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Solarmarkt – KommentarMal etwas Dampf aus dem Kessel lassen

Photovoltaik, Solarpaneele, Solarenergie, aBendrot
(Foto: Karsten Würth on Unsplash)

Wie das Klima in der Welt ist auch das Klima im europäischen Photovoltaik-Markt überhitzt. Der Sturzflug der Solarmodul-Preise in so kurzer Zeit ist historisch – und hält an. Martin Schachinger analysiert die Auswirkungen auf den europäischen Solarmarkt.

21.11.2023 – Noch immer spielen die Modulpreise verrückt – mit normalen Marktmechanismen hat das allerdings kaum noch etwas zu tun. Nachdem es im vergangenen Monat schon danach aussah, dass sich die Abwärtsspirale der Preise verlangsamt, hat sie wieder Fahrt aufgenommen. Offenbar war es noch kein Trend, sondern nur eine kurze Verschnaufpause. Wieder haben die Preise in nur einem Monat um teilweise zweistellige Prozentwerte nachgegeben, was als historisch bezeichnet werden kann.

Noch nie in der Geschichte der Photovoltaik, also seit Beginn moderner Aufzeichnungen, sind Modulpreise in so kurzer Zeit so stark gefallen und haben ein so niedriges Niveau erreicht. Doch ein Ende ist noch nicht absehbar, die Gründe dafür folgen. Es lassen sich hier durchaus Parallelen zum Temperaturanstieg in der Erdatmosphäre und den dabei verzeichneten Rekorden ziehen, allerdings lässt sich die Fehlentwicklung bei den Modulpreisen viel leichter stoppen und sogar umkehren.

Wie das Klima in der Welt ist auch das Klima im europäischen Photovoltaik-Markt überhitzt. Das Jahr neigt sich dem Ende zu und die Photovoltaik-Nachfrage ist verhalten, wird sich eventuell noch weiter abkühlen – das stellt noch keine Besonderheit dar. Die Lagerbestände sind allerorts hoch und sollen zum Quartalsende zur Bilanzverbesserung abgebaut werden. Dazu werden Sonderpreise ausgelobt, um den Verkauf anzukurbeln – auch das ist nicht neu und passiert beinahe in jedem Jahr zum Winter hin. Allein die Panik, die sich im Markt breit gemacht zu haben scheint, ist außergewöhnlich.

„Alles muss raus, egal zu welchem Preis!“ - scheint die Devise zu sein, aber warum eigentlich?

Wer ein wenig rechnen kann, kommt schnell zu dem Schluss, dass der aktuelle Preisverfall die möglichen Kosten, die durch mehrmonatige Lagerung der Ware entstehen können, um ein Vielfaches übersteigt. Bleibt die Angst, dass die Produkte veralten, weil die Moduleffizienz immer weiter steigt und die eingelagerten Module mit geringer Modulleistung zu Ladenhütern werden könnten und daher unverkäuflich werden.

Bitte, wir reden hier nicht über Hochelektronik oder gar Batteriezellen. Diese müssen, sofern überlagert und tiefentladen, aufwendig regeneriert werden - aber doch keine monokristallinen Solarmodule, die beinahe unbegrenzt lagerbar sind! Hier kann doch wirklich Ruhe bewahrt, die Zufuhr an Neuware gedrosselt und abgewartet werden, bis sich der kontinuierliche Absatz von selbst wieder einstellt.

Es ist nicht zu befürchten, dass die Nachfrage nach Solarmodulen dauerhaft einbricht. Das kann doch niemand ernsthaft glauben! Warum also diese Aufregung?

Die Photovoltaik hatte sich doch schon zur preiswertesten Energielieferantin weltweit entwickelt, bevor wir die zu große Abhängigkeit von fossilen Energieträgern bemerkt und eine sogenannte Energiekrise heraufbeschworen haben. Sie war es auch schon, bevor der starke Modulpreisverfall eingesetzt hat. Dementsprechend ist der Bau von Photovoltaik-Anlagen nochmals deutlich attraktiver geworden, die Gestehungskosten für Solarstrom sind weiter nach unten gegangen. Also werden Projekte plötzlich wirtschaftlich, die bisher vielleicht noch in der Schublade geschlummert haben. Bei den aktuellen, aber selbst bei höheren Preisen wird die Nachfrage sehr bald sehr stark steigen. Wir müssen nur einfach ein wenig Geduld haben.

