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InfrastrukturGasnetze gut geplant stilllegen

Pipeline im Bau in einem Waldstück
Nur sehr wenig Wasserstoff wird zukünftig in Gasnetzen transportiert. Die Stilllegung vorhandener Netze sollte gut geplant werden. (Foto: Ilya Yurukin auf PxHere / CC0 1.0)

Der in der nächsten Dekade anstehende Paradigmenwechsel – der Abschied vom fossilen Gas – wirft Fragen zum Umgang mit den Gasnetzen auf. Agora Energiewende hat sich die Interessenlage angeschaut und empfiehlt eine geordnete Stilllegung.

24.04.2023 – In einem klimaneutralen Deutschland wird ein Großteil der Gasverteilnetze nicht mehr gebraucht. Schon heute finden Kommunen nur mit Mühe Interessenten für den Betrieb und die Pflege der Infrastruktur, wenn sie neue Konzessionen vergeben wollen. Zu viele Risiken stecken in dem Geschäft. Eine teure Infrastruktur zu unterhalten, die absehbar – wenn auch erst in der nächsten Dekade – nicht mehr in Gänze gebraucht wird, ist nicht attraktiv. Da häufig Eigenbetriebe der Kommunen die Konzessionsnehmer sind, liegt zudem das finanzielle Risiko am Ende doch bei der Kommune.

Agora Energiewende hat sich angeschaut, welcher Weg für alle Beteiligten – Kommunen, Netzbetreiber und Verbraucher – gangbar erscheint, um finanzielle Risiken abzumildern und soziale Härten abzufedern.

Die geordnete und rechtzeitige Stilllegung der Gasverteilnetze bezeichnet Simon Müller, Direktor Deutschland von Agora Energiewende als eine zentrale Aufgabe in der Wärmewende. „Dadurch könnten die Ausstiegskosten gesenkt und Planungssicherheit geschaffen werden, was Netzbetreibern und Netzkunden gleichermaßen zugutekomme.

Laut der Analyse der Politikberater:innen sind nach 2045 nur noch zehn Prozent der vorhandenen Gasverteilnetze notwendig, die dann idealerweise bedarfsorientiert auf Wasserstoff umgerüstet wurden. Ohne eine geordnete Stilllegung von 90 Prozent der vorhandenen Netze drohen bis 2044 gestrandete Vermögenswerte von bis zu zehn Milliarden Euro und eine Versechzehnfachung der Netzentgelte für Gaskunden.

Ordnungsrahmen für Gasausstieg ist noch nicht gesetzt

Gegenwärtig sehe der Ordnungsrahmen jedoch keinen Ausstieg aus den Gasnetzen vor – eine dringende Aufgabe, denn langfristige Planung und Kommunikation helfen Kosten sparen. Kosten für den Betrieb, die Wartung und den Ausbau der Infrastruktur werden über die Netzentgelte auf die Gaskunden umgelegt. Mit fortschreitender Umstellung auf eine klimafreundliche Wärmeversorgung sinkt die Zahl der Gasanschlüsse absehbar, was für die verbleibenden Erdgaskunden zu steigenden Netzentgelten führt.

Überflüssige Investitionen und fortlaufende Betriebskosten aufgrund eines aufgeschobenen Ausstiegs verstärken diesen Kostenanstieg. Je älter das Netz ist, desto höhere Kostensteigerungen drohen, wenn Neuinvestitionen auf einen dauerhaften Erhalt ausgerichtet sind.

Gleichzeitig ist die Abschreibungsdauer der bestehenden Netze an die Nutzungszeit gebunden, die mit dem Ziel der Klimaneutralität 2045 begrenzt ist. Ohne eine vorausschauende Netzplanung und schnellere Abschreibungen ergeben sich laut Agora ab 2045 gestrandete Vermögenswerte von bis zu 10 Milliarden Euro, auf denen die Netzbetreiber sitzen bleiben würden.

Vorschläge als Paketlösung

Die Vorschläge von Agora beinhalten drei Handlungsfelder: eine effiziente Infrastrukturplanung, ein für die Verteilnetzbetreiber tragfähiger Rahmen und die soziale Absicherung von Netzkunden, die von hohen Netzkosten betroffen sind.

Kluge und langfristige Planung

Eine effiziente Infrastrukturplanung stellt laut dem Agora Vorschlag sicher, dass die Planungen für Wärme-, Strom- und Gas- beziehungsweise Wasserstoffnetze zusammengedacht werden und auch die Verfügbarkeit von erneuerbarem Wasserstoff berücksichtigen. „Alle großen Energiesystemstudien zeigen, dass nur ein Bruchteil des heutigen Erdgasbedarfs durch erneuerbaren Wasserstoff ersetzt werden wird“, sagt Müller.

Im Schnitt gehen die Studien davon aus, dass 2045 der Wasserstoffbedarf weniger als 30 Prozent des aktuellen Erdgasbedarfs betragen wird und vor allem in Kraftwerken und Industrieanlagen anfällt. Das hat direkte Auswirkung auf den Umfang der benötigten Infrastruktur. Die kommunale Wärmeplanung sollte mit einer Energie-Verteil-Strategie ergänzt werden.

Tragfähiger Rahmen für die Netzbetreiber

Um die Netzbetreiber vor Stranded Assets zu bewahren, schlägt Agora vor, die vollständige Abschreibung der Netzinvestitionen bis 2045 zu ermöglichen und Stilllegungen von nicht mehr benötigten Netzteilen anzureizen. Kostenintensive Verpflichtungen zum Netzrückbau sollten anhand klarer Kriterien auf ein Minimum begrenzt werden und stattdessen die Netze in der Regel lediglich stillgelegt werden. Im Gegenzug sollten die aus der Stilllegung resultierenden Kosteneinsparungen der Netzbetreiber schneller an die Kunden weitergegeben werden. Zudem sollte eine Verpflichtung bestehen, den Netzbetrieb so lange wir nötig aufrechtzuerhalten – was die aktuelle Vergaberegelung für Konzessionen so nicht vorsieht.

Die Netzkosten fair umlegen und frühzeitigen Wechsel ermöglichen

Bei einem geordneten Ausstieg aus den Erdgasverteilnetzen lassen sich die Netzkosten 2040 – durch sinkende Wartungs- und Betriebskosten – gegenüber einem unveränderten Ordnungsrahmen zwar halbieren. Dennoch steigen die Netzentgelte für die verbleibenden Kunden aufgrund der sinkenden Zahl an Gasanschlüssen. „Im derzeitigen Ordnungsrahmen würde im Extremfall der letzte Kunde, der noch ans Netz angeschlossen ist, die gesamten Netzkosten tragen“, sagt Müller.

Der Agora Vorschlag sieht deshalb eine soziale Absicherung vor. „In Ergänzung zu einem effizienten Ordnungsrahmen, kann ein staatliches Zuschusssystem den übermäßigen Anstieg der Netzentgelte gezielt abfedern", sagt der Agora Experte. Grundsätzlich sollte sichergestellt werden, dass der Umstieg auf zukunftsfeste Wärmelösungen bezahlbar und zugleich zügig umsetzbar ist.

Die Studie „Ein neuer Ordnungsrahmen für Erdgasverteilnetze“ hat Agora Energiewende in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen BET und der Rechtsanwaltskanzlei Rosin Büdenbender erstellt. Sie steht hier zum kostenlosen Download bereit. pf


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