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EisspeicherEin Dorf heizt mit Eis

mit Wasser gefülltes Becken - Eisspeicher
Da sie sich auch Kristallisationswärme bedient, arbeitet eine mit Eisspeicher verbundene Wärmepumpe besonders effizient. (Foto: Viessmann)

Das niedersächsische Wahrenholz setzt beim Wärmekonzept für ein neugestaltetes Dorfquartier auf eine Eisheizung. Nach zwei Jahren Betrieb zeigt eine erste Bilanz die außergewöhnliche Effizienz der innovativen Wärmepumpen-Lösung.

11.09.2023 – In Wahrenholz, nördlich von Wolfsburg im Landkreis Gifhorn, geht man für die kommunale Energie- und Wärmewende ungewöhnliche Wege. Statt auf herkömmliche fossile Heizungssysteme zu setzen, entschied sich die Gemeinde bei der neuentstehenden Dorfmitte für einen zentralen Eis-Energiespeicher als Quelle für die Wärmeversorgung.

Wärme aus Kälte

Bei dem Speicher handelt es sich um eine Wasser-Zisterne mit einem Volumen von 250.000 Liter, die einige Meter unter der Erdoberfläche vergraben ist. Spiralleitungen im Inneren, in denen frostsichere Sole zirkuliert, fungieren als Wärmetauscher. Diese haben zwei Funktionen: Entweder sie entziehen dem Wasser Wärme, die zur zentralen Wärmepumpe transportiert wird, oder sie führen der Zisterne Wärme aus der angeschlossenen Solarthermie-Anlage zu. Auch das umliegende Erdreich erwärmt die ungedämmte Betonzisterne.

Indem das Wasser seine enthaltende Wärme an die Wärmetauscher abgibt, sinkt seine Temperatur in der Heizperiode und es wird allmählich zu Eis. Bei diesem Gefrierprozess, während das Wasser den Aggregatzustand von flüssig zu fest ändert, wird besonders viel sogenannte Kristallisationswärme freigesetzt. Die freigegebene Energie entspricht derselben Menge, die man verbraucht, wenn Wasser von null auf 80 Grad Celsius erhitzt wird. Die zirkulierende Sole nimmt diese enorme thermische Energie des Wassers auf und bringt die Wärme zur Wärmepumpe. So kann die Kristallisationswärme zum Heizen genutzt werden. Die klimafreundliche Wärmeversorgung ist so allzeit sichergestellt.

Und nicht nur das: „In den Sommermonaten kühlen wir die Gebäude und nutzen dafür die im Eis gespeicherte Kälte“, erklärt der Bürgermeister von Wahrenholz, Herbert Pieper. „Indem wir kaltes Wasser durch die Fußbodenheizungen fließen lassen, können wir die Innentemperatur um etwa drei Grad herunterregulieren. Ohne diese Möglichkeit hätten wir Raumtemperaturen von teilweise bis zu 28 Grad.“ Durch die passive Kühlung erwärmt sich das Wasser in der Zisterne wieder und speichert so in den Sommermonaten Energie für die Heizperiode. Ein nachhaltiger Kreislauf entsteht.

Eis heizt effizient

Bereits seit 2021 versorgt die Eisspeicher-Heizung die ersten Gebäude im Quartier in der Wahrenholzer Dorfmitte. Auf einer Fläche von etwa 10.000 m² wurden mehrere Gebäude saniert, abgerissen oder neuerrichtet. Im Herbst 2023 soll das letzte Gebäude fertiggestellt werden. Die neue Ortsmitte soll auch für das Leben und Wohnen im Alter attraktiv sein.Entsprechend beheizt die Eisheizung neben einer Senioren-Wohngruppe, dem Gemeindebüro und -veranstaltungsraum auch die neue Hausarztpraxis des Dorfes. Im Vergleich zu den vorher mit Öl und Gas beheizten Altbauten auf dem Gelände spart die Eisheizung etwa 56 Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr ein.

Nach bald zwei Jahren zieht Bürgermeister Pieper Bilanz: „Unsere Eisheizung hat sich als besonders effizient erwiesen: Für eine Kilowattstunde Strom, die unsere an den Eisspeicher angeschlossene Wärmepumpe verbraucht, erhalten wir über fünf Kilowattstunden Wärme. Diese Effizienz wäre mit einer fossilen Lösung nicht denkbar gewesen und liegt auch noch höher als bei vielen anderen Wärmepumpen-Konzepten.“

Regionalverband fördert Innovation

Obwohl die Zahlen heute für die Wahrenholzer Eisheizung sprechen, schien diese Lösung bei der 2018 vorgestellten Machbarkeitsstudie wegen der hohen Investitionskosten zunächst kaum realisierbar. Glücklicherweise sprang der Regionalverband Großraum Braunschweig ein und förderte das Klimaschutzprojekt mit 200.000 Euro.

„Für uns als kleine Kommune wäre die Umsetzung ohne finanzielle Unterstützung kaum möglich gewesen und wir hätten mit konventionellen Heizungssystemen planen müssen“, erklärt Bürgermeister Pieper. „Aber die Investition zahlt sich aus: Dank der Eisheizung minimieren wir nicht nur den CO2-Fußabdruck unserer Gemeindegebäude, sondern haben wegen deren Effizienz auch deutlich geringere laufende Energiekosten. Es lohnt sich also direkt doppelt.“

Keine Lösung für die Breite

Es zeigt sich: Viel spricht für die Eisheizung. Verglichen mit verbreiteteren Erdwärmekollektoren oder -sonden ist ihr Flächenbedarf gering und für einen Einbau werden keine gesonderten Genehmigungen benötigt; Ihr Funktionsprinzip ist einfach und wartungsarm, der Betrieb effizient und preiswert.

Doch bei allen Vorteilen wird die Eisheizung auf absehbare Zeit ein Nischenprodukt bleiben. Schuld sind die bereits erwähnten hohen Investitionskosten: Bei Einfamilienhäusern übersteigen diese oft jene von gebräuchlicheren Wärmepumpen-Lösungen um mehr als das Doppelte. Das liegt zum einen daran, dass das Konzept noch wenig verbreitet ist und keine speziellen Förderprogramme bestehen. Zum anderen können Neubauten oft auch mit deutlich günstigeren Luft-Wärmepumpen effizient beheizt werden, bei denen ebenfalls keine Genehmigungen oder Erdarbeiten notwendig sind. Hinzukommt, dass auch passende Dachfläche für die Solarthermieanlagen vorhanden sein muss, um den Energiespeicher mit Wärme zu versorgen.

Auch im Quartierssegment werden Eisspeicher wohl primär eingesetzt werden, wenn lokale Gegebenheiten andere Lösungen ausschließen und der richtige Förderrahmen für Kommunen besteht. So wird der Eisspeicher von Wahrenholz wohl noch länger einzigartig bleiben. Finn Rohrbeck


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Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Pape, Ernst 13.09.2023, 17:54:24

„Fit for future“ war das Motto für die Dorfentwicklung

In Wahrenholz. Ich bin froh, dass wir uns getraut haben

solch einen neuen Weg zu gehen. Alle Neuen Dinge

haben am Anfang mutige Menschen gebraucht und wer

sollte, wenn nicht die öffentliche Hand, so etwas mal umsetzen.

Ernst Pape 1. stellv. Bürgermeister der Gemeinde Wahrenholz


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