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Global Coal Exit ListExpansion statt Kohleausstieg in Asien

Ein Gefährt in einem Kohlebergbau
Die Carmichael Kohlemine in Australien – Teil der Adani Gruppe (Bild: Adani Mining Australia - https://www.bravusmining.com.au/carmichael-mine/, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

In vielen asiatischen Ländern werden Kohleprojekte vorangetrieben. Finanzielle Unterstützung erhalten Energiekonzerne überraschenderweise aus den USA. Dort, wie auch in Deutschland, werden keine neuen Kraftwerke gebaut, der Ausstieg aber verzögert.

19.10.2023 – Es ist die umfassendste öffentliche Datenbank über die Kohlebranche weltweit. Die jährlich aktualisierte Global Coal Exit List (GCEL) umfasst mehr als 1.400 Unternehmen, die entlang der Kohlewertschöpfungskette tätig sind. Hinter der Erarbeitung und Pflege der GCEL stecken die deutsche Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald sowie 40 weitere NGO-Partner weltweit. Sie liefern ein detailliertes Bild von Energiekonzernen und ihren bestehenden Kohlekraftwerken und Kohleminen, aber auch neuen Kohleprojekten, sowie die dahinter liegenden Finanzströme.

„Unsere Daten liefern ein düsteres Gesamtbild“, sagt Heffa Schücking, Geschäftsführerin von urgewald. Denn von den exakt 1.433 Unternehmen der Kohlebranche, haben nur 71 Unternehmen Kohleausstiegsdaten gesetzt, so die Auswertung der NGOs, die der energiezukunft vorab vorlag. 577 Unternehmen entwickeln indes noch immer neue Kohlekapazitäten. Eine Entwicklung, die vor allem in asiatischen Ländern vorangetrieben wird. Von der Planung 516 Gigawatt zusätzlicher Kohlekraftwerkskapazitäten weltweit, sind zwei Drittel in China geplant.

China: Kohleenergie für die steigende Stromnachfrage

China ist zugleich mit Abstand führend beim Ausbau Erneuerbarer Energien – laut Prognosen der Internationalen Energieagentur wird die regenerative Kapazität allein in diesem Jahr um 170 Gigawatt steigen. Das ist fast die Hälfte der weltweit zugebauten Kapazitäten insgesamt. Bewahrheiten sich die Prognosen wird das Land am Ende des Jahres 35,5 Prozent der globalen Erneuerbaren Kapazitäten auf sich vereinen. Auch bei den Arbeitsplätzen ist China mit 41 Prozent der weltweit Beschäftigten in der Erneuerbaren Branche führend.

Doch China hat zugleich mit den Folgen der Klimakrise – Dürre und Hitzewellen – zu kämpfen, was die Stromnachfrage in die Höhe treibt und nicht mehr durch Wasserkraft kompensiert werden kann. Daher fuhr das Land seine Pläne für neue Kohlekraftwerke 2022 wieder hoch. Acht der zehn weltweit führenden Kohlekraftwerksentwickler sind chinesische Energiekonzerne. Nach China folgen weitere (teil)-asiatische Länder die den globalen Ausbau an Kohlekraftwerkskapazitäten vorantreiben: Indien (72 GW), Indonesien (21 GW), Vietnam (14 GW), Russland (12 GW) und Bangladesch (10 GW).   

Indien: Der Kohleminengigant

Beim Kohlebergbau indes ist Indien weltweit führend. Schon im vergangenen Jahr erreichte die Kohleproduktion in dem Land mit 893 Millionen Tonnen einen historischen Höchststand. Weltweit waren es 2022 über 7,2 Milliarden Tonnen – ebenfalls ein Allzeithoch. Während in anderen Ländern die Förderung von Kohle zurückgeht, will Indien bis 2030 auf den Abbau von 1,5 Milliarden Tonnen Kohle jährlich kommen, so die Analysten der GCEL. Seit 2020 wurden dafür 92 neue Kohleabbaukonzessionen versteigert.

Joe Athialy, Direktor der gemeinnützigen Organisation Centre for Financial Accountability in Delhi, kritisiert: „Was hier versteigert wird, ist die traditionelle Heimat von Hunderttausenden indischen Stammesangehörigen sowie Waldgebiete, die unglaublich reich an Biodiversität sind und eine Schlüsselrolle bei der Aufrechterhaltung des Wasserkreislaufs spielen.“ Eine Zerstörung von Landschaften, die indische Kohleunternehmen auch im Ausland vorantreiben. Ganz vorne dabei die Adani Group, die dem indischen Milliardär Gautam Adani gehört und der enge Beziehungen zur Regierung unterhält.

