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Kommune und BürgerenergieNeubau eines Pflegeheims war Impuls für Nahwärmenetz

Luftaufnahme von Kirchardt mit Pflegeheim, Heizzentrale und Kindergarten
In der Gemeinde Kirchardt gab der Neubau eines Pflegeheims (im Bild unten rechts) den Anstoß für den Bau eines Nahwärmenetzes, das jetzt auch kommunale Gebäude versorgt.  (Foto: UBP Consulting)

Bei der Wärmeversorgung spielen Kommunen eine wichtige Rolle. Öffentliche Gebäude mit Erneuerbarer Nahwärme zu versorgen, kann Initialzündung für private und Gewerbekunden sein. Ein Beispiel aus dem Kraichgau, realisiert mit Bürgerenergie.

27.04.2023 – Der Neubau eines Pflegeheims brachte in Kirchardt den Stein ins Rollen. 88 Einzelzimmer und 12 betreute Wohneinheiten im KfW-40-plus-Standard – so ein Projekt ist ohne erneuerbare Wärme nicht zu stemmen. Der Bauherr wandte sich an die Bürgerenergiegesellschaft Kraichgau, die in der Hügellandschaft im Nordwesten Baden-Württembergs seit 2010 die Energiewende voranbringt. Vorstand und Wärmeexperte Franz Bruckner fuhr hin und schaute sich vor Ort um. Er erzählt: „Als ich auf der anderen Straßenseite Schule, Rathaus und Schwimmbad sah, war für mich klar, wenn wir hier was machen, dann nicht nur fürs Pflegeheim, sondern auch für die kommunalen Gebäude.“

Bürgermeister und Bauamtsleiter befanden die Idee für gut. Die Heizungsanlage in der Schule war bereits erheblich in die Jahre gekommen. Die Kommunalakteure fanden außerdem Gefallen an dem Gedanken, das Ganze im Contracting – Planung, Bau, Betrieb und Finanzierung liegt beim Contractor – ausführen zu lassen. Es gab zwei Termine im Gemeinderat, dann fiel der Beschluss für das Vorhaben nahezu einstimmig.

Inzwischen ist das Projekt realisiert. Ein Auftragnehmer der Bürgerenergiegesellschaft hat die Heizanlage in der Schule saniert sowie mit neuer Steuerungstechnik ausgestattet, eine neue Heizzentrale hinter dem Pflegeheim und ein kleines Nahwärmenetz errichtet. Auf dem Kindergartendach wurde eine Solarthermieanlage installiert. Die Leistung der mit Holzhackschnitzel und Solarthermie betriebenen Heizzentrale liegt knapp unter 1.000 Kilowatt Heizleistung. Komplettiert wird das Ganze von einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des neuen Pflegeheims, die mit einem Batteriespeicher gekoppelt ist.

Mit Projektbeginn hatte das Team der Bürgerenergiegesellschaft auch bei privaten Anrainern um einen Anschluss ans Nahwärmenetz geworben. Die Apotheke ist bereits an Bord, weitere private Kunden werden jetzt sukzessive angeschlossen.

In den Wärmeprojekten, die Bruckner plant, bleibt er gern unter der Grenze von einem Megawatt Heizleistung. Sie fallen unter die erste Verordnung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (1. BImSchV) und sind verfahrens- und genehmigungsrechtlich etwas überschaubarer. Franz Bruckner war einer der ersten, die in den 70er Jahren Umwelttechnik in Deutschland studierten. Die Themen Boden und Wasser waren sein erstes berufliches Zuhause. Der überzeugte Umweltschützer ist nicht nur einer der Vorstände der Bürgerenergiegesellschaft Kraichgau, sondern auch Geschäftsführer des eigenen Beratungs-, Betriebs- und Bauunternehmens mit Schwerpunkt auf Wärmelösungen.

So glatt wie in Kirchardt läuft es nicht immer

Bruckner hat inzwischen viele Projekte an den Start gebracht und auch einige an den Nagel hängen müssen. Eine dieser Geschichten ist die eines pensionierten Ingenieurs, der Bruckner anrief, weil in seiner Gemeinde die Hauptstraße gerade komplett aufgerissen wurde, um Wasser-, Abwasser- und Stromleitungen zu erneuern. Müsse da jetzt nicht auch eine Wärmeleitung rein, lautete die berechtigte Frage. „Ja, das sollte man so machen“, war Bruckners Antwort. Auf der einen Seite des Orts war die Kirche, auf der anderen das Rathaus, weitere potenzielle Anschlussnehmer waren dazwischen vorhanden. Bruckner telefonierte mit dem Bürgermeister und stellte das Konzept im Gemeinderat vor. Doch dort wurde der Vorschlag abgebügelt. Das war vor fünf Jahren. „Damals war einfach das Gas zu billig und die Gaskessel vorhanden. Investitionen in ein Wärmenetz erschienen wenig sinnvoll“, berichtete Bruckner. Leider gab es von diesen nicht realisierten Projekten viel zu viele.

