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Klimaklage





Klimapolitischer JahresausblickWas im Jahr 2021 wichtig wird

Ein Weg an einem Feld entlang. Im Hintergrund stehen Windräder. Es ist Frühling.
Ein steiniger Weg steht 2021 für den Klimaschutz bevor. Doch es gibt Erfolgsaussichten. (Foto: Barbara Horn on Unsplash)

Nacharbeiten am EEG 2021, Kohleausstieg, Bundestagswahl, Europäischer Green Deal und die mögliche Rückkehr der USA zum Pariser Klimaabkommen. 2021 wird für den globalen Klimaschutz ein wichtiges Jahr. Eine Jahresvorschau.

04.01.2021 – Seit ein paar Tagen wird in Deutschland weniger CO2 ausgestoßen, der Kohleausstieg hat seine ersten „Opfer“ gefordert. Elf Steinkohlekraftwerke dürfen seit dem ersten Januar nicht mehr ihre Energie am Strommarkt verkaufen und wechseln in die Sicherheitsbereitschaft, bevor sie voraussichtlich ab Mitte des Jahres stillgelegt werden. Auch der erste Kraftwerksblock für Braunkohle ging am 31.12. vom Netz. Die Betreiber von Kohlemeilern erhalten dafür Entschädigungen, die umstritten sind. Denn die Verstromung von Kohle rentiert sich nicht mehr. Bei der ersten Auktion zur Stilllegung von Steinkohlekraftwerken im vergangenen Jahr, hätten am liebsten noch deutlich mehr Betreiber ihre unrentablen Kohlemeiler abgeschaltet. Mit Spannung wird die nächste Auktion erwartet, bei der Betreiber bis heute ihre Angebote abgeben können.

Klar ist bereits, dass bis Ende 2021 sechs weitere Kraftwerksblöcke zur Braunkohleverstromung im Rheinland stillgelegt werden sollen. Auf die Planungen für den Tagebau Garzweiler hat das jedoch keinen Einfluss. Sechs Dörfer sollen für den Kohleabbau bis 2028 noch vernichtet werden. Die Bundesregierung folgt damit offensichtlich den wirtschaftlichen Interessen RWEs. Anwohner und Unterstützer werden sich auch in diesem Jahr mit Protesten, Aktionen des zivilen Ungehorsams und vor Gericht der Vernichtung der Dörfer entgegenstellen.

In den letzten Zügen

Während der Kohleausstieg noch ein paar Jahre – um nicht zu sagen Jahrzehnte – dauern dürfte, sieht es bei der Atomkraft ganz anders aus. Zumindest in Deutschland. Bis zum Ende des nächsten Jahres werden alle Kernkraftwerke abgeschaltet, in Laufe dieses Jahres immerhin schon drei. So erreichen die Atomkraftwerke Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C zum 31. Dezember 2021 ihr planmäßiges Laufzeitende.

CO2 bekommt einen Preis

In diesem Jahr wird in Deutschland außerdem eine CO2-Bepreisung für die Bereiche Wärme und Verkehr eingeführt. Damit erhält der Ausstoß von Treibhausgasen beim Autofahren und Heizen über einen nationalen CO2-Emissionshandel einen Preis. Getragen wird dieser von Unternehmen, die Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel in den Markt bringen. Sie müssen Emissionsrechte erwerben, die nach der Einführungsphase per Auktion ersteigert werden können.

Der CO2-Preis wird zunächst auf 25 Euro pro Tonne festgelegt und soll dann schrittaufweise auf bis zu 55 Euro pro Tonne bis zum Jahr 2025 steigen. Die Gesamtmenge an Zertifikaten wird entsprechend der Klimaziele begrenzt, sodass sich der Preis am Markt durch Angebot und Nachfrage bilden kann. Doch Kritiker bemängeln die fehlende soziale Komponente bei der CO2-Bepreisung. Geringverdienende könnten, etwa durch steigende Heizkosten, übermäßig belastet werden. Hier müsste die Politik nacharbeiten.

Nacharbeiten zum EEG 2021

Sicher ist, dass 2021 Nacharbeiten zum EEG anstehen, weil die große Koalition sich bei einer ganzen Reihe von Punkten nicht auf einen gemeinsamen Nenner einigen konnte. Das wohl wichtigste Vorhaben ist die Anpassung der Ausbauziele für Erneuerbare Energien. Sie sollen spürbar und verlässlich angehoben werden.

