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Die Kraft der KommunenDie Dorfgemeinschaft als Energiewende-Macher

Ein Dorf mit Windrädern im Hintergrund
In Feldheim fließt der Strom direkt von der Trafoübergabestation des Windparks in das Netz des Dorfwerks. Deshalb fallen keine Netzgebühren an. (Foto: Neue Energien Forum Feldheim)

Zahlreiche Dörfer in Deutschland gestalten seit Jahrzehnten ihre Energieversorgung in Eigenregie. Mitunter als widerspenstige Dörfer bezeichnet, haben die Konzepte zur Eigenversorgung heute Vorbildcharakter. Drei Beispiele erzählen von der Tatkraft kommunaler Akteure.

03.05.2023 – Im Sommer 2022 hat Brandenburgs Bauminister Guido Beermann das „erste energieautarke Dorf Deutschlands“ besucht. Seither wurde die Kunde vom Energiewunder Feldheim durch die ganze Republik getragen. Das kleine Dorf Feldheim hat gut 200 Einwohner und ist ein Stadtteil von Treuenbrietzen im Südwesten von Brandenburg.

Dabei wird immer wieder der Zusammenhang mit dem Putinschen Angriffskrieg auf die Ukraine hergestellt. „Die Energieautarkie von Feldheim ist jedoch schon vor Fukushima entstanden, nämlich 2010“, wie Bürgermeister Michael Knape am Telefon erzählt. „Damals gab es kein Gesetz, das dies verboten hätte. Diese Lücke in der Energiegesetzgebung haben wir genutzt.“

Alles hängt mit der Installation eines eigenen Stromnetzes im Dorf zusammen. Die meisten Familien sind Kommanditisten der Feldheim Energie GmbH & Co. KG, des eigenen Dorfwerks, das am ehesten mit einem Stadtwerk vergleichbar ist. 1.500 Euro investierte dafür jeder Dorfwerks-Kommanditist. Dank dieser Konstruktion kann das Dorfwerk den erneuerbar erzeugten Strom aus den örtlichen Windkraftwerken vor allem vom Erneuerbare-Energien-Unternehmen Energiequelle direkt beziehen.

„Der Strom fließt ohne Nutzung des umliegenden Verteilnetzes direkt von der Trafoübergabestation des Windparks in unser eigenes Netz“, erklärt Doreen Raschemann vom Förderverein Neue Energien Forum Feldheim e.V. Zudem verzichtet die Stadt Treuenbrietzen auf Konzessionsabgaben, was sonst ziemlich unüblich ist. Von Stadt-Seite heißt es deshalb dazu ergänzend: Alles zusammen führe dazu, dass den Haushalten der Strom sehr günstig verkauft werden könne, „quasi zum Selbstkostenpreis“.

Weil der Strom direkt am Anschluss der Erzeuger bezogen wird, werden auch keine Netz-Durchleitungsgebühren fällig. Im Sommer 2022 wurde der Strompreis sogar noch einmal gesenkt: Durch den Wegfall der EEG-Umlage kostet die Kilowattstunde in Feldheim gerade noch 11,9 Cent. Diesen preisgünstigen Strom bezieht sogar die Kommune selbst, und zwar für die Straßenbeleuchtung des Dorfs.

Neben Strom wird den Menschen von Feldheim auch Wärme sehr kostengünstig geliefert – für einen Kommandit-Anteil von 1.900 Euro. Die Wärme stammt aus der Biogasanlage eines örtlichen Schweinezüchters. Dass im Dorf auch noch eine Hackschnitzelheizung und ein Batteriespeicher als Regelkraftwerk für eine komplette Energiezelle sorgen, sind für die Feldheimer fast schon normale Nebensächlichkeiten - genauso wie das wenige Kilometer entfernte Solarkraftwerk. Von diesem Ansatz ist auch der Treuenbrietzener Bürgermeister Knape überzeugt: „Wir müssen die Energiewende dezentral zu Ende denken.“

Zusammen gehalten wird das Projekt vom Förderverein. Für Doreen Raschemann, die Vorsitzende, ist „im energieautarken Dorf Feldheim die Energiewende gelungen. Gemeinsam haben Bürgerinnen und Bürger, Kommune und Unternehmen ein Dorfwerk errichtet, das seit mehr als elf Jahren kostengünstig Strom und Wärme aus Erneuerbaren Energiequellen liefert.“ Eine wesentliche Voraussetzung dafür war „das eigene Stromnetz, das kein Netz der allgemeinen Versorgung ist“.

Von Seiten der Stadt Treuenbrietzen wird leicht relativiert: „Ja, das Projekt in Feldheim ist sehr speziell.“ Aber für die Kommune zeige das energieautarke Dorf Feldheim auf jeden Fall auch: „Bei entschlossenem Vorgehen der Bürgerschaft in Zusammenarbeit mit einem engagierten Unternehmen sowie der örtlichen Politik ist es durchaus möglich, ein bürgernahes, dezentrales und umweltgerechtes Energieversorgungssystem zu errichten.“ Auch wenn sich bislang anderswo wohl niemand in der aktuellen deutschen Energielandschaft ernsthaft und unbeugsam den offiziell geltenden Strompreisregeln so deutlich widersetzt wie dort.

