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TotalherbizidEU will Glyphosat für weitere zehn Jahre zulassen

Traktor bringt Ackergift aus
EU empfiehlt, Glyphosat für weitere zehn Jahre zuzulassen (Bild: Erich Westendarp / Pixabay).

Glyphosat gehört zu den umstrittensten Ackergiften weltweit. In der EU wird seit Jahren darum gerungen, ob das Totalherbizid weiter eingesetzt werden darf. Nun hat die EU-Kommission eine erneute Zulassung empfohlen.

25.09.2023 – Die EU-Kommission empfiehlt, Glyphosat für weitere zehn Jahre in Europa zuzulassen. Das umstrittene Totalherbizid gehört zu den weltweit am meisten eingesetzten Ackergiften. Nach derzeitigem Stand ist es noch bis Ende des Jahres in der EU zugelassen. Am 13. Oktober stimmen die Mitgliedstaaten darüber ab, ob es auch in Zukunft auf Äckern ausgebracht werden darf.

Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA hatte Glyphosat Anfang Juli als weitestgehend unbedenklich eingestuft. Die Bewertung der EFSA beruht auf einer Auswertung von rund 2400 Studien, 700 von ihnen aus öffentlicher Literatur. Der Antrag beinhaltet eine Reihe von Bedingungen für die fortgesetzte Nutzung. Zu diesen gehört, dass weiter beobachtet und geprüft werden soll, wie sich Glyphosat auf die menschliche Gesundheit sowie Ökosysteme auswirkt, im Besonderen auf das Grundwasser.

Vorsorgeprinzip ernst nehmen, Glyphosat ablehnen

Wissenschaftler und Umweltverbände kritisieren den Schritt als unverständlich und unangemessen. In mehreren europäischen Ländern wird die Wirkung von glyphosathaltigen Unkrautvernichtern auf Mensch und Umwelt kontrovers diskutiert. Bürger- und Umweltschutzorganisationen kämpfen für ein Verbot des Totalherbizids. Glyphosat steht im Verdacht, krebserregend zu sein, und wird immer wieder mit entsprechenden Fällen in Verbindung gebracht.

In der Begründung der EU-Kommission werde auf Wissenslücken bezüglich toxikologischer und ökotoxikologischer Endpunkte Bezug genommen, allerdings werde die Zulassung vor diesem Hintergrund als gerechtfertigt angesehen, erläutert Professor Rita Triebskorn, vom Institut für Evolution und Ökologie an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Dies sei fahrlässig und ignoriere die Masse an Studien, die die schädliche Wirkung von Glyphosat belegten.

„Langfristige Wirkungen der Präsenz von Glyphosat in Organismen sind bislang kaum erforscht, und das Fehlen wissenschaftlicher Daten hierzu darf unserer Meinung nach kein Grund für eine weitere Zulassung sein, sondern müsste vor dem Hintergrund des Vorsorgeprinzips dafürsprechen, dass die Substanz nicht länger eingesetzt werden dürfte“, so Triebskorn.

Ackergift nein danke

In der vergangenen Woche forderten Umweltverbände gemeinsam mit über 130 000 Bürgern ein Verbot des Totalherbizids. Die Entscheidung wird von vielen Verbänden als richtungsweisend für die Zukunft der Landwirtschaft angesehen.

„Nur, wenn die EU den Einsatz von Glyphosat endlich beendet, wird der lange überfällige Wandel hin zu einer Landwirtschaft möglich, die Menschen, Tiere und Umwelt schützt“, betont Christiane Huxdorff von Greenpeace Deutschland.

„Wenn die Mitgliedsstaaten der Kommissionsempfehlung folgen, wird es keinen Anreiz geben, vorhandene Alternativen einzusetzen“, warnt auch Corinna Hölzel, Pestizidexpertin beim BUND. Wissenschaftler warnen, dass allein schon die EU-Ziele zur Pestizidreduktion völlig umstrukturiert werden müssten, wenn Glyphosat weiter zugelassen wird.

Zulassung seit langem umstritten

Glyphosat steht bereits seit Jahren in der Kritik. Bei der letzten Genehmigung der EU wurden laut Pestizidatlas 2022 – einem Kooperationsprojekt von Heinrich-Böll-Stiftung, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) – Studienauswertungen der Hersteller ungeprüft übernommen. Die EU-Kommission forderte damals die Zustimmung der EU-Länder. Zünglein an der Waage spielte der damalige deutsche Agrarminister Christian Schmidt, der 2017 im Alleingang in Brüssel für die erneute Zulassung stimmte.

2019 verweigerte ein Gericht in Frankreich die weitere Zulassung von Roundup Pro 360. Ein Verbot von Glyphosat gehörte auch zu den Wahlversprechen von Emanuel Macron im vergangenen Jahr. Pläne für einen nationalen Glyphosat-Ausstieg Deutschlands macht die damalige Umweltministerin Svenja Schulze bereits 2018. Im Koalitionsvertrag legte die Ampel fest, das Totalherbizid in Zukunft zu verbieten. Nationale Verbote wären nach derzeitigem EU-Recht allerdings nicht im Alleingang möglich, solange das Totalherbizid auf EU-Ebene zugelassen ist.

In den USA gewannen mehrere private Kläger Verfahren wegen Gesundheitsfolgen von Glyphosat gegen den Herstellerkonzern Monsanto. Dessen Mutterkonzern Bayer musste deshalb bereits Kompensationen in Millionenhöhe zahlen. Im vergangenen Jahr wurde Bayer zudem von seinen eigenen Anlegern verklagt, da in Folge der Übernahme von Monsanto durch den Chemieriesen dessen Börsenwert um rund 40 Prozent gefallen war. Der Konzern startete im Sommer eine Petition für die Widerzulassung des Ackergifts und setzt sich auf EU-Ebene intensiv dafür ein. jb


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