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AgrorobotikEin solarbetriebener Roboter sät und erntet Gemüse

Der dänische Roboter „Farmdroid“ kann selbstfahrend Rüben, Raps oder Rote Bete säen und hacken. Betrieben wird er mit Solarstrom
Der dänische Roboter „Farmdroid“ kann selbstfahrend Rüben, Raps oder Rote Bete säen und hacken. Betrieben wird er mit Solarstrom. (Foto: Dierk Jensen)

Der dänische Roboter „Farmdroid“ kann selbstfahrend Rüben, Raps oder Rote Bete säen und hacken. Betrieben wird er mit Solarstrom. Ein Baustein auf dem Weg, die Landwirtschaft von fossilen Energien zu befreien und sie stattdessen mit Erneuerbaren Energien zu elektrifizieren.

30.06.2020 – Auf einem Feld südlich der dänischen Grenze. Viele große Windmühlen drehen sich behäbig im Wind. Die Sonne scheint aprilklar und der Farmdroid dreht stumm seine Bahnen. Und zwar sehr langsam, mit rund einem Kilometer pro Stunde. So ist von Weitem kaum wahrnehmbar, ob sich die selbstfahrende Sämaschine mit der Solaranlage on top tatsächlich fortbewegt. Aber von Nahem erkennt der Beobachter dann doch: Der Roboter fährt und sät Rüben und zwar immer gerade, nie kurvig; auch Richtungswechsel macht er nie kreisend, sondern nur eckig, in dem er sich im Stehen drehend per Funksignal in die gewünschte Richtung bringt.

Finn Johannsen und Christian Andresen gehen hinter dem sechsreihigen Säe-Roboter mit einer Arbeitsbreite von drei Metern in die Knie, greifen mit ihren Händen vorsichtig in den sandigen, sehr trockenen Boden. „Guck, hier liegt ein Rübenkorn und da das zweite“, sagt Christian und misst den Abstand mit dem Zollstock nach. „Passt genau, alle 20 Zentimeter legt der Farmdroid die Körner ab.“

Die beiden sind zufrieden, macht der Roboter doch das, was er vorgegeben bekommen hat. Die rund 800 Kilogramm schwere Maschine hat im April rund 20 Hektar auf zwei – im Übrigen nicht eingezäunten – Schlägen gesät; danach wurde er mit wenigen Handgriffen umgebaut, um dann nach der Saat sofort mit dem Hacken der Fläche zu beginnen. Wobei das Wort Hacken etwas irreführend ist, weil der Farmdroid Gräser und Beikraut im engeren Sinne nicht hackt, sondern stattdessen mit einem Stahldraht wegschneidet – in der Reihe wie zwischen den Reihen. Und zwar bis zu einem Abstand von nur einem einzigen Zentimeter zur Kulturpflanze!

Obschon alles noch im Testmodus läuft, sind Bioland-Landwirt Johannsen und sein Schwager Christian, Geschäftsführer der Solar-Energie Andresen GmbH im nordfriesischen Sprakebüll, durchaus zuversichtlich. Während Johannsen, der auf seinem Betrieb in der Hauptsache extensive Mutterkuhhaltung mit Shorthorn-Rindern betreibt, zukünftig auch Zuckerrüben in seine Fruchtfolge integrieren will, vertreibt Andresen mit seiner mittelständischen SEA seit kurzem den solarbetriebenen Farmdroid aus Dänemark.

Weg von fossiler Energie

Für die SEA GmbH, die in den letzten Jahren Photovoltaik-Projekte mit einer Gesamtleistung von 115 Megawatt auf den Weg gebracht hat und sich in Sprakebüll und der gesamten Region für die E-Mobilität auf Basis Erneuerbarer Energien engagiert hat, ist Agrarrobotik ein neues Geschäftsfeld. „Mein Hauptmotiv ist es“, hebt Andresen hervor, „die Landwirtschaft von den fossilen Energien wegzubringen und sie stattdessen mit Erneuerbaren Energien zu elektrifizieren.

Und dazu passt der Farmdroid, der mit einem aufmontierten Solarmodul mit einer Leistung von 1,6 kW ausgestattet ist und damit genug Gleichstrom erzeugt, dass der Roboter ständig arbeiten kann.“ Für diese Leistung reicht eine Fläche von nur 6,5 Quadratmetern. Dabei kommen die effizienten, monokristallinen 400-Watt-Module vom amerikanischen Hersteller Sunpower zum Einsatz. Da der arbeitende Roboter maximal 800 Watt pro Stunde braucht, kann bei einer maximalen Einstrahlung theoretisch 800 Watt in die vier unterhalb des Solardachs befindlichen 1,2 Kilowattstunden speichernden Bleigel-Batterien abgegeben werden. Diese maximal abgespeicherte Energie von 4,8 Kilowattstunden reicht, wenn es dämmert und Nacht wird, für theoretisch maximal sechs Stunden Antriebsreserve.