Mausdorf – klein, aber energiereich

„Mausdorf hat Energie!“ steht auf einer Reihe Infotafeln im Milchhaus des Ortsteils der Marktgemeinde Emskirchen in Mittelfranken. Mitten hinein ins Dorf wurde dieser als Niedrigenergiehaus gebaute Dorf-Treffpunkt gesetzt. 3.500 Stunden Eigenleistung haben die Dörfler für den Schlusspunkt der Dorferneuerung aufgewendet.

„Mausdorf wirkt fast wie eine Betriebsanleitung für die Energiewende“: So hatte Bayerns damaliger Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) das Energiedorf bei seinem Besuch vor gut zehn Jahren gelobt. Noch heute prangt seine Unterschrift auf einem eingegrabenen Windmühlenflügel am Ortseingang des Dorfs, das nur etwas mehr als 200 Einwohner hat, aber viel mehr Industriearbeitsplätze. 2005, im Verlauf der Flurbereinigung, hätten die Mausdorfer erkannt, welche Chancen die finanzielle Unterstützung bei der Neuordnung der Fluren und der Dorferneuerung böten, erinnern sich einige noch. Vor allem die Energie-Geschichte ist dabei beileibe noch nicht zu Ende erzählt.

Es war vor allem die Vision, einen für Mausdorf optimalen Öko-Energiemix für Wärme und Strom zu kreieren. Die Gemeinschaft steht für sie im Vordergrund, betonen alle. „So haben acht Landwirte gemeinsam die Biogasanlage auf die Beine gestellt“, erzählt Uwe Markert, einer der acht. Schon 2006 ergab sich die Möglichkeit, der ortsansässigen Maschinenbaufirma Weiler Wärme zu verkaufen und dadurch die Anlage und die jährlich etwa 16.000 Tonnen Rohstoffe besser zu nutzen. 2011 hat die Bioenergie Mausdorf außerdem mit dem Bau des Nahwärmenetzes im Ort begonnen. Biogasanlage und Hackschnitzelheizung stellen heute genügend Wärme für 46 angeschlossene Wohnhäuser, ein Pferdegestüt und mehrere weitere Betriebe her. Die pro Jahr benötigten mehrtausend Kubikmeter gehäckseltes Holz liefert die Waldgenossenschaft Mausdorf zu.

Seit einiger Zeit übernimmt Mausdorf auch noch die Trocknung der Hälfte des im Landkreis anfallenden Klärschlamms, insgesamt 5.000 Kubikmeter pro Jahr. Genutzt wird dafür die im Abgas der Biogas-BHKW vorhandene Wärme. „Im trockenen Zustand wird der Klärschlamm zur Mitverbrennung an ein Bayerisches Kraftwerk geliefert. Das ist CO2-freier Brennstoff, im Heizwert mit Braunkohle gleichzusetzen“, berichtet Johannes Maibom, einer der Aktivsten.

Er ist auch einer der Geschäftsführer der Reuthwind GmbH & Co. KG, eine Gemeinschaft von Mausdorfern und Bürgern aus dem Nachbardorf Pirkach. Gemeinsam haben sie bereits drei Megawatt-Windkraftwerke und eine 12,5-MW-Freiflächen-Bürger-Photovoltaikanlage auf die Wiesen gestellt. Dank Wind- und Biokraft, Solarpark und jeder Menge Photovoltaik-Anlagen auf Haus-, Scheunen- und Fabrikdächern, exportiert Mausdorf zigmal mehr Strom, als im Dorf verbraucht wird.

„Bei der Energieversorgung nicht von Anderen abhängig zu sein, weil da die Wertschöpfung im Land bleibt“ – diesem selbstgesteckten Ziel ist Mausdorf also schon ziemlich gerecht geworden. Dennoch sind die Planungen noch nicht am Ende: Eine größere PV-Anlage unter den drei Windkraftwerken hindurch scheint im Bereich des Möglichen.

Ascha: Bioenergie und viel mehr

Auch die niederbayerische 1.600-Einwohner-Gemeinde Ascha ist auf dem Weg zur Autarkie: „Bioenergie-Kommune 2016“ war sie, ausgezeichnet auf der Grünen Woche 2017 in Berlin. 2021 erhielt sie den Climate Star des Klimabündnis Europäischer Städte; beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2022 war Ascha unter den Finalisten.  Doch nicht Auszeichnungen sind das, was Bürgermeister Wolfgang Zirngibl (CSU) reizt, sondern er wollte von Anfang an mehr: Echte Nachhaltigkeit nämlich. Oder wie er es lachend und ernst zugleich formuliert: „Die Erde retten.“ 1989 haben die „Aschinger“, wie sie sich selbst nennen, damit angefangen, als sie Alternativen zur vom Zweckverband Abfallwirtschaft Straubing geplanten größten Mülldeponie des Landes suchten. „Wir haben daraufhin beispielsweise den ersten Wertstoffhof im Landkreis errichtet.“ Der übrigens bis heute gut funktioniert, trotz der Anfangszweifel des damaligen Landrats. Und so wurde Ascha schon im Jahr 2000 „Umweltbewusste Gemeinde“. Über den „CO2NTRA-Klimaschutzpreis 2009“, das „Gold“-Label des European Energy Award im Jahre 2010 oder die TOP 3-Platzierung im Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2016, soll der Weg des Dorfes irgendwann in die echte Energieunabhängigkeit führen.

