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Klimakrise MadagaskarKlimabedingte Hungersnot spitzt sich zu

Mensch auf Madagaskar überquert ein ausgedörrtes Feld
Auf Madagaskar wäre jetzt die Jahreszeit, die Felder zu bestellen. Doch es mangelt an Wasser. Bald könnte hier gar nichts mehr wachsen, wenn die Klimakrise nicht gestoppt wird. (Foto: Jules Bosco, Salohi, USAID / Pixnio / Free License)

Eine Million Menschen auf Madagaskar könnten laut Amnesty International von der ersten klimabedingten Hungersnot betroffen sein. Damit bekommen jene, die an der Verursachung des Klimawandels am geringsten beteiligt sind, ihn am härtesten zu spüren.

30.10.2021 – Dürren und Hungernöte sind auf Madagaskar kein neues Phänomen. Doch nun erlebt der Süden des Inselstaats vor der ostafrikanischen Küste die schwerste Dürre seit 40 Jahren. Es gebe bereits Hungertote aufgrund der anhaltenden Trockenheit, berichtet die Menschenrechtsorganisation Amnesty International und warnt in einem aktuellen Bericht vor der ersten klimabedingten Hungersnot. Nach Einschätzung des Welternährungsprogramms sind hunderttausendeMenschen vom Hungertod bedroht.

Bereits seit sechs Jahren gibt es zu wenige Niederschläge im Süden des Inselstaates. Und während ab morgen im schottischen Glasgow die Klimakonferenz COP26 tagt und um neue Klimaziele und CO2-Einsparung pokert, gehen auch die Vereinten Nationen davon aus, dass die Hunger-Katastrophe in Madagaskar eine direkte Folge des menschengemachten Klimawandels ist.

Ein großer Teil der Menschen im Süden Madagaskars leben von Ackerbau, Viehzucht oder auch Fischfang. Aufgrund des langanhaltenden Wassermangels kommt es nun zu massiven Ernteausfällen. Und das ist kein vorübergehendes Phänomen – Dürreperioden nehmen zu.

Um zu überleben, müssten viele ihre Heimat verlassen – und fallen in noch extremere Armut. Über 90 Prozent leben dort laut Amnesty ohnehin unterhalb der Armutsgrenze – fast ein Drittel der madagassischen Bevölkerung sei bereits unterernährt. Hilfsorganisationen vor Ort berichten, dass viele unterernährte Kinder mit zusätzlichen Nährstoffen versorgt werden müssten, um zu überleben.

Verletzung der Menschenrechte

Die katastrophale Dürre verletze Menschenrechte auf Leben, Nahrung und Wasser, mahnte Amnesty-Klima-Expertin Annelen Micus. Über eine Million Menschen wären akut vom Hunger bedroht. Wissenschaftliche Untersuchungen machten deutlich, dass sich die klimatische Situation nicht entschärfen werde. Im Gegenteil werden mit der zunehmenden Erderwärmung auch die Temperaturen im südlichen Landesteil weiter steigen – und Regen zunehmend ausbleiben.

Kurzfristig helfen reicht nicht, es braucht dauerhafte Strategien

Um die verheerende Situation abzufedern, fordert Amnesty die internationale Gemeinschaft auf, die humanitären Hilfsmaßnahmen zu verstärken – mit einer dauerhaften Nahrungsmittel-Nothilfe, zudem müsse unbedingt Zugang zu sauberem Wasser ermöglicht werden.

Die Hilfsorganisationen vor Ort stehen vor einer großen logistischen Herausforderung, denn das Gebiet ist dünn besiedelt, die Dörfer liegen weit auseinander und die Straßen sind meist unbefestigte Erdpisten, so dass es lange braucht, bis Hilfsgüter verteilt werden können.

Auf lange Sicht reicht die Hilfe ohnehin nicht aus – den Menschen müsse auch geholfen werden, mit den Auswirkungen des Klimawandels umzugehen, so Kenneth Bowen, Leiter des Büros der Deutschen Welthungerhilfe in Madagaskars Hauptstadt Antananarivo. Dazu gehörten vor allem Wasserprojekte, denn davon hängt die Sicherstellung der Ernährung aus der Landwirtschaft ab.

Appell an die Industriestaaten für mehr Klimagerechtigkeit

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty appelliert gleichzeitig an die Industriestaaten, die globale Klimakrise stärker zu bekämpfen, um weiteren Rechtsverletzungen vorzubeugen. Auf der tagenden UN-Klimakonferenz im schottischen Glasgow müssten ehrgeizigere Ziele zur Reduktion der Emissionen beschlossen werden, fordert Amnesty, die mit den Menschenrechten vereinbar seien. Der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen in einem gesetzten Zeitraum müsste nun verpflichtend werden.

Länder wie Madagaskar und viele weitere Staaten insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent, die unter den Folgen des Klimawandels massiv leiden, müssten angemessen unterstützt werden. Den Menschen, die durch die Folgen der Klimakrise geschädigt würden, müsse ein Recht auf Information und Beteiligung an klimarelevanten Entscheidungen garantiert werden, so Amnesty.

