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IPCC-BerichtÜber 3 Milliarden Menschen sind bedroht

Viele Menschen in einem baufälligen Boot
Schon jetzt sorgt die Klimakrise für Millionen Flüchtlinge, die sich zum Teil auf die gefährliche Route über das Mittelmeer nach Europa begeben. Wenn Europa und andere Industriestaaten nicht deutlich mehr Geld für Klimaschutz und Anpassung für den Globalen Süden bereitstellen, drohen die Flüchtlingsbewegungen in die Milliarden zu gehen. (Bild: Gerd Altmann, pixabay, Public Domain)

Der Lebensraum von weit über drei Milliarden Menschen ist durch die Klimakrise bedroht. So steht es im neuen IPCC-Bericht. Damit es nicht zu gewaltigen Flüchtlingsströmen kommt, sind Milliardeninvestitionen in Klimaschutz und Anpassung nötig.

01.03.2022 – Die Klima- und Biodiversitätskrise sowie gesellschaftliche Krisen müssen deutlicher als bislang zusammengedacht und angegangen werden. Dies macht der zweite Teil des sechsten Sachstandberichts des Weltklimarats deutlich, der gestern veröffentlicht wurde. Das IPCC – das Intergovernmental Panel on Climate Change – ist der Klimaausschuss der Vereinten Nationen, in dem führende Wissenschaftler:innen den jeweils aktuellen Sachstand zur Globalen Erwärmung und dessen Auswirkungen zusammenfassen. Der gestern veröffentlichte Bericht der Arbeitsgruppe II beschäftigt sich mit den Folgen des Klimawandels auf Ökosysteme und Menschen und zeigt zugleich Handlungsoptionen auf, den Gefahren entgegenzuwirken.

Um 1,1 Grad hat sich die Erde bislang erwärmt. In manchen Regionen bereits deutlich stärker als in anderen. Und in vielen Regionen sind die Auswirkungen der Klimakrise bereits deutlich schlimmer als anderswo. Zwar gab es auch in Deutschland bereits verheerende Fluten und Hitzewellen, doch so verheerend wie in vielen Regionen des Globalen Südens in Afrika, Asien und Lateinamerika sind die Folgen noch nicht. 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen leben laut dem IPCC-Bericht bereits in Regionen, die über ihre Anpassungsfähigkeit hinaus belastet wurden.

„Menschen mit geringem ökonomischem Spielraum leben häufig in einer besonders geschädigten Umwelt, die weiterhin stark vom Klimawandel betroffen ist“, bringt es Achim Schlüter, Professor für soziale Systeme und ökologische Ökonomie an der Jakobs Universität Bremen, nach Ansicht des neuen Berichts auf den Punkt.

Stärker als in früheren Berichten angenommen

Matthias Garschagen, Professor für Anthropogeographie an Ludwig-Maximilians-Universität München, ist einer der Leitautoren des Berichts mit Fokus auf die Schlüsselrisiken. Er macht deutlich: „Auswirkungen und Risiken des Klimawandels sind stärker und treten früher zutage als in früheren Berichten angenommen.“ Zu den zunehmenden Risiken zählt er unter anderem die erwartete Zunahme an Hitzetoten sowie der Anstieg der Schäden durch Stürme und Hochwasser. Kleinere Inselstaaten könnten unbewohnbar werden. Zudem wird der Anbau von Nahrungsmitteln in vielen Regionen immer schwieriger bis unmöglich durch Dürre und Überschwemmungen. Auch das fördert Fluchtbewegungen erheblich.

„Die Auswirkungen werden in vielen Bereichen von Wasser getrieben: Zu viel Wasser, zu wenig Wasser, zu viel zu einem schlechten Zeitpunkt, nicht sauberes Wasser“, sagt Daniela Schmidt, Professorin für Paläobiologie an der University Bristol und ebenfalls Leitautorin des IPCC-Berichts. In vielen Fällen könne man aber aktiv etwas tun, um negative Auswirkungen zu vermeiden oder wenigstens abzumildern, macht Schmidt Hoffnung.

Im Bericht der Arbeitsgruppe zwei des Weltklimarats werden auch erstmals eingehend bereits erfolgte Anpassungsmaßnahmen an die Klimakrise untersucht. Es sei zwar ein Fortschritt bei der Anpassungsplanung und -umsetzung zu beobachten, aber dieser sei, wie die Auswirkungen der Klimakrise, sehr ungleichmäßig verteilt und es gebe erhebliche Anpassungslücken. Wie zu erwarten, ist dies vor allem in Ländern des Globalen Südens der Fall. Darüber hinaus würden fast überall Anpassungsmaßnahmen nur unmittelbare Klimarisiken minimieren und zu wenig langfristige Maßnahmen in den Blick genommen werden.

Städtische Klimaresilienz

Vor allem Städte könnten die entscheidende Rolle spielen, eine klimaresiliente Entwicklung voranzutreiben, arbeiten die Autor:innen des Sachstandsberichts heraus. Ein ausgeklügeltes Wassermanagement etwa – Stichwort Schwammstadt – mehr Stadtgrün und weniger motorisierter Individualverkehr helfen, eine Stadt spürbar abzukühlen und weiterhin bewohnbar zu machen. Eine klimaresiliente Entwicklung in städtischen Räumen unterstütze auch die Anpassungsfähigkeit in ländlicheren Gebieten durch die Aufrechterhaltung von stadtnahen Versorgungsketten für Waren und Dienstleistungen sowie Finanzströmen, schreiben die Autor:innen.

„Noch gibt es Möglichkeiten, wie wir uns anpassen können. Diese Möglichkeiten werden geringer werden, je wärmer es wird“, warnt Daniela Schmidt. Die nicht mehr aufzuhaltende Erwärmung der Erde auf 1,5 Grad wird bereits vielfältige Klimagefahren verursachen. Zugleich würde eine entsprechende Begrenzung der Erderwärmung weitere Verluste und Schäden erheblich verringern. Der Ausbau Erneuerbarer und Abbau fossiler Energien ist dabei elementar. Die Ukraine-Krise scheint den Ausbau in Deutschland und Europa noch einmal zu beschleunigen. Wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ankündigte, werde man den Ausbau Erneuerbarer Energien für die Stromversorgung vorantreiben. Bis 2035 soll es nun eine Vollversorgung mit Ökostrom geben.

Doch Klimaschutz und Anpassung an klimatische Veränderungen allein in Deutschland und Europa reichen eben nicht, wie der Weltklimarat und viele weitere mahnen. 100 Milliarden US-Dollar jährlich haben die Industriestaaten Entwicklungs- und Schwellenländern versprochen. Ab diesem Jahr soll dieses Niveau endlich erreicht werden. Dabei fließt deutlich mehr Geld – bis zu 95 Prozent der Hilfen – in Klimaschutzmaßnahem, wie den Ausbau Erneuerbarer Energien, da dies oftmals lukrativer ist. Für Gelder zur Anpassung an die Klimakrise steht zu wenig zur Verfügung und müsste nach Ansicht von Expert:innen mindestens verdoppelt werden. mf


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