Denn Bioenergie-Kommune zu sein, das reicht den Aschingern bei weitem nicht. Bioenergie ist ein wesentlicher, aber eben nur ein Baustein. Und so produzieren auch hier Photovoltaik-Anlagen mehr Strom, als die Bürger und Firmen im Ort übers Jahr verbrauchen: Theoretisch ist die Elektro-Eigenversorgung also schon lange erreicht. Wichtiger scheint die Besonderheit: Heizölfreie Gemeinde. Fast alle Wärme im Ort stammt aus nachwachsenden Rohstoffen. Die sparen 100.000 Liter Heizöl jährlich ein.

Als Zirngibl 1990 zum ehrenamtlichen Bürgermeister der Gemeinde Ascha gewählt wurde, starteten jene Arbeitskreise, bei denen viele Bürger bis heute engagiert sind. Das 1998 gegründete Zukunftsforum Ascha (ZFA) koordiniert die vielfältigen Aufgaben auf dem Weg zur nachhaltigen und energieautarken Gemeinde. Weil die Wärme den größten Verbrauch verursacht, wollten die Bürger diesen möglichst regional decken. Weg vom Öl, hin zum Holz. Denn davon wächst im Bayerischen Wald immer noch wesentlich mehr nach, als geerntet wird. Viele Forstwirte sorgen für die Holzlieferung. Die Gemeinde ist bei der Nahwärmeversorgungsgesellschaft für inzwischen über 100 Kunden beteiligt. Für die Wärme werden nicht nur Hackschnitzel im Holzheizwerk verbrannt, es gibt unter anderem auch ein Blockheizkraftwerk, das mit Holzpellets betrieben wird. Es produziert daraus Holzgas; daraus wiederum wird Wärme und Strom, ausreichend für den Sommerbedarf an Wärme im Dorfnetz. Für die bäuerliche Biogasanlage musste Bürgermeister Zirngibl kämpfen: „Eine Bürgerinitiative war dagegen. Aber wenn man überzeugt ist, muss man den Weg weitergehen“: Letztlich war die Mehrheit im Gemeinderat dafür, wenn auch „Spitz auf Knopf“.

Aktuell wird ein neues Baugebiet ausgewiesen – natürlich mit einem Nahwärmenetz. Nur die Art der genutzten Energie sei noch offen, so der Bürgermeister. Im Gespräch seien Grüner Wasserstoff oder Kalte Nahwärme. „Wenn wir heute Baugebiete ausweisen, legen wir zuerst ein Energiepaket drüber. Aber wir nehmen die Bürger mit.“ Dies ist ein Lieblingssatz des Bürgermeisters – doch der ist ernst gemeint. Und deshalb konnte Zirngibl auch eine Veränderung in der Wahrnehmung feststellen: „Man spürt schon, dass die Bürgerinnen und Bürger stolz sind, Aschinger zu sein, weil wir das Ganze umfassend betrachten.“ Und was gerade energetisch passiert, wo produziert und wo verbraucht wird, können nicht nur alle Aschinger, sondern die ganze Welt am Energiemonitor im Internet verfolgen.

„Wir, also die Gemeinde, haben dabei noch nie Gewinn gemacht“, beteuert Zirngibl. Aber ansonsten bleibe ja die gesamte Wertschöpfung im Ort. Ob die Lieferanten von Hackschnitzeln, die Betreiber von Photovoltaik-Anlagen, der Bauer mit Biogasanlage, die Bauhandwerker, nicht zuletzt die Bürger mit günstigen Wärmeverträgen: Viele profitierten davon. Statt Geld für Öl auszugeben, bleiben auch die Energieausgaben im Dorf; „eine Million Euro bleibt da schon übrig“, hat der Bürgermeister ausgerechnet. Trotzdem: „Ist das wirtschaftlich? Diese Frage stellen wir nicht, sondern wir machen.“ Am Schluss sagt Wolfgang Zirngibl noch einen Satz, der hängen bleibt: „Nachhaltigkeit, das ist nicht einfach ein Kuchen, den man schnell mal backt. Nein, das ist ein langer Weg, und man muss ihn immer wieder hinterfragen.“ Das wiederum gilt wohl für jede Kommune, die energieautark werden will. Heinz Wraneschitz

Der Artikel erschien auch in der aktuellen Printausgabe der energiezukunft: Die Kraft der Kommunen


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