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Urbane EnergiewendeSolarstrom in Städten – zwischen Hürden und Hoffnung

Der Berliner Möckernkiez zeigt bereits wie Mieterstrom und Eigenversorgung mit Photovoltaik funktionieren können. (Bild: © AEE, Paul Langrock)

Mieterstrom und Eigenversorgung können die Photovoltaik-Nutzung gerade in Städten vorantreiben. Bisher gibt es aber noch zu viele Hemmnisse – und ob die vielversprechende Erneuerbaren-Richtlinie Besserung bringt, ist längst nicht ausgemacht.

18.02.2020 – Eigentlich waren sich alle Anwesenden im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal der Berliner GLS-Repräsentanz einig, als BürgerEnergie Berlin und EWS Mitte Februar zu einer Veranstaltung unter dem Titel „Urbane Energiewende – Hoffnungsträger Photovoltaik“ luden. Einig, dass es mehr Zubau von Solarstromanlagen braucht, um die Energiewende voranzutreiben – insbesondere angesichts der aktuellen Flaute beim Aufbau neuer Windräder. Einig auch darin, dass gerade Städte viel Raum für Photovoltaik bieten und die Nutzung von Solarstrom auf Großstadtdächern ein idealer Weg wäre, den bisher noch deutlich unterdurchschnittlichen Ökostrom-Anteil in dicht besiedelten Regionen nach oben zu treiben.

Einigkeit gab es auch in der Bewertung der aktuellen politischen und rechtlichen Lage – und die fiel nicht allzu gut aus. Die theoretisch riesigen Dachflächenpotenziale werden aufgrund der aktuellen politischen Rahmenbedingungen viel zu wenig ausgeschöpft. Besserung könnte eine progressive Umsetzung der Vorgaben aus der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie bringen. Referenten und Teilnehmer begrüßten diesen Impuls, zeigten sich aber skeptisch, ob die nationale Ausgestaltung der Regelungen diese wirklich aufnehmen würde.

Eine entscheidende Hürde für die massenhafte Anwendung von Photovoltaik in Großstädten liegt oft in den Besitzverhältnissen. Der Großteil der Haushalte wohnt zur Miete, für die eine Solaranlage auf dem Dach früher kaum einen Mehrwert bot. Und in den besitzerbewohnten Häusern, müssen für den Bau von PV-Anlagen meist mehrere Parteien unter einen Hut gebracht werden. Zumindest für die Gruppe der Mieter*innen wurde bereits ein Nutzungsrahmen geschaffen: Mit dem 2017 eingeführten Mieterstromgesetz sollte es Ihnen einfacher gemacht werden, an der Energiewende zu partizipieren und gleichzeitig ökologische und soziale Belange voranzutreiben.

Die im Gesetz eingebaute jährliche Förder-Höchstgrenze von 500 Megawatt (MW) für entsprechende Projekte bezeugt aber gleichzeitig, dass die Bundesregierung diesem dezentralen Versorgungsmodell nicht allzu viel Raum geben wollte. Angesichts der sehr unattraktiven und bürokratischen Ausgestaltung des Gesetzes, wurden seit dessen Einführung vor 2,5 Jahren gerade einmal 17 MW realisiert, wie Timon Gremmels, energiepolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion auf der Veranstaltung berichtete. Der ohnehin fragwürdigen Obergrenze hätte es also nicht bedurft. Gremmels drängte beim Mieterstrom auf klare Verbesserungen, nicht zuletzt weil diese schon im Sommer 2019 von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zugesagt wurde. Auch die bundesregierungseigene Evaluation des Mieterstromgesetzes stellte deutlichen Überarbeitungsbedarf fest. Darüber hinaus wurde mehr Mieterstrom im Klimaschutzprogramm 2030 vereinbart.