Mit anderen Worten: Im Mai und Juni kann der Farmdroid rund um die Uhr arbeiten. Von daher, schwärmt Andresen, „kann das selbstfahrende Gerät mit den Praxis-Erfahrungen aus diesem Frühjahr sogar mehr als 20 Hektar Zuckerrüben säen und hacken,  mehr als eigentlich erwartet.“

Kosten-Nutzen-Rechnung stimmt

Zumindest energetisch betrachtet klingt das überzeugend. „Wir treiben uns als Landwirte wieder selbst an”, bekräftigt denn auch Finn Johannsen. Aber wie rechnet sich das Ganze für ihn? Johannsen überschlägt auf die Schnelle. Der Roboter koste 65.000 Euro netto, beackert dabei etwa 20 Hektar Zuckerrüben. Der Nordfriese veranschlagt für die Aussaat 50 Euro pro Hektar Kosten, dazu kommen noch fünf bis sechs Hackgänge, wodurch mindestens 2.000 Euro Kosten pro Hektar, die er einsparen würde. Summa summarum rund 41.000 Euro pro Jahr. „Allein schon deshalb würde ich den Roboter jedem empfehlen, ist doch die Investition nach dem zweiten Jahr amortisiert”, meint Johannsen. Gleichzeitig warnt er aber auch: „Wer zu digitalen Geräten, ob nun Smartphone oder anderen Instrumenten keine Verbindung und gar keine Erfahrungen damit hat, der sollte die Finger lieber vom Roboter lassen.“

Auch ein Roboter braucht gute Betreuung

Denn es sollte klar sein, dass auch ein Roboter kein Perpetuum mobile ist. Sondern auch Arbeit macht und Know-how braucht. Dies führt zu der Frage, wie das Ganze eigentlich funktioniert. Christian Andresen versucht es mit wenigen Sätzen zu erklären: Es sei kein Hexenwerk, schickt er Voraus. Wichtig für die Steuerung des Farmdroids ist es, dass die zu beackernden Felder präzise vermessen werden. Dafür wird die sogenannte Technik der Echtzeitkinematik (RTK) verwendet, bei der über eine RTK-Antenne die jeweiligen Positionskoordinaten via Satellitensignale in die Software übertragen wird.

Dafür muss der Farmdroid per Schlepper in alle Ecken des Feldes gebracht werden; das nimmt schon mehrere Stunden in Anspruch, muss jedoch nur einmal vorgenommen werden, weil dann die Daten „für immer“ eingespeichert sind. Das Programm Simatic übernimmt dann die Wegsteuerung und versendet über SMS an den Landwirten letztlich drei Befehle: „Stopp“, „Go“ oder „Go to”. Einstellungen über die Tiefe der Saatablage oder der Abstand der Körner in der Reihe oder die Hacktiefe wird direkt am Gerät per Schraubenschlüssel vorgenommen. Und wenn plötzlich ein Platzregen auf das Saatbeet prasselt und alles verschlemmt? „Wenn es regnet, bleibt er stehen”, antwortet Andresen, da ein Sensor den Niederschlag messe.

Wow. Dann ist doch alles paletti, oder? Nicht ganz, gibt es noch viele offene Fragen zu Diebstahl, Versicherung, Sicherheit und Datenschutz. Dennoch: Im Jahr 2019 kamen schon zwölf Farmdroids in Dänemark zum Einsatz. „Darunter war ein Kunde, der den Roboter wieder zurückgab, weil er damit nicht klarkam. Ein anderer hat hingegen zwei neue dazu bestellt”, verrät Andresen, der sich in den Kopf gesetzt hat, schon im nächsten Jahr 40 Modelle allein im norddeutschen Bereich zu verkaufen. Wobei der Farmdroid auch für Saat & Hack- und Striegelpflege von Raps, Rote Bete und sogar Zwiebeln geeignet sein soll.

Alle reden über Digitalisierung, auch die Landwirtschaft wird daran nicht vorbeikommen

Dabei entbehrt es nicht einer gewissen, sagen wir mal, Brisanz, gerade in Zeiten von Corona, wo alle Welt über Chancen der Digitalisierung faselt, über neue, selbstfahrende Agrarroboter zu berichten. Denn gerade die Diskussion darüber, ob trotz des Shutdowns rumänische Saisonarbeiter beim Ernten auf deutschen Spargel- und Erdbeerfeldern per selbstgecharterten Flugzeugen eingeflogen werden dürfen, wirft doch ein besonderes Licht auf den zunehmenden Einsatz von Agrarrobotern.

Ob man nun der Digitalisierung skeptisch gegenübersteht oder nicht, Fakt ist, dass auch die Landwirtschaft nicht daran vorbeikommt, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Dass nicht alles „Automatische“ auch gut sein muss, ist ziemlich klar. Während andere noch überlegen, hat sich Bioland-Landwirt Johannsen schon heute – stückweit zumindest – in eine digital-ökologische Zukunft gestürzt –angetrieben aus Erneuerbaren Energien.

Neues Geschäftsfeld Agrorobotik

Den rasenmähenden Roboter im Vorgarten kennt mittlerweile jeder. Unterdessen kann das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) auf Anfrage aktuell nicht beziffern, wie viele selbstfahrende Maschinen auf Deutschlands Äckern und Feldern schon hacken, mähen, säen, stechen oder ernten. Darüber wird bislang noch keine spezielle Statistik geführt. Laut einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2017 nutzt aber mittlerweile schon jeder zweite Landwirt oder Lohnunternehmer digitale Technologien. Dabei ist nicht nur die Automatisierung im Stall (Melkroboter) in der Offensive, sondern auch auf den Feldern.

Neben dem dänischen Farmdroid gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Agrarroboter. Stellvertretend ist sicherlich ein Roboter aus den Niederlanden zu nennen, der Spargel automatisch stechen kann. Allerdings sei, so warnt eine Sprecherin des BMEL, der Einsatz von autonom fahrenden landwirtschaftlichen Maschinen „zurzeit aus juristischer sowie technischer Sicht noch nicht ohne weiteres möglich“.

Trotzdem will das Ministerium in den kommenden Jahren für Projekte der Digitalisierung in der Landwirtschaft eine Fördersumme von rund 60 Millionen Euro bereitstellen. Davon sollen allein 50 Millionen für die „digitalen Experimentierfelder” fließen, die vom Kompetenznetzwerk „Digitalisierung in der Landwirtschaft“ begleitet werden. Dierk Jensen


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