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Europäische UnionDie EU braucht ein klares Konzept für den Klimaschutz

Blick in den Tagungsort des Rates der Europäischen Union, mit Stühlen an einer runden Tischfront
Unter Wahrung der Abstandsregeln treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union heute und Morgen in Brüssel. (Foto: Tauno Tõhk (EU2017EE) / flickr, CC BY 2.0)

Im Rahmen des heute beginnenden EU-Gipfels kritisieren Experten den bisherigen Klimafahrplan Europas. Der aktuell bunte Mix aus Instrumenten sei nicht zielführend. Zur Diskussion stehen andere Szenarien, die alles auf eine Karte setzen.

10.12.2020 – Im Oktober konnten sich die EU-Mitgliedsstaaten nicht auf einen Fahrplan für die künftige Klimapolitik Europas einigen. Nun sollen die Staats- und Regierungschefs der Länder beim heute beginnenden EU-Gipfel zu einer Einigung kommen – unter Vorsitz der deutschen Ratspräsidentschaft. Das EU-Parlament fordert bis 2030 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 60 Prozent gegenüber 1990. Bislang gilt ein Reduktionsziel von 40 Prozent. Deutschland, die EU-Kommission und weitere Staaten sehen eine Minderung der Treibhausgasemissionen von 55 Prozent als mach- und durchsetzbar an.

Doch Ziele allein reichen nicht aus. Um diese zu erreichen, braucht es klare Konzepte. Bislang setzt die Europäische Union auf einen bunten Instrumentenmix, wie dem Emissionshandel für Energie und Industrie sowie Zielvorgaben für Europa und die Mitgliedsstaaten hinsichtlich Ausbau Erneuerbarer Energien, der Energieeffizienz und Treibhausgasminderungen. Doch bei den Zielvorgaben fehlt es aktuell an wirkungsvollen Sanktionsmechanismen, wenn Mitgliedsstaaten die Ziele nicht einhalten.

Das Regulierungs-Szenario

In einem von drei Szenarien schlägt die EU-Kommission vor, künftig Maßnahmen bei Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien zu intensivieren. Michèle Knodt von der TU Darmstadt schätzt, dass dieses Regulierungs-Szenario langfristig Wirkung zeigen könnte. „Voraussetzung ist aber, dass die bisherigen Durchsetzungsmechanismen der EU-Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten, etwa durch Sanktionsmechanismen, verschärft werden“, so Knodt weiter. Knodt ist Mitglied des Kopernikus-Projekts Ariadne, ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, die gemeinsam zur Energiewende forschen.

Alles auf CO2-Bepreisung

In einem weiteren Szenario macht die EU-Kommission den Vorschlag, den europäischen Emissionshandel stark auszuweiten. Schifffahrt, Gebäude und Verkehr würden dann ebenfalls im Emissionshandelssystem erfasst und der CO2-Preis insgesamt angehoben werden. Laut Einschätzung der Experten des Kopernikus-Projekts Ariadne müsste die Wirtschaft dann bereit sein gegebenenfalls sehr hohe CO2-Preise zu akzeptieren. „Diese Hürden ließen sich jedoch durch eine faire und sozial gerechte Ausgestaltung der CO2-Bepreisung überwinden“, so Ottmar Edenhofer Leiter des Projekts Ariadne und Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.

Ist die Akzeptanz über alle Wirtschaftszweige und Bevölkerungsgruppen hinweg da, sei diese allumfassende CO2-Bepreisung ein „schlüssiges kosteneffizientes Leitinstrument bei hoher Glaubwürdigkeit in der Zielerfüllung“, so Edenhofer weiter. Das Europäische Parlament fordert in seinem Vorschlag für ein neues Klimagesetz den Emissionshandel auch unter ein europäisches CO2-Budget zu fassen. So soll verbindlich festgelegt werden, wieviel Tonnen CO2 die EU bis 2050 noch ausstoßen darf, ohne das Pariser Klimaabkommen zu gefährden.

Weiter mit dem Instrumentenmix

In einem dritten Szenario schlägt die EU-Kommission vor an dem Instrumentenmix festzuhalten und die einzelnen Maßnahmen zu verschärfen. So sollen Gebäude und Verkehr in den ETS eingebunden werden und ansonsten die Ziele moderat angehoben werden. Die Experten des Kopernikus-Projekts Ariadne sehen hier die Gefahr, dass es weiterhin an Verbindlichkeiten fehlen könnte. So ein Politikmix könne nur funktionieren, wenn „die Zielerfüllung regelmäßig überprüft, fortentwickelt und sich an veränderte Rahmenbedingungen anpasst, etwa durch einen unabhängigen wissenschaftlichen Beirat.“

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Länder sind nun am Zug Ziele und Maßnahmen für den Klimaschutz anzuheben und zu konkretisieren. Michael Bloss, Abgeordneter der Grünen in Europa warnt: „Eine weitere Verzögerung gefährdet das Vorhaben des Green Deals insgesamt. Wenn es keine Einigung beim Klimaschutz gibt, wäre das ein Desaster für die deutsche Ratspräsidentschaft. Ohne Klimaziel macht sich die Europäische Union auf der internationalen Bühne zur Lachnummer.“

Doch allen voran die osteuropäischen Staaten Ungarn und Polen gefährden einen Erfolg der Verhandlungen. Die beiden Staaten hatten bereits im Oktober maßgeblich dazu beigetragen, dass Beschlüsse für ein neues Klimagesetz verschoben wurden. Mit dem neuen Klimaziel für 2030 wird auch der 1,8 Billionen schwere Haushalt der EU verhandelt, der unter anderem Aufbauhilfen in Folge der Corona-Krise beinhaltet. Die Aufbauhilfen sollen, wenn es nach der deutschen Ratspräsidentschaft geht, zu 30 Prozent in Klimaschutzmaßnahmen fließen.

Auch Polen und Ungarn könnten die Hilfen dringend gebrauchen. Doch verbunden mit den Hilfszahlungen sind bislang Auflagen für mehr Rechtstaatlichkeit, die die Regierungsverantwortlichen beider Länder wiederholt verletzen und eine unabhängige Justiz untergraben. Nach Informationen des Spiegel sind Polen und Ungarn nun auch Teil einer Staatengemeinschaft, die sich für ein Revival der Atomkraft einsetzen. Dies könnte ein weiteres Verhandlungsmittel sein, schärferen Klimazielen zu zustimmen. mf   


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