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TennetNetzbetreiber will Netzausbau nicht überstürzen

Wirtschaftsminister Peter Altmaier besichtigt neue Strommasten
Netzausbau nicht notwendig? Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier informierte sich an Ort und Stelle. (Foto: © W. Wilming)

Während Wirtschaftsminister Altmaier den Netzausbau als wichtigstes Thema der Energiewende begreift, denkt Netzbetreiber Tennet laut über Sinn und Unsinn neuer Stromtrassen nach und präsentiert kritische Überlegungen. Mit vorhandenen Technologien und Speichern könnten neue Netze überflüssig werden.

11.12.2018 – Deutschland brauche den Netzausbau nicht, man könne den zusätzlichen Strom aus den Windenergieanlagen in Norddeutschland mithilfe einer intelligenten automatischen Systemführung problemlos über die bestehenden Netze in den Süden transportieren. Außerdem könne man bei drohender Überlastung den überschüssigen Strom in Großspeichern zwischenlagern, auch dann könne man auf den Netzausbau weitgehend verzichten.

So lauteten zwei kritische Einwände, die Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier auf seiner Netzreise 2018, die ihn zu den Brennpunkten des Netzausbaus führte, von Demonstranten mehrmals zu hören bekam. Tennet-Geschäftsführer Lex Hartmann zeigte im Laufe eines Pressegesprächs nun – unausgesprochen zwar und zwischen den Zeilen – ein gewisses Verständnis für diese Kritikpunkte, indem er neue entwicklungs- und technologiebedingte Überlegungen vorstellte, die in seinem Unternehmen dazu angestellt würden.

Netze für die Zukunft bauen – mit automatischer Systemführung

Hartmann gab zu bedenken, dass ein Netz, das man jetzt plane und baue, erst in zehn bis 15 Jahren realisiert und dann noch 40 Jahre lang in Betrieb sein werde. Und zwar in einer Welt, die dann sicher andere technologische Möglichkeiten haben werde als heute. „Wir müssen uns deshalb fragen“, so Hartmann weiter, „welches Netz wir im Jahr 2050 haben wollen, in einer Welt, die dann laut politischer Planung zu 80 Prozent mit Erneuerbaren Energien versorgt sein wird. Es zeichnen sich Entwicklungen ab, die wir heute noch nicht in unseren Netzplanungen berücksichtigen, was wir aber in Zukunft unserer Meinung nach unbedingt tun müssen.“

Die erste Entwicklung, die er meine, sei die automatische Systemführung. Damit wachse das Potenzial für eine effizientere Nutzung der Netze gigantisch, eine Steigerung von 30 Prozent und mehr sei denkbar. „Es würde bedeuten“, da ist sich Hartmann sicher, „dass wir mit den bestehenden Netzen mehr Energie transportieren können und deshalb im Endeffekt weniger Netze brauchen.“ Übrigens habe er die automatische Systemführung schon vor zwei Jahren angeregt, aber erst jetzt habe die Bundesnetzagentur zugesagt, diese Lösung zu fördern. Er freue sich über diesen großen Fortschritt. „Die Möglichkeit zur automatischen Systemführung“, darauf wies Hartmann außerdem hin, „beschränkt sich aber nicht nur auf das Transportnetz. Mit dem Demand Side Management gibt es auf der Verbraucherseite eine ähnliche Entwicklung.“

Ohne Speicher geht es nicht

Vor dem geschilderten Hintergrund der zukünftigen technologischen Entwicklung stellte Hartmann die Frage, ob man weiterhin Netze planen und bauen solle. „Oder sollten wir andere Wege suchen und sagen, das macht nicht so viel Sinn, wir brauchen andere Lösungen. Wir hätten zum Beispiel die Möglichkeit, auf der einen Seite Lasten zuzuschalten oder auf der anderen Seite Speicher zu bauen. Damit könnten wir überschüssige Energie auch längerfristig speichern und müssten sie nicht direkt abtransportieren.“

Eines sei aber sicher, fuhr Hartmann fort: „Wenn wir 65 oder 80 Prozent Erneuerbare Energien erreichen wollen – das wollen wir nicht nur, das müssen wir – dann brauchen wir diese Lösungen. Warum verknüpfen wir nicht die nächste Ausschreibung eines Windparks direkt mit der Aufforderung, auch eine Speichertechnologie anzubieten. Dann kann der Markt entscheiden, was die kostengünstigste Lösung ist. Wir dürfen in Zukunft auf keinen Fall das machen, was wir in der Vergangenheit gemacht haben, nämlich nach dem Motto vorzugehen: Bauen Sie und Sie kriegen Geld. Das hat dazu geführt, dass wir heute Solar- und Windenergie mit einem Betrag von rund 25 Mrd. pro Jahr subventionieren.“