In Australien etwa eröffnete die Adani Group 2021 die Carmichael Coal Mine. Vorangegangen war eine erhebliche Einflussnahme in Politik und Gesellschaft, um für den Bau der Kohlemine zu werben – mit Erfolg. Dabei wurden für die Mine auch in Australien weitläufige Naturlandschaften zerstört und extreme Schadstoffemissionen in Kauf genommen. Mit seinen Mehrheitsbeteiligungen an von ihm gegründeten Firmen, wie Adani Power, Adani Transmission und Adani Ports and Special Economic Zone, verursacht Audani CO2-Emissionen von fast 30 Millionen Tonnen jährlich, so eine Studie von Oxfam. So viel, wie kein anderer Investor auf der Welt.

Investoren: so gar nicht grün

Und trotzdem konnte Adani über grüne Anleihen problemlos Geld beschaffen, wie urgewald kritisiert. Adani-Tochtergesellschaften, wie Adani Green Energy, sind Auswertungen des US-amerikanischem Investment-Research-Unternehmen Hindenburg-Research zufolge in hunderten vermeintlich nachhaltigen ESG-Fonds zu finden. Adani Green Energy investiert vordergründig in Erneuerbare Energien, doch Hindenbrug Research konnte eine Vielzahl von Finanztransfers innerhalb der Adani Gruppe nachweisen, darunter auch Transaktionen zwischen Adani Green Energy und Adani-Töchtern, die am Kohleausbau beteiligt sind. Laut State Bank of India wurden Aktien von Adani Green Energy und anderen Tochtergesellschaften als Kreditsicherheiten für die Carmichael-Kohlemine verwendet.

Adani ist auch in ESG-Fonds des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock zu finden. Insgesamt ist BlackRock mit rund 930 Millionen US-Dollar einer der größten Investoren in die Adani Gruppe. BlackRock ist zudem mit 1,68 Milliarden US-Dollar größter institutioneller Investor in chinesische Energiekonzerne. Insgesamt machen 96 US-Investoren 26 Prozent der institutionellen Investoren aus, die in die führenden chinesischen Kohlekraftwerksentwickler investieren.

„BlackRock hat zwar seit 2020 eine Kohlepolicy. Diese bezieht sich jedoch nur auf Kohlebergbaufirmen und so ist BlackRock selbst weiterhin in die größten chinesischen Kohleverstromer investiert“, sagt Schücking auf Nachfrage der energiezukunft. Dabei soll gerade BlackRock in den kommenden Jahren wichtiger privater Investor der Weltbank werden, um die Bekämpfung von Armut und Klimakrise gleichermaßen anzugehen.

„Die Weltbank macht hier den Bock zum Gärtner, wenn sie ausgerechnet Larry Fink, den BlackRock CEO, einlädt sie bei der Umsetzung neuer Klima- und Armutsbekämpfungsprogramme zu beraten. Mit seinen immensen Kohleinvestitionen trägt BlackRock mehr zum Klimawandel bei als fast jedes andere Finanzinstitut“, so Schücking. Laut urgewald belaufen sich die Gesamtkohleinvestitionen von BlackRock global auf 84,7 Milliarden US-Dollar. Damit ist BlackRock aktuell der zweitgrößte institutionelle Investor in die weltweite Kohleindustrie.

USA und Deutschland: Kohleausstieg verschleppt

Im Heimatland des Vermögensverwalters, den USA, werden zwar keine neuen Kohlekraftwerkskapazitäten errichtet, doch einen gesetzlich festgelegten Kohleausstieg gibt es nicht. Der Energiekonzern Berkshire Hathaway Energy will seine 14 Kohlekraftwerke in den USA erst 2049 stilllegen. Doch um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten, muss der Kohleausstieg in den OECD-Ländern bis 2030 und im Rest der Welt bis 2040 erfolgen, so urgewald.

In Deutschland gilt ein festgelegtes Ausstiegsdatum von 2038. Nach RWE kündigte inzwischen auch die Muttergesellschaft der ostdeutschen LEAG, die EPH an, bis 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen. Doch laut urgewald gebe die EPH damit nur ihre Verantwortung für die betroffenen Gemeinden und die Umwelt ab. In einer neuen Schwestergesellschaft sollen die Kohlekraftwerke noch bis 2038 weiterlaufen. Und auch RWE bleibe ein fossiles Unternehmen, kritisiert Schücking. Der Energiekonzern will neue Gaskraftwerke mit einer Kapazität von rund 3 GW bauen. Und RWEs holländischen Kohlekraftwerke sollen künftig auf Biomasse umgestellt werden, was wieder zu Emissionen und der Zerstörung von Waldgebieten führt.

Es bleibe die Notwendigkeit nicht nur Regierungen, sondern auch die Finanzindustrie zum Ausstieg aus der Kohle und anderen fossilen Energien aufzufordern, so Schücking gegenüber der energiezukunft. „Solange Banken, Versicherungen und Investoren der fossilen Industrie nicht den Rücken kehren, wird sie weitermachen wie bisher.“  Manuel Grisard


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