Menü öffnen

Solarenergie trifft LandwirtschaftGute Ernteerträge im Hitzesommer dank Agrophotovoltaik

Die Agrophotovoltaik-Anlage in Heggelbach am Bodensee
Die Agrophotovoltaik-Anlage in Heggelbach am Bodensee. (Foto: © BayWa r.e)

Der letzte Hitzesommer mit folgender Dürre hat den Landwirten Ernteausfälle beschert. Mit der Kombination von Solarstromproduktion und Landwirtschaft auf der gleichen Fläche profitieren Boden und Klima – und die Erträge können dabei sogar steigen.

18.04.2019 – Der Sommer steht vor der Tür, im März und April gab es bereits wieder sehr warme Sonnentage, es regnet kaum. Die geringen Regenmengen werden wohl nicht ausreichen, um die vom letzten Hitzesommer verursachte Dürre auszugleichen. Die Böden sind trocken und der prallen Sonne ausgesetzt. Das Bodenklima verbessern durch Verschattung und gleichzeitig Energie aus der Sonneneinstrahlung gewinnen – das schafft die Agrophotovoltaik.

Das Verbundprojekt Agrophotovoltaik – Ressourceneffiziente Landnutzung (APV-RESOLA) erprobt nun seit über zwei Jahren die Kombination von Solarstromproduktion und Landwirtschaft auf der gleichen Fläche. Über einer 0,3 Hektar großen Ackerfläche am Bodensee in der Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach wurden in fünf Metern Höhe Solarmodule mit einer Leistung von insgesamt 194 Kilowatt installiert. Bereits im ersten Projektjahr 2017 konnte das Projektteam unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesystem ISE eine Steigerung der Landnutzungsrate auf 160 Prozent nachweisen. Die Teilverschattung unter den Solarmodulen steigert dabei die landwirtschaftlichen Ernteerträge, die hohe Sonneneinstrahlung wiederum sorgt für die Solarstromproduktion.

Im Hitzesommer 2018 wurde das Ergebnis des Vorjahres sogar noch deutlich übertroffen: Die Landnutzungseffizienz lag bei 186 Prozent. Bei ihrer Ernte verzeichneten die Landwirte bei drei der vier angebauten Kulturen (Winterweizen, Kartoffeln, Kleegras, Sellerie) unter der APV-Anlage höhere Erträge als auf der Referenzfläche ohne Solarmodule. Besonders profitierte Sellerie mit einem Mehrertrag von 12 Prozent, während Winterweizen ein Plus von 3 Prozent und Kleegras ein Minus von 8 Prozent aufwiesen. Besonders profitieren Kartoffeln. „Bezogen auf Kartoffeln ergibt sich eine Steigerung der Landnutzungseffizienz um 86 Prozent pro Hektar“, berichtet Projektleiter Stephan Schindele vom Fraunhofer ISE.

Weitere positive Effekte der Agrophotovoltaik

Die Forscher der Universität Hohenheim, die das Projekt begleiten, stellten weitere Daten zu den mikroklimatischen Bedingungen unter und neben der aufgeständerten Solaranlage. Die photosynthetisch aktive Sonneneinstrahlung unter der APV-Anlage war rund 30 Prozent niedriger als auf der Referenzfläche. Neben der Sonneneinstrahlung beeinflusste die APV vor allem auch die Niederschlagsverteilung sowie die Bodentemperatur. Die Bodentemperatur unter den Solarmodulen lag im Frühjahr und Sommer jeweils unter jener der Referenzfläche, die Lufttemperatur war jedoch identisch. In den heißen und trockenen Sommermonaten 2018 war die Bodenfeuchtigkeit im Weizenbestand unter der APV-Anlage höher als auf der Referenzfläche. In den Wintermonaten sowie bei den anderen Kulturen lag sie indes darunter. „Wir gehen davon aus, dass die Pflanzen den von Trockenheit geprägten Hitzesommer 2018 durch die Verschattung unter den semitransparenten Solarmodulen besser verkrafteten“, bewertet Agrarwissenschaftlerin Andrea Ehmann die Ergebnisse. „Dadurch verdeutlicht sich auch das Potenzial der APV für aride Regionen, aber auch die Notwendigkeit weiterer Versuche in anderen Klimaregionen sowie mit zusätzlichen Kulturenarten“, sagt ihr Kollege Axel Weselek.

Solarstrom vor Ort speichern – Synergieeffekte für die Landwirtschaft

Die solare Einstrahlung lag 2018 mit 1.319,7 Kilowattstunden pro Quadratmeter um 8,4 Prozent über dem Vorjahr. Das steigerte die Solarstromproduktion im Erntejahr 2018 um zwei Prozent auf 249.857 Kilowattstunden, was einem außergewöhnlich guten spezifischen Ertrag von 1.285,3 kWh pro installiertem Kilowattpeak entsprach. Bei den Wenn es die Politik zulässt, kann die Agrophotovoltaik die Antwort auf die Tank-oder-Teller-Diskussion seinStromgestehungskosten pro Kilowattstunde ist der Strom aus einer Agrophotovoltaikanlage bereits heute wettbewerbsfähig mit kleinen PV-Dachanlagen, und die Forscher rechnen mit sinkenden Kosten aufgrund von Lern- und Skalierungseffekten. Wird der Solarstrom direkt vor Ort gespeichert und genutzt, wie bei der Hofgemeinschaft Heggelbach, ergeben sich für Landwirte durch Synergieeffekte zusätzliche Einkommensquellen. Die Nutzung von Elektrofahrzeugen zieht allmählich auch in die Landwirtschaft ein. „Wenn es die Politik zulässt, kann die Agrophotovoltaik die Antwort auf die Tank-oder-Teller-Diskussion sein, denn technisch betrachtet können Landwirte beides: durch die Doppelnutzung der Ackerflächen ihrer Kernaufgabe der Nahrungsmittelproduktion gerecht werden und zusätzlich durch die Bereitstellung von Solarstrom einen Beitrag zum Ausbau der Elektromobilität und zum Klimaschutz leisten“, sagt Stephan Schindele.

Potenzial für aride Regionen

Die Ergebnisse aus dem Hitzesommer 2018 zeigen das enorme Potenzial der Agrophotovoltaik für aride Klimazonen – also sehr trockene Klimazonen –, wo Kulturpflanzen und Nutztiere von der Verschattung durch die PV-Module profitieren können. Das Fraunhofer ISE plant Agrophotovoltaik-Projekte bereits in Schwellen- und Entwicklungsländern. Das Institut für den indischen Bundesstaat Maharashtra hat vor kurzem eine Studie angefertigt: Die legt nahe, dass sich durch die Verschattung und die geringere Verdunstung bei Tomaten und Baumwolle bis zu 40 Prozent höhere Erträge erreichen ließen. In einem Projekt im Rahmen des EU-Programms Horizon 2020 prüfen die Fraunhofer-Forscher mit Partnern in Algerien, wie sich die APV-Anlagen auf den Wasserhaushalt auswirken. Denn neben verringerter Verdunstung und niedrigeren Temperaturen spielt auch die Regenwassergewinnung mit PV-Modulen eine Rolle. na


Mehr zum Thema


energiezukunft