Auch an anderen Punkten stockt das Programm, das Gremmels aber insgesamt besser als sein Ruf bezeichnete: So war eine Abschaffung des bisherigen 52-Gigawatt-Deckels vereinbart, der bislang das Auslaufen der Förderung für Photovoltaik beim Erreichen dieses Ausbaustandes vorsieht. Dies ist noch immer nicht umgesetzt, obwohl inzwischen auch der Bundesrat ein beschlussreifes Gesetz eingebracht hat – verzögert allein, weil Teile der CDU-Fraktion das Thema in „Geiselhaft“ nehmen, um die von ihnen geforderten Wind-Abstandsregelungen durchzusetzen, wie Gremmels kritisierte. Dabei drängt die Zeit, der PV-Deckel wird schon bald erreicht und diese unsichere Situation bedroht nicht nur den Mieterstrom, sondern den weiteren Photovoltaik-Ausbau insgesamt.

Nachdem die deutsche Gesetzgebung bei der Nutzung von Solarstrom insbesondere in dezentralen Versorgungsmodellen eher bremsend wirkt, kommt ein wichtiger Impuls zu dem Thema aus Europa. Mit der im Dezember 2018 als Teil des so genannten Winterpaketes verabschiedeten Erneuerbare-Energien-Richtlinie können die deutschen Definitionen von Eigenversorgung vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Neben mehr Klimaschutz waren bei der Erarbeitung der Richtlinie explizit Regionalität und Teilhabe wichtige Kategorien, wie Energierechtsanwalt Dr. Philipp Boos bei der Veranstaltung ausführte.

So ist vorgesehen, dass auf Eigenversorgung keinerlei Abgaben und Umlagen mehr erhoben werden dürften – und dies nicht nur bis zu der in Deutschland bisher geltenden Grenze von 10 Kilowatt (kW), sondern bis 30 kW. Auch müsse Strom aus dezentralen Anlagen, der nicht direkt verbraucht wird, mindestens mit dem Marktwert vergütet werden, wobei auch der Nutzen für Netz, Umwelt und Gesellschaft miteinbezogen werden soll. Diese vereinfachte Eigenversorgung soll aber nicht nur für Einzelhaushalte gelten, sondern auch (innerhalb eines Gebäudes) kollektiv möglich sein, was ganz neue Versorgungsmodelle gerade in städtischen Räumen sowohl für Wohnungseigentümer*innen wie auch Mieter*innen möglich machen würde. Diese Regelungen müssten von der Bundesregierung bis 30. Juni 2021 in nationales Recht umgesetzt werden. Wobei Boos aber auch auf viele Ausnahmemöglichkeiten in der Richtlinie hinwies, mit welchen man den sehr progressiven Ansatz dieses Vorhabens deutlich einbremsen könnte.

Gremmels befürchtete, dass die Richtlinie von der Bundesregierung gar nicht in der vorgegebenen Frist umgesetzt würde. Darüber hinaus attestierte er seinem Koalitionspartner der Union, fehlendes Verständnis für diesen stark dezentralen Ansatz der Energiewende. Statt PV auf allen Dächern würde bei der Union mehr auf zentrale Großtechnologie wie Offshore-Wind und Wasserstoff gesetzt.

Da der Zeitplan und die Ausgestaltung zu diesen neuen Eigenversorgungsregeln trotz des prinzipiell großen Potenzials noch unklar sind, konzentrierte sich die abschließende Diskussion der Veranstaltung auf die aktuellen Debatten in Deutschland. Neben der Abschaffung des 52 GW-Deckels und der Umsetzung längst zugesagter Verbesserungen beim Mieterstrom forderte etwa Anett Ludwig vom Verbraucherzentrale Bundesverband ein 100.000-Dächer-Programm für Mieterstrom-Projekte, um diesen Ansatz stärker anzuschieben. Und Sebastian Sladek von der EWS brachte die Stimmung auf den Punkt, indem er darauf hinwies, dass nicht Dächer oder Flächen das knappste Gut bei der Energiewende sind, sondern die Zeit. Daher müsse in allen Bereichen schneller vorangekommen werden. Die Photovoltaik und gerade die Nutzung von Solarstrom in Großstädten ist dabei ein entscheidender Baustein, der nun endlich stärker genutzt werden muss. Sven Kirrmann


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