Menschen sterben an akutem Hunger – und das nicht wegen eines Krieges, sondern wegen des menschenverursachten Klimawandels, kommentierte David Beasley, Exekutivdirektor des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen, die erschreckende Situation. Dabei habe diese Region nichts zur Erderwärmung beigetragen, zahle aber den bittersten Preis. Er rief die verantwortlichen Staaten und die internationale Gemeinschaft zu raschen Millionen-Spenden auf.

Korruption versus Klimaschutz

Madagaskar stand bis 1960 unter französischer Kolonialherrschaft. Besser wurde es danach kaum für den Großteil der Bevölkerung, eine korrupte Regierung folgte der nächsten. Wirtschaftlich gesehen steckt das Land seit Jahrzehnten in einer Krise. Ein Großteil der Bevölkerung lebt in Armut.

Madagaskar ist dabei – insgesamt gesehen und regional unterschiedlich – geprägt von reichhaltigen Bodenschätzen, einer großen Artenvielfalt und Biodiversität. Diese ist seit langem bedroht, Tier- und Pflanzenarten verschwinden, resultierend aus der zunehmenden Rinderhaltung und vor allem durch Brandrodung tropischer Wälder. Wiederaufforstungsprogramme über die letzten Jahrzehnte werden von illegalem Holzschlag konterkariert.

In der madagassischen Verfassung ist Umweltschutz zwar als Staatsziel festgeschrieben. Es gibt offizielle Naturschutzgebiete in Madagaskar, doch die Durchsetzung des Schutzstatus sei oft schwierig, berichten NGOs vor Ort. Holz aus illegalem Holzschlag landet NGO-Recherchen zufolge auf dem internationalen Markt.

Biodiversität stark gefährdet

Auch Madagaskar war einst zu rund 90 Prozent bewaldet, davon sind etwa zehn Prozent erhalten. Rund 60 Prozent der tropischen Regenwälder wurden bereits in Savannen bzw. Sekundärwälder verwandelt. Madagaskar gilt heute auch als Biodiversitäts-Hotspot – so werden Regionen, mit großer Reichhaltigkeit an endemischen Tier- und Pflanzenarten bezeichnet, die in hohem Maß vom Aussterben bedroht sind – vor allem durch vom Menschen verursachte Klimawandel-Folgen.

Geringer Energieverbrauch wegen mangelnder Infrastruktur und Armut

Die Fläche Madagaskars ist etwa 1,6 Mal so groß wie Deutschland, rund 27 Millionen Menschen leben auf der Insel – meist weit verstreut. Rund 63 Prozent der Bevölkerung Madagaskars leben noch auf dem Land. Der CO2-Ausstoß pro Einwohner lag laut Länderdaten.info in Madagaskar im Jahr 2018 bei 0,13 Tonnen, in Europa bei 0,60 Tonnen pro Einwohner. Der jährliche Stromverbrauch eines durchschnittlichen Madegassen ist mit 57 kWh sehr gering: Das liegt auch daran, dass in weiten Teilen des Landes die Haushalte nicht elektrifiziert sind.

Der Energiemarkt in Madagaskar sei zwar teil-liberalisiert, berichtet die Deutsche Industrie- und Handelskammer für das südliche Afrika, dafür aber wenig entwickelt. Ein zusammenhängendes nationales Stromnetz gibt es nicht, so dass weniger als 18 Prozent der ländlichen Bevölkerung Zugang zu Elektrizität hätten. Auf die Gesamtbevölkerung gesehen hätten auch nur ca. 23 Prozent Zugang zu elektrischem Strom.

Die Stromerzeugung basiere vornehmlich auf Wasserkraftwerken- und Dieselgeneratoren In Regionen ohne Stromzugang werde in der Regel Holz und Holzkohle zum Kochen und Kerosinlampen zur Beleuchtung genutzt.

Im September 2015 wurde ein Weißbuch zur neuen Energiepolitik (La Nouvelle Politique de l’Energie, NPE) herausgegeben, heißt es im Bericht der Deutschen Industrie- und Handelskammer für das südliche Afrika, mit dem Ziel der Elektrifizierung von 70 Prozent der Bevölkerung bis zum Jahr 2030. Dies solle durch die „Nutzung verschiedener Technologien und der Bildung von öffentlich-privaten Partnerschaften“ erreicht werden. na


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Kommentare

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Swoboda 30.10.2021, 13:06:37

ganz unschuldig sind sie nicht. Die Korruption ist masslos und hat den Weg zur Fast kompletten Abholzung des Regenwaldes geebnet. Die durchschnittlich 6 Kinder einer Frau waren früher richtig. Durch die Entwicklungshilfeinduustrie heute aber überholt, da die Sterblichkeit stark zurückgegangen ist, kam es zu einer Bevölkerungsexplosion. Die Entwicklungshilfe hat schwere Fehler hier gemacht. Das schlimmste ist aber dass tausende endemische Tierarten die sich fast 200 Millionen Jahre unbeschwert entwickelt hatten vor dem Aussterben stehen. Innerhalb von ca. 100 Jahren hat der Mensch dies geschafft.


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