Strom und Gas gemeinsam planen

Manchmal werde an ihn die Frage herangetragen, erzählte Hartmann, warum man die Planung von Strom- und Gasnetzen nicht zusammenfasse, und zwar europaweit, oder ob es das für unmöglich halte. Darauf könne er nur antworten: „Selbstverständlich ist es möglich; die Frage ist aber, ob es auch realistisch ist. Wenn wir uns anschauen, wie es momentan in Europa allein im Bereich der Stromnetze läuft, können wir ja nicht behaupten, dass wir in der Planung zusammenarbeiten; wir legen in Europa nur Einzelpläne zusammen.“

Es gebe nur einen Übertragungsnetzbetreiber, nämlich Tennet, der grenzüberschreitend arbeite, fuhr Hartmann fort. Dass man aber gemeinsam plane, könne man auch hier nicht sagen. „Doch das müssen wir auf alle Fälle machen, denn eines sollte klar sein: Das Ziel einer Energieversorgung, die zu 80 Prozent aus Erneuerbaren Energien besteht, erreichen wir nur bei einem europäischen Vorgehen.“

Mit welcher Speichertechnologie in die Zukunft marschieren?

Der vornehmlich von interessierter Seite immer wieder gemachte Vorschlag, bestehende Gasnetze als Energiespeicher für überschüssige Windenergie zu nutzen, ist natürlich auch bei Tennet bekannt. Bekannt ist aber ebenfalls, dass keiner der Übernetzbetreiber, nicht die Bundesnetzagentur und sicher auch nicht die Politik bisher eindeutig belegt hat, welche Technologie effizient genug ist, sich marktkonform durchzusetzen.

Wie Hartmann zu erkennen gab, drängt Tennet auf eine Entscheidung: Es müsse möglichst bald entschieden werden, mit welcher Speichertechnologie man in die Zukunft gehen wolle. Es stünden mehrere Möglichkeiten in Frage: „Wollen wir Windenergie in Wasserstoff umwandeln; machen wir das direkt an der Küste oder auf einer Insel? Wollen wir die „Power to Gas“-Technologie einführen, bei der wir synthetische Gase produzieren, die wir dann ins Gasnetz einspeisen können; diese Gase müssten wir dann allerdings anschließend wieder in Strom umwandeln; ist das wirtschaftlich genug? Oder wollen wir doch lieber große elektrische Batterieanlagen bauen und auf den Umweg über Gasnetze verzichten? Sie merken, wir brauchen eine Entscheidung, und dann sollte der Mark zeigen, was die effizienteste Technologie ist.“

Zum Schluss warnte Hartmann davor, sich hinzustellen und zu sagen, mit den bestehenden Gasnetzen haben wir bereits eine Speicher-Infrastruktur, und sie zu nutzen sei die beste Lösung: „Das ist der falsche Ansatz.“

Neue Technologien statt Netzausbau

Hartmann will, wie er selbst betont, als verantwortlicher Tennet-Manager sicherstellen, dass neue und zukünftige Technologien in die Planung neuer Netze Eingang finden und die Auftraggeber ihm somit später nicht vorwerfen können, er habe technologische Entwicklungen verschlafen oder ignoriert und nur zum kommerziellen Vorteil seines Unternehmens zu viel Netzkapazitäten aufgebaut.

Er plädiert dafür, den Netzausbau nicht zu überstürzen, sondern vorrangig die Entwicklung neuer Technologien zügig voranzutreiben, um das Ziel einer zu 80 Prozent aus Erneuerbaren Energien bestehenden Energieversorgung zu erreichen. Dazu gehört nach seiner Meinung zwingend, genügend Speichermöglichkeiten zu schaffen, sei es mit Batteriesystemen, „Power to Gas“-Anlagen oder der Gewinnung von speicherbarem Wasserstoff. „Andere Möglichkeiten sind am Horizont bislang noch nicht zu sehen“, so Hartmann am Ende seines Gesprächs. Wilhelm Wilming


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