Die Ausschreibungsvolumen der einzelnen Erneuerbare-Energien-Technologien für das Jahr 2021 werden von der Bundesnetzagentur erst in den nächsten Wochen bekanntgegeben. Aufgrund der späten Verabschiedung des EEG 2021 werden die Mengen derzeit angepasst. Jedoch sollen bis 2030 mindestens 100 Gigawatt Photovoltaik, 71 Gigawatt Windkraft und 8,4 Gigawatt Biomasse gebaut werden und mindestens 65 Prozent des Strombedarfs decken.

Aber auch zahlreiche Maßnahmen für mehr Schwung beim Windkraftausbau gilt es endlich anzupacken. Dazu gehören praxistaugliche Konzepte für mehr Repowering, ein bundeseinheitlicher Umgang mit dem Artenschutz und Veränderungen im Bauplanungs- und Raumordnungsrecht.

Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Stärkung der Bürgerenergie. Er kam eindeutig zu kurz bei der EEG-Novelle. Insbesondere Anreize für Bürgerstromtarife für Anwohner von Windkraftanlagen stehen auf der To-do-Liste.

Eine immens wichtige Wahl

Die Bundestagswahl wirft ihre Schatten voraus und könnte für den Klimaschutz im positiven Sinne eine Zäsur darstellen. Während das Thema in der Bevölkerung immer wichtiger wurde, legte die Große Koalition in der bisherigen Legislaturperiode lediglich Minimalkompromisse vor, die die Klimaziele in Gefahr brachten. Doch eine Große Koalition aus CDU/CSU und SPD wird es wohl nicht mehr geben. Schon nach der letzten Wahl war es ein Zweckbündnis.

Mit den erstarkenden Grünen gerät eine Koalition von Union und Bündnis 90/die Grünen ins Blickfeld. Die Grünen zeigen mit Gesetzentwürfen seit Monaten, wie sie Energie und Industrie nachhaltig umbauen, die Windenergie und den Naturschutz miteinander versöhnen und die Bahn reformieren würden. Mit vielen Stimmen bei der nächsten Bundestagswahl könnten sie für den Klimaschutz einiges bewirken.

Doch vor allem das Beispiel Hessen zeigt, dass die Grünen in einer Koalition mit der CDU Gefahr laufen, ihre Prinzipien über Bord zu werfen. Dort tragen die Grünen und ihr Verkehrsminister Tarek Al-Wazir den Weiterbau der A49 durch den Dannenröder Wald mit. Auch wenn aktuelle Umfragewerte eine Koalition  aus Linkspartei, SPD und Grüne in weiter Ferne sehen, wäre mit einem solchen Bündnis noch weitaus mehr für den Klimaschutz möglich. Die Linke setzte sich jüngst verstärkt für Klimagerechtigkeit ein und auch die SPD ist zu mehr bereit, als es das aktuelle Bündnis mit der CDU zulässt .

Priorität Klimaschutz

In den USA wurde bereits ein neuer Präsident gewählt. Joe Biden will den Klimaschutz zur Priorität des Regierungshandelns der Vereinigten Staaten machen und damit eine 180 Grad Kehrtwende zu seinem Amtsvorgänger Donald Trump vollziehen. In das Pariser Klimaabkommen will er so schnell wie möglich wieder eintreten und in den USA selbst viel Geld für eine sozial-ökologische Transformation investieren. Es wartet eine Menge Arbeit auf Biden, die er nicht allein bewältigen kann und will. Ein ambitioniertes Team soll ihn dabei unterstützen. Doch dieses Team gilt es erst einmal durch den Senat bestätigen zu lassen.

Und da wird es noch einmal spannend. Morgen finden zwei Stichwahlen in Georgia um die zwei letzten freien Plätze im Senat statt. Gewinnen die Demokraten beide Sitze, haben sie eine Mehrheit im Senat, was der Bestätigung der nominierten Minister sowie den gesamten klimapolitischen Ambitionen des Biden Teams helfen würde. Verlieren die Demokraten nur eine der Stichwahlen, könnten die Republikaner Klima- und Umweltschutz an vielen Stellen blockieren.

