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Urbane WärmewendeKommunaler Klimaschutz: Wien geht voran

Südsüdwestansicht des Kraftwerkes Donaustadt im 22. Wiener Bezirk Donaustadt.
Südsüdwestansicht des Kraftwerkes Donaustadt im 22. Wiener Bezirk Donaustadt. Im Hintergrund Kraftwerksblock 3, ein Kombiblock mit Gasturbine und Kondensationsentnahmedampfturbine sowie einer Kraft-Wärme-Kopplung, wurde im November 2001 in Betrieb genommen und verfügt über eine elektrische Leistung von über 350 MW sowie eine Fernwärmeleistung von bis zu 250 MW. (Foto: © Bwag / Wikimedia Commons / CC-BY-SA-4.0)

Was in punkto kommunaler Klimaschutz, insbesondere der urbanen Wärmewende und der Sektorenkopplung heute schon möglich ist, demonstriert das Beispiel Wien. Eine zentrale Rolle dabei spielen eine Dekarbonisierung der Fernwärme, Kraft-Wärme-Kopplung und Energieeffizienzmaßnahmen.

19.03.2019 – „Die Dekarbonisierung ist in der Praxis angekommen. Es gibt keinen Grund, diese auf die lange Bank zu schieben, schreiten wir zur Umsetzung.“ Dies unterstreicht Karl Gruber, der Geschäftsführer von Wien Energie. Das zu 100 Prozent kommunale Unternehmen ist mit über zwei Millionen Privatkunden, mehr als 200.000 gewerblichen Kunden, einer installierten Leistung von über zwei Gigawatt (GW) elektrisch und über drei GW thermisch sowie einem Jahresumsatz von rund zwei Milliarden Euro der größte Energiedienstleister Österreichs.

Anlass für die Dekarbonisierungsstrategie von Wien Energie war laut Gruber das Pariser Klimaschutzabkommen vom Dezember 2015. Zwei Szenarien zeigen die Wege und die nötigen Investitionen zu einer 80-prozentigen bzw. 100-prozentigen Dekarbonisierung der dicht bebauten Hauptstadt der Alpenrepublik bis zum Jahr 2050 auf.

Investitionen in Lebensqualität – die Menschen mitnehmen

Die nötigen Investitionen hierfür betragen 16 Milliarden Euro bzw. 28 Milliarden Euro. Der vergleichsweise hohe Investitionsbedarf für eine vollständige Dekarbonisierung ist vor allem auf die Kosten einer angenommenen 100-prozentigen energetischen Sanierung des Gebäudebestands zurückzuführen, das 80-Prozent-Reduktionsszenario geht von einer 58-prozentigen Sanierung des Gebäudebestands aus. Zudem erfordert eine 100-prozentige Dekarbonisierung einen vollständigen Umstieg auf Elektromobilität bei PKWs und leichten Nutzfahrzeugen und die Nutzung regenerativer Kraftstoffe wie Wasserstoff für den LKW-Verkehr. Beim 80-Prozent-Szenario beträgt der Anteil der E-Mobilität 45 Prozent.

Wobei Gruber seine Präferenz für eine möglichst weitgehende Dekarbonisierung unterstreicht. Es müsse darum gehen, „die variablen Kosten in der Zukunft durch Investitionen heute zu ersetzen“. Umso wichtiger sei es, die Menschen mitzunehmen, beispielsweise bei der Gebäudesanierung. „Diese Arbeit muss lokal gemacht werden und es ist eine Investition in die Lebensqualität, doch die Leute müssen auch damit einverstanden sein“.

Wärmebedarf senken und Rest erneuerbar decken

„Die größte Herausforderung ist es, die Wärme erneuerbar zu machen", betont Gruber. Hierbei setzt Wien Energie stark auf ein vorhandenes, weitläufiges Fernwärmenetz und Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sowie Effizienzmaßnahmen. Es müsse auch darum gehen, die bestehenden Anlagen und Infrastruktur zu erhalten, doch diese nicht mehr fossil, sondern erneuerbar zu betreiben. „Wir sollten nicht die Technologie und die Quelle in einen Topf werfen. Dem Gaskraftwerk ist es egal, ob das Gas aus Russland kommt oder aus Power-to-Gas“.