Andere Bedenken äußern Bürgermeister häufig in Bezug auf Anschluss- und Benutzerzwang. Jeder wolle gern wiedergewählt werden und deshalb keinen Einwohner mit dem Pflichtanschluss an ein Wärmenetz verprellen. Das ärgert Bruckner, zumal dies ja gesetzlich verankert sei und auch im neuen GEG seinen Niederschlag findet. „Das gehört zur Daseinsvorsorge. Wer das heute verschläft, wird es teuer nachholen müssen.“

Inzwischen – und spätestens seit letztem Jahr – sind viele Kommunen vertrauter mit dem Thema. Besonders in Baden-Württemberg, wo große Kommunen eine kommunale Wärmeplanung machen müssen, haben auch die kleinen eine Chance, von den Beratungs- und Förderangeboten zu profitieren.

Den entscheidenden Faktor sieht Bruckner im Vorbildcharakter der Kommunen, der ebenfalls per Gesetz definiert ist. Die kommunalen Gebäude sind zu mindestens 25 Prozent mit Erneuerbaren Energien zu versorgen. Deshalb sind Kommunen wichtige Ankerkunden für Projektierer. Auch das Finanzierungsgespräch mit der Bank wird sehr viel einfacher, wenn ein auf lange Sicht angelegter Vertrag mit der Kommune dazugehört. Um die kommunalen Gebäude herum dann andere Anschlussnehmer in die Planung aufzunehmen, ist relativ einfach.

Was immer hilft, sind gute Beispiele

Hier sollten sich Gemeinderäte auf die Socken machen und sich gezielt vor Ort informieren. Das Thema Heizung ist für die meisten sehr komplex und immer wieder finden sich Vertreter, die auch nach dem zweiten Termin noch grundsätzliche Fragen haben. Zurzeit bemerkt Bruckner zusätzliche Verunsicherung infolge der starken Medienpräsenz von Wärmepumpen. Die Zukunft liege in der Wärmepumpe schallt es von allen Dächern. Würden ganze Ortschaften ausschließlich mit Wärmepumpen nachgerüstet, hätte das vor allem in den Wintermonaten bei frostigen Außentemperaturen einen hohen Stromverbrauch zur Folge, so dass manches lokale Stromnetz an seine Grenzen kommen würde. Bei Dunkelflaute bedeutet dies zudem – zumindest für die nahe Zukunft – Strom aus fossilen Quellen zu nutzen.

Den Vorbehalten gegen Holzhackschnitzel begegnet Bruckner mit dem Argument, dass diese anders als Pellets immer regional eingekauft werden. Die Gedanken darüber müsse man sich vorher machen. Die Bedingungen in Deutschland sind in diesem Punkt sehr unterschiedlich. Wenn das Material aus der Durchforstung oder von Rückschnitten stammt, die beispielsweise beim Freihalten von Leitungen oder bei der Park- und Straßenpflege anfallen, ist dagegen nichts einzuwenden. Umweltverschmutzung durch Feinstaub ist jedenfalls weitgehend ausgeschlossen, da die modernen Anlagen über hocheffektive Filter verfügen und strenge Umweltauflagen einhalten müssen, aus ihnen steigt kein Rauch oder Qualm auf. Im Gegensatz zu einem Kamin in einem Privathaus, der mit 50 oder 70 Prozent Effizienz heizt, arbeiten die Anlagen mit 90 Prozent und mehr Wirkungsgrad.

Bruckner wird getrieben vom eigenen Anspruch, die Lösungen zu realisieren, die am meisten CO2 sparen. So kam er zur Wärme, denn am meisten CO2 spart, wer Heizöl ersetzt. Holz spielt für ihn dabei immer in Kombination mit Solaranlagen und Wärmepumpen eine wichtige Rolle, ist gleichsam ein Solarspeicher, dessen gespeicherte Energie im Winter abrufbar ist – in modernen Anlagen ohne Umweltsauerei und ohne zusätzliche Rodungen von wertvollen Gehölzflächen. Petra Franke


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