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BEE-Wärmeszenario 2045Der Weg zur Wärme aus Erneuerbaren Energien

(Grafik: BEE)

Das Wärmeszenario des BEE weist Wege zu einer fast hundertprozentigen regenerativen Wärmeversorgung. Die darin enthaltene Verdoppelung der Biomassewärme kann in Frage gestellt werden. Richtig ist, dass Wasserstoff im privaten Heizungsbereich keine Rolle spielt.

02.02.2023 – „Europa steht nicht vor einer Gaskrise, sondern vor einer Wärmekrise!“ Diese Worte von Pedro Dias, dem Generalsekretär des Solarwärmeverbandes „Solar Heat Europe“, Ende Juni vergangenen Jahres in Brüssel getätigt, mögen zwar überraschend, ja provokativ klingen, aber sie treffen den Nagel auf den Kopf: ginge es nur um Erdgas als Chemiegrundstoff und nicht auch als Energieträger, man könnte trotz der benötigten großen Mengen auf Lieferungen aus den Niederlanden und Norwegen zurückgreifen. Aber es geht bei den fehlenden russischen Erdgasmengen auch um Wärme, um ungeheizte Wohnungen, frierende Kinder und kränkelnde Alte. Der Wärmesektor umfasst mehr als die Hälfte unseres Energieverbrauchs, wobei der Wärmebedarf der Industrie eingerechnet ist.

Nachdem man in den Jahrzehnten der Merkel-Administration blauäugig die gefährliche Abhängigkeit von russischen Energieexporten verschlafen und die Energiewende blockiert hatte, begann gleich nach dem Regierungswechsel 2021 ein energiepolitischer Aufbruch: Schon Ende Januar erschienen die „BEE-Maßnahmenvorschläge zur Beschleunigung der Wärmewende und des Klimaschutzes im Gebäudesektor“, Anfang Februar folgte das Positionspapier „Agenda Solarthermie 2022“ der Solarwirtschaft und zugleich die Roadmap „Tiefe Geothermie in Deutschland“ von verschiedenen Forschungsinstitutionen unter Federführung des Fraunhofer-Instituts für Energieinfrastrukturen und Geothermie (IEG). Wohlgemerkt, alle diese Papiere erschienen vor Beginn des russischen Angriffskrieges. Ende Mai aktualisierte der BEE seine Maßnahmenvorschläge und legte noch vor Jahresende mit dem BEE-Wärmeszenario 2045. Bilanzielle Darstellung der Umstellung der Wärmeversorgung auf 100 % Erneuerbare Energien nach.

Dieses letztere, 15 Seiten umfassende Szenario, ist gerade wegen der bilanziellen Darstellung und der damit verbundenen Gewichtung der einzelnen Erneuerbaren Energien interessant. Ausgehend von einer notwendigen Reduktion des heutigen Wärme-Endenergieverbrauchs von ca. 1.200 Terawattstunden (TWh) pro Jahr auf dann 900 TWh im Jahr 2045 (also noch rund 66% des heutigen Verbrauchs), führt das Szenario die Anteilsentwicklung der einzelnen Energieträger auf: „Fossile und Sonstige“ – wobei letzteres fossil generierten Strom und nicht-biogene Abfallverbrennung beinhaltet – sollen von heute 1.090 TWh auf 30 TWh bis 2045 sinken, Elektrokessel ihre Leistung mit 20 TWh von heute bis 2045 halten. Ansonsten sind überall Steigerungen bei den Wärmemengen der Energieträger zu verzeichnen: Biomasse von heute 130 auf 260 TWh, Wasserstoff von null auf 10 TWh, Tiefe Geothermie (tiefer als 400 Meter) von 2 auf 80 TWh, Strom von 10 auf 70 TWh, Wärmepumpen von 20 auf 340 TWh, und Solarthermie von heute 10 TWh auf 60 TWh im Jahr 2045.

