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NordlinkDeutsche Windenergie trifft auf norwegische Wasserkraft

Schlucht mit Wasserfällen in Norwegen
Norwegen hat viel Wasserkraft. (Pixabay / Free License)

Wohin mit dem überschüssigen Strom aus Windkraftanlagen, wenn Kohle- und Atomstrom das Netz verstopfen? Mit Nordlink, dem „grünen Kabel“ zwischen Deutschland und Norwegen, zeichnet sich eine erste Antwort ab.

30.11.2018 – Kaum etwas kann das Fehlen von Speicheranlagen bei der Stromerzeugung aus volatilen Quellen besser dokumentieren als reihenweise bewegungslos im Wind stehende Rotoren von Windkraftanlagen. Einer von mehreren möglichen Gründen: Sie dürfen sich nicht drehen, weil das Stromnetz voll ist und keine weitere Energie aufnehmen kann. Die Betreiber nehmen es gelassen, denn ihnen spricht das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in solchen Fällen Entschädigung für ihre „Ausfallarbeit“ zu, was den Verbraucher im Jahr 2017 rund 610 Mio. Euro kostete. Da darf man schon mal fragen, wann dieser Missstand endlich beseitigt und überschüssige Windenergie, wenn sie nicht mehr in das auf Atom- und Kohlestrom optimierte Stromnetz passt, anderweitig genutzt wird.

Grüne Energie austauschen

Wie eine Antwort aussehen kann, zeigt ein Konsortium, an dem zu jeweils 50 Prozent der norwegische Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Statnett und auf deutscher Seite die DC Nordseekabel GmbH & Co.KG mit den Gesellschaftern Tennet TSO GmbH (ÜNB) und der Bankengruppe KfW beteiligt sind. Im Rahmen eines Megaprojekts mit der Bezeichnung Nordlink lassen die beteiligten Gesellschaften zurzeit ein „grünes Kabel“ durch die Nordsee von Deutschland nach Norwegen verlegen.

„Mit Nordlink wollen wir zwischen diesen beiden Ländern grüne Energie austauschen“, erläutert Projektleiter Gunnar Spengel von Tennet den Zweck des Vorhabens. „Damit können wir demnächst Windstrom von Deutschland nach Norwegen exportieren und umgekehrt Wasserstrom aus Norwegen importieren. Wir können ferner mit Nordlink das deutsche Stromnetz stabilisieren, wir machen also den Energiemarkt stabiler, und wir schaffen einen Mehrwert für die Stromkunden beider Länder.“

Projekt der Superlative

Tennet hat im August dieses Jahres mit den Verlegearbeiten durch das Wattenmeer von Büsum in Schleswig-Holstein bis südwestlich von Sylt begonnen und will das 99 km lange Seekabel noch bis Ende dieses Jahres in den Wattboden einbringen. Jenseits von Sylt beginnt dann tieferes Wasser, wo weitere 55 Kilometer Seekabel bis zur Grenze der dänischen Hoheitsgewässer verlegt werden sollen. Dort wird das Kabelende dann mit dem bis 2019 im dänischen Nordseebereich zu verlegenden 228 Kilometer langen Kabelabschnitt mittels einer Seekabelmuffe verbunden. Der 134 Kilometer lange Abschnitt in den norwegischen Hoheitsgewässern ist bereits fertiggestellt. Die als bipolares System verlegten Seekabel mit einer Gesamtlänge von zweimal 516 Kilometern bringen es auf ein Gewicht von 80.000 Tonnen. Von den Anlandepunkten an der deutschen beziehungsweise norwegischen Küste geht es dann zu den Konverterstationen in Wilster (54 Kilometer) und Tonstad (53 Kilometer). Die Kabelverlegearbeiten sollen noch im Jahr 2019 abgeschlossen werden.

Nicht nur das Kabelsystem sowie die Konverterstationen und Umspannwerke sind imponierend, sondern auch die zugehörigen elektrischen Daten: Der Strom wird bei einer Gleichspannung von 525 Kilovolt (kV) mit einer Leistung von 1.400 Megawatt (MW) durch das Kabel getrieben. Diese Erzeugerleistung übersteigt den Wert eines normalen Kernkraftwerks etwa um das 1,5-fache. Der Wechselstrom aus den landgestützten Freileitungen des nationalen Übertragungsnetzes wird in Konverterstationen in Gleichstrom umgewandelt, um dann jeweils zu den Verbrauchern auf der anderen Seite zu fließen. Gleichstrom hat Wechselstrom gegenüber den Vorteil, dass er weniger Verluste verursacht.

Vorteile für Verbraucher und Volkswirtschaft

Tennet betont die Wirtschaftlichkeit des Projekts, die dank der Erträge aus dem Handel mit Übertragungskapazität gewährleistet sei. Die Erträge werde man zur Finanzierung anderer Netzprojekte oder zur Kostensenkung verwenden. Auch deutsche Verbraucher können laut Tennet von NordLink profitieren, nämlich dank niedriger Energiepreise.

Die Argumentation geht so: Wenn die Preise in Deutschland höher sind als in Norwegen, weil Windkraftanlagen und Solarzellen nur wenig Strom produzieren, können deutsche Übertragungsnetzbeteiber über das NordLink-Kabel elektrische Energie importieren, und zwar aus Wasserkraftanlagen, deren Wasserreservoirs zuvor zum Teil mit deutscher Windenergie gefüllt wurden. Der Wasservorrat dient also als Energiespeicher, den deutsche Verbraucher bei Bedarf nutzen können und dabei durch den Import von Energie aus preisgünstiger Wasserkraft profitieren.

Aber auch auf norwegischer Seite seien Vorteile zu erwarten. Dort werden sich nach Meinung von Tennet positive volkswirtschaftliche Effekte vor allem aus dem Energieüberschuss aufgrund gestiegener Produktionskapazität ergeben. Dies gelte besonders für Zeiten, in denen der Zustrom in die Wasserreservoirs hoch ist. In Trockenzeiten werden die norwegischen Verbraucher profitieren, weil dann ausreichend Strom aus deutschen Wind- und Solarenergieüberschüssen importiert werden kann.

„Meilenstein der Energiewende“

Projektleiter Gunnar Spengel fasst die Vorteile des Projekts so zusammen: „Nordlink ist ein echter Meilenstein in der deutschen Energiewende, eine einzigartige deutsch-norwegische Kooperation und auch eine echte technische und logistische Herausforderung.“ Nordlink werde, so der Tennet-Mann weiter, den Austausch Erneuerbarer Energien ermöglichen und damit Engpässen im deutschen Übertragungsnetz entgegenwirken. Ferner werde das NordLink-System die Versorgungssicherheit erhöhen, die CO2-Emissionen senken und damit die Umsetzung der Klimaziele unterstützen. Und nicht zuletzt werde es die Integration des europäischen Strommarktes weiter vorantreiben, was mit seiner Eingliederung in das Bundesbedarfsplangesetz als Notwendigkeit für den Energiemarkt gesetzlich verankert worden sei. Zudem habe die Europäische Union NordLink gemäß der neuen Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur den Status als „Projekt von gemeinsamen Interesse“ verliehen, was die hohe volks- und energiewirtschaftliche Bedeutung des Projekts auf europäischer Ebene unterstreiche. Wilhelm Wilming


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