Eine zentrale Rolle spielt die aktive Bewirtschaftung des Fernwärmenetzes der knapp zwei Millionen Einwohner zählenden Stadt als Speicher für die Sektorenkopplung. Beim sogenannten Power Shift gehe es um die Nutzung des Netzes als Wärmespeicher, beim sogenannten Power Drop um die Kappung von Lastspitzen. Zudem gehe es darum, das Temperaturniveau des Wärmenetzes abzusenken, um Niedertemperatur-Erzeuger wie Geothermie oder Wärmepumpen effizient einbinden zu können, so der Geschäftsführer von Wien Energie. Als unverzichtbar sieht er es an, den jetzigen Wärmebedarf zu senken, vor allem über mehr Sanierung und Energieeffizienz, und den Rest regenerativ zu decken. „Die Wärmewende wird nur gelingen, wenn der vorhandene Wärmebedarf zurückgefahren wird“, sagt Gruber.

Geothermie und Solarthermie in die Fernwärme einbinden

Großes Potenzial sieht er in der Einbindung der Geothermie ins Wiener Fernwärmenetz. Liegt doch der Großteil des wirtschaftlich nutzbaren Geothermiepotentials Österreichs in Höhe von 700 Megawatt thermisch (MWth) im Bereich der Großstadt. Bereits installiert ist im Bezirk Simmering die mit rund 40 Megawatt (MW) größte Wärmepumpe Mitteleuropas, die den Kühlkreislauf vorhandener Kraftwerke sowie das Wasser eines Donaukanals als Wärmequelle nutzt. Diese speist ebenso wie eine 700 m2 große Solarthermieanlage mit einer Leistung von 1 MW ins Fernwärmenetz ein, künftig soll auch grünes Gas genutzt werden.

Rückgrat hierfür ist die stark ausgebaute KKW, die laut Gruber in der Lage ist bei einer kalten Dunkelflaute 50 Prozent des thermisch erzeugten Strombedarfs ganz Österreichs zu decken und über eine installierte Leistung von 1800 MWel und 1500 MWth verfügt.

Power-to-Heat und Schwarmkraftwerk

Vorne dabei ist Wien Energie auch im Bereich Power-to-Heat mit zwei Elektrodenkesseln mit je zehn MW Leistung im Stadtteil Leopoldau, die mit überschüssigem Netzstrom Wasser auf über 160 Grad Celsius erwärmen. Als besondere Vorteile sieht Gruber den hohen Wirkungsgrad sowie die schnelle Verfügbarkeit des Systems. So seien innerhalb von maximal zehn Minuten alle 20 MW verfügbar, beispielsweise bei einem Ausfall des Fernwärmenetzes. Dazu kommt ein Schwarmkraftwerk Flex Pool, in das derzeit 100 Anlagen eingebunden sind, die am Sekundär- und Tertiärregelmarkt vermarktet werden. „Derzeit arbeiten wir gemeinsam mit Siemens an einem Upgrade, künftig sollen in dem Pool 10.000 Anlagen eingebunden sein“, berichtet Gruber.

Vorzeigecharakter als energieautarkes Gebäude hat das „Greenhouse“ Studentenwohnheim mit einem Gesamtenergieverbrauch von unter 45 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter, einer Erzeugung Erneuerbarer Energien (u.a. Photovoltaik) von über 60 kWh pro Quadratmeter sowie der Zwischenspeicherung innerhalb des Gebäudes. Hans-Christoph Neidlein


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Kommentare

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Denkender Bürger 30.03.2019, 01:02:32

+222 Gut Antworten

da könnte sich Leipzig mal ein Beispiel nehmen!

Die haben ihren Fernwärmevertrag mit dem Kohlekraftwerk Lippendorf nicht verlängert und wollen für dieFernwärmeversorgung ein vermeintlich umweltfreundliches Gaskraftwerk errichten.

Das die Fernwärme ein Abfallprodukt des Kraftwerk Lippendorf ist, was so und so anfällt und ein Gaskraftwerk auch Betriebsstoffe braucht und Emmissionen produziert, ist den Verantwortlichen dabei offenbar entgangen.

So verpufft zukünftig die Abwärme im Kraftwerk Lippendorf eben ungenutzt in Schall und Rauch und Leipzig hat dann künftig eine Dreckschleuer mehr dastehen. Zugesetzt ist eben auch gehandelt.

Das Kraftwerk Lippendorf und der zugehörige Tagebau ist bis 2040 konzessioniert und es sieht auch nicht so aus, als ob sich das wesentlich ändern würde. Wenn dann mal konkrete Stillegungspläne für das Kraftwerk vorliegen, dannkann man über solche Sachen wie die Errichtung eines Gaskraftwerks nachdenken.

Aber unter den aktuellen Gegebenheitenl erweist man damit der Umwelt einen Bärendienst, der am Rande des Schwachsinns liegt.

Das ist eben das Janusgesicht der Öko-Lobby, was aber in der Öffentlichkeit viel zu wenig Beachtung findet.


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