Auch wenn man generell den hier aufgezeigten Entwicklungstendenzen zustimme mag, so ergeben sich doch einige Fragen und Kritikpunkte: Zum einen wird die Trennung von Elektrokessel und Strom nirgendwo erläutert. Auch ist fraglich, wieso der Energieträger „Fossile und Sonstige“ 2045 immer noch 30 TWh liefern soll; zwar dürfte die Energie fast ausschließlich aus nicht-biogener Abfallverbrennung stammen, aber dennoch dürfte die Angabe deutlich zu hoch sein, da eine verstärkte Abfallvermeidung wegen Ressourcenschonung und Verringerung des Produktionsenergiebedarfs unumgänglich ist. Kritisch zu sehen ist die Verdoppelung der Biomassewärme auf 260 TWh – das dürfte zu Konflikten mit dem Segment „Nachwachsende Rohstoffe“ führen, während Solarthermie (S. 6) und Tiefe Geothermie (S. 6 f.) nur mit Wärmemengen deutlich unter ihrem bekannten Potential in das Papier Eingang finden.

Auf den folgenden Seiten des Papiers wird das Wärmeszenario nach den Bereichen Gebäudesektor (dezentral), Industriesektor und Nah- und Fernwärme aufgeschlüsselt. Beim Gebäudesektor teilen sich die für 2045 geschätzten 430 bis 575 TWh wie folgt auf: Wärmepumpen 240 TWh, Biomasse 120 TWh, Solarthermie 25 TWh, Elektrokessel 10 TWh. Richtig gesehen wird dabei von den Autor:innen des Szenarios, dass 2045 Wasserstoff im privaten Heizungsbereich keine Rolle spielen wird, auch wenn heute die Gaswirtschaft und Teile der Industrie etwas anderes propagieren. Im Industriesektor, der teilweise einen größeren Bedarf an sehr hohen Temperaturen hat, sollen 2045 alle Energieträger bis auf „Fossile und Sonstige“ zum Einsatz kommen, insbesondere Bioenergieträger und Wasserstoff für die Höchsttemperaturen über 500°C.

Im Sektor Nah- und Fernwärme fehlt richtigerweise der Wasserstoff; dafür finden sich hier die ominösen, wohl als Müllverbrennung angenommenen 30 TWh „Fossile und Sonstige“. Die Autor:innen versäumen es hier festzuhalten, dass eine Absenkung der Netztemperaturen – und damit ein Umbau der „heißen“ Nah- und Fernwärme-Netze –  unabdingbar ist, um die Wärmeverluste in den Netzen zu minimieren. Da die bisherigen, auf Verbrennung von Energieträgern beruhenden Wärmeerzeuger nicht gut zu den Netztemperaturen in warmen und kalten Fernwärmenetzen passen, stellt sich die Frage, ob man nicht auf den teuren Umbau – z.B. müssen großflächig die Leitungsquerschnitte vergrößert werden – mancher Netze verzichtet, und sie lieber stilllegt. Das dürfte zwar nicht auf Begeisterung bei den regionalen, meist in kommunaler Hand befindlichen Wärmeversorgern, stoßen, könnte aber energie- und klimapolitisch notwendig sein. Zudem ließe sich der nicht-biogene Restmüll auch pressen, trocknen, und dann als Brennmaterial zur Erzeugung hoher Temperaturen im Industriesektor einsetzen.

Fazit
Das Szenario, in dem die Interessen der vom BEE vertretenen Verbände deutliche Spuren hinterlassen haben, weist Wege zu einer fast 100prozentigen regenerativen Wärmeversorgung. Der Hinweis des BEE, dass es dazu eines politischen Willens und der daraus resultierenden Rahmenbedingungen zu einer beschleunigten Wärmewende bedarf, ist zweifellos zutreffend.

Dennoch hätte es dem Online-Papier gut angestanden, auf ein paar praktisch kostenlosen Seiten mehr die sich ergebenden Fragen zu klären und Punkte ausführlicher zu erläutern. Hinter allem aber steht die große Frage, ob die Wärmewende aus Klimaschutz-Gründen nicht viel früher erfolgen müsste, und ob es 2045 nicht längst zu spät ist. Götz Warnke

Der Artikel erschien zuerst bei der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie DGS e.V.


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