Es kann gut sein, dass die Modulpreise zum Jahresende vereinzelt nochmals fallen, denn es gibt in Europa – wenn nicht weltweit – offenbar noch reichlich Lagerbestände und einzelne Akteure stehen vielleicht mit dem Rücken zur Wand. Dennoch sollten alle anderen Marktteilnehmer einfach mal innehalten und dazu beitragen, dass sich das Preisniveau stabilisiert. Insbesondere bei den Zwei-Quadratmeter-Modulen sollte eine Stabilisierung möglich sein. Die produzierten Mengen sind hier nicht ganz so unüberschaubar, wie bei den größeren Formaten, denn der Einsatzbereich ist eher begrenzt.

Nur in Deutschland gab es bisher diese Größenbeschränkung im Bereich der Aufdachanlagen. In jedem anderen Land der Erde können und werden auch Module im Leistungsbereich jenseits der 450-Watt-Marke auf Wohnhaus- und Hallendächer geschraubt.

Damit haben wir aber auch gleich schon das Problem der großen unverkauften Modulmengen analysiert. Da in vielen Märkten das Projektgeschäft im Jahresverlauf eingebrochen ist, die Produktion der bereits bestellten oder avisierten Module aber bereits eingeplant war und nicht mehr rechtzeitig gestoppt werden konnte, kam es zumindest in Europa zur Schwemme bei großformatigen Modulen. Diese lassen sich aber in Deutschland, wo zumindest der Markt für kleine und mittlere Dachanlagen noch halbwegs funktioniert, gar nicht einsetzen. In anderen Ländern gibt es aber häufig noch keinen kontinuierlich laufenden Klein- oder Gewerbeanlagenmarkt, auch Sektorenkopplung ist vielerorts noch ein Fremdwort. So stauen sich vor allem Module mit einer Fläche über zwei Quadratmeter in den europäischen Warenhäusern.

Etwas Schwung in die scheinbar ausweglose Lage könnte aber der Umstand bringen, dass auch in Deutschland die Zwei-Quadratmeter-Grenze löchrig wird. Erste Bundesländer gewähren Installationen im Dachbereich offenbar bereits für Solarmodule bis zu einer Gesamtfläche von drei Quadratmetern, ohne eine bauaufsichtliche Zulassung zu verlangen.

Eine entsprechende Empfehlung hatte das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) kürzlich an die Bauministerkonferenz gegeben. Dennoch wird das kleinere Format meiner Prognose nach noch seine Berechtigung behalten. Module der 400- bis 450-Watt-Klasse sind für Schrägdachanlagen einfach handlicher und daher schneller zu montieren. Gerade beim aktuellen Trend zum Doppelglas-Modul bleiben diese Produkte mit etwa 22 Kilogramm Gewicht noch für eine Person zu bewegen. Auch die Platzierung auf kleineren, oft verwinkelten Dachflächen ist dank der geringeren Kantenlängen besser möglich.

Auf die hohen Modulleistungen muss der Kunde dennoch nicht verzichten, denn die technologische Entwicklung und damit verbunden eine Effizienzsteigerung schreitet voran. Mit den im Labor schon erreichten Zellwirkungsgraden bei Tandemzellen sind sehr bald auch kleinformatige Module mit 500 Watt und mehr in der Massenfertigung denkbar.

Auch hier haben zwar chinesische Hersteller die Nase vorn, aber vielleicht können ja Entwicklungskooperationen mit der Vorgabe, eine Multi-Gigawatt-Produktion in der EU aufzubauen, ein Königsweg sein, um in Zukunft auch wieder attraktive und preiswerte Produkte aus lokaler Fertigung zu bekommen, ohne sich laufend einer Preisschlacht und einem zerstörerischen Verdrängungswettbewerb ausgesetzt zu sehen. Martin Schachinger, pvXchange.com


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