Grüne Verhandlerin des Lieferkettengesetzes zeigte sich erfreut über die erzielte Einigung und Abstimmung im EU-Parlament: „Trotz des immensen Drucks von Industrielobby und gegen den Widerstand vieler Konservativer hat das Parlament den Kommissionsvorschlag in vielen Bereichen nachschärfen können.“ Damit übernehme die EU endlich Verantwortung für die globalen Auswirkungen unseres Handelns. Umwelt- und Sozialdumping in unseren Lieferketten werde endlich ein Riegel vorgeschoben, so Cavazzini. Nun stünden schwierige Verhandlungen mit dem Rat an, dessen Positionen weniger ambitioniert seien.

Für Umweltverbände nicht genug

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, fordert: „Im Trilog muss die Bundesregierung nun massiv für EU-weit einheitliche Standards und Verantwortung für Unternehmen und Finanzdienstleister über die gesamte Wertschöpfungskette eintreten. Das Gesetz muss auch die Finanzierung von Umweltzerstörung und menschlicher Ausbeutung unterbinden. Wir brauchen ein klares Signal, dass Profit auf Kosten von Umwelt und Mensch nicht länger folgenlos bleibt."

Deutschland dürfe die Kompromissfindung nun nicht ausbremsen, so die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Germanwatch, die sich auch vom EU-Parlament weitreichendere Forderungen gewünscht hätte. Das Parlament habe eine faire Beweislastverteilung für Betroffene nicht stärker in den Fokus genommen. Damit bleibe es schwierig, Unternehmen ein Fehlverhalten vor europäischen Gerichten nachzuweisen. „Außerdem wurde eine klare Verankerung der Verantwortung in der Leitungsebene von Unternehmen abgelehnt“, kritisiert Germanwatch.

„Sorgfaltspflichten von Unternehmen sind nur dann wirksam, wenn sie auch von der Unternehmensleitung in Entscheidungen einbezogen werden. Die Chance, Menschenrechtsschutz auch in Unternehmen explizit zur Chefsache zu machen, hat das Parlament leider verpasst“, so Finn Robin Schufft, Referent für Unternehmensverantwortung bei Germanwatch. Somit würden die Hürden für Betroffene, ihre Rechte wahrzunehmen weiterhin hoch bleiben. mg


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