Klimaschutz vor Gericht

Gerichte könnten in diesem Jahr eine entscheidende Rolle für den Klimaschutz spielen. Menschen aus den vom Tagebau Garzweiler bedrohten Dörfern haben Verfassungsbeschwerde gegen das Kohleausstiegsgesetz eingelegt. Darüber hinaus versuchen Tagebaubetroffene in einem weiteren Verfahren einen Präzedenzfall zu schaffen. Sie kauften zusammen ein Grundstück am Grubenrand von Garzweiler. Will RWE dort Kohle abbauen, müssten sie ein Enteignungsverfahren einleiten, indem geklärt werden müsste, ob der Kohleabbau noch dem Allgemeinwohl dient. Da die Kohlebagger schon gefährlich nah sind, hoffen die Betroffenen auf schnelle Verfahren.

Auch auf europäischer Ebene ist Deutschland angeklagt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gab einer Klage von sechs Kindern und Jugendlichen aus Portugal statt, die allen EU-Staaten sowie weiteren Ländern vorwerfen nicht genug gegen die Klimakrise zu tun und damit mitverantwortlich für Waldbrände in ihrer Heimat zu sein. Aufgrund der Dringlichkeit der Klimakrise ließ der Gerichtshof die Klage zu.

Neben Staaten müssen sich auch Unternehmen vor Gericht für die Klimakrise verantworten. Seit 2017 etwa ist RWE angeklagt, mitverantwortlich für die Zerstörung des Lebensraums eines peruanischen Bauern zu sein. Nachdem er im letzten Jahr coronabedingt nicht stattfand, könnte in diesem Jahr ein Vor-Ort-Termin in den peruanischen Anden neue Erkenntnisse für die Richter bringen und den Prozess insgesamt voranbringen.

Eine entscheidende Klimakonferenz

Coronabedingt fiel im vergangenen Jahr auch die 26. Klimakonferenz in Glasgow aus und soll nun im November 2021 nachgeholt werden. Dabei wird die Verbindlichkeit beim Klimaschutz eine wichtige Rolle spielen. So soll der konkrete Finanzbedarf in ärmeren Ländern für Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel ausgehandelt und beschlossen werden. Die Länder sind darüber hinaus verpflichtet, in Glasgow Nachbesserungen der eigenen Klimapläne zur Erreichung der Pariser Klimaziele vorzulegen.. Schließlich geht es auch darum, eine Einigung über einen Marktmechanismus zu erzielen, der Regeln für den Handel mit Emissionsrechten festlegt. Die Verhandlungen dazu waren bei der letzten Konferenz gescheitert.

Europa muss liefern

Kurz vor Jahresende haben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Anhebung des europäischen Klimaziels beschlossen. 55 statt 40 Prozent Treibhausgase sollen bis 2030 gegenüber 1990 eingespart werden. Doch noch muss das EU-Parlament dem zustimmen. Und das hatte zuvor bereits Vorschläge gemacht, die Treibhausgasemissionen um 60 Prozent zu senken. Darüber hinaus wird es in der EU in den kommenden Monaten darum gehen, wie die Reduktion der Emissionen erreicht werden kann.

Vorschläge wie das Verbot von fossilen Subventionen, der Fokus auf die CO2-Bepreisung und der Ausschluss von Fördermitteln für neue Öl- und Erdgasprojekte liegen auf dem Tisch. Nun gilt es Gesetze und Normen zu fassen und den Ausbau Erneuerbarer Energien so voranzutreiben, dass die EU ihre selbstgesteckten Klimaziele erreicht. Auch beim Wasserstoff bleibt es spannend. Wird die EU weiter Schlupflöcher zulassen, die die Herstellung von Wasserstoff noch viele Jahre durch Erdgas oder sogar Atomkraft möglich macht?

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Verkehrswende. Die kommende EU-Ratspräsidentschaft vertreten durch Portugal will sich für die Stärkung des Schienenverkehrs einsetzen. Die Taktfahrpläne der europäischen Bahnen sollen synchronisiert und mit dem Trans-Europ-Express 2.0 als Flaggschiff durchgehende Zugverbindungen geschaffen werden.

Nicole Allé, Petra Franke, Manuel Först, Joschua Katz

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