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Erneuerbare WärmeMit mehr Fernwärme die urbane Wärmewende schaffen

Gullideckel mit Aufschrift Fernwärme
Viel ungenutzte Abwärme schlummert auch im Untergrund. (Foto: Sönke Rahn auf Wikipedia / CC BY SA 3.0)

Der Ausbau der Fernwärme in Städten könnte ein wichtiger Beitrag zur sozial-ökologischen Wärmepolitik sein. Die Zielmarke von 45 Prozent erneuerbarer Wärme im deutschen Wärmemarkt bis 2030 scheint realistisch – wenn die Förderbedingungen stimmen.

01.12.2020 – Im Stromsektor wurde in den letzten zehn Jahren viel erreicht – der Anteil Erneuerbarer Energien verdoppelte sich. Von solchen Erfolgsmeldungen ist der Wärmesektor weit entfernt. Der Anteil Erneuerbarer Energieträger im Wärmesektor stieg in der letzten Dekade gerade um zwei Prozent. Mit diesem Tempo ist die Wärmewende nicht zu schaffen.

Welche Potenziale die Fernwärme im Instrumentenkasten des Wärmesektors entwickeln kann, wurde nun in einer aktuellen Studie untersucht. Die Ergebnisse stimmen optimistisch. Erstellt wurde die Studie von Prognos und dem Hamburg Institut im Auftrag des AGFW, dem Energieeffizienzverband für Wärme und Kälte. Neben einem Ausbau der Fernwärmeversorgung gilt es, den Anteil Erneuerbarer Energien zu erhöhen – und das ist laut Studienergebnissen sehr wohl in relativ kurzer Zeit möglich.

Bereits bis 2030 könnte Fernwärme zu 45 Prozent aus Erneuerbaren Energien und Abwärme kommen, das wäre eine Verdreifachung gegenüber 2018.  Besonders Großwärmepumpen, Geothermie und Solarthermie sollen als Quellen ausgebaut werden.

Der Haken: Dafür sind zusätzliche staatliche Investitionen in Netze und Technologien notwendig. Denn keine der aktuell im Markt verfügbaren erneuerbaren Fernwärmequellen kann den Referenzpreis für Fernwärme unterbieten. Die erneuerbaren Technologien sind (noch) weniger wirtschaftlich als die fossilen. Um das zu ändern, bedarf es staatlicher Förderung. Die gute Nachricht: Die in der Studie errechneten Förderbedarfe sind überschaubar.

Wirtschaftlichkeitslücke für erneuerbare Wärme mit Förderung überwinden

Die Autoren der Studie errechneten einen Gesamtinvestitionsbedarf von rund 33 Milliarden Euro für den Aus- und Umbau der Fernwärme und die Steigerung des Anteils erneuerbarer Wärme bis 2030. Rund 16 Milliarden werden für den Netzausbau veranschlagt, 11 Milliarden für die Erzeugung erneuerbarer Wärme und Abwärme, für Anbindungsleistungen und Wärmespeicher knapp sechs Milliarden.

„Im Zeitraum bis 2030 ergibt sich zur Schließung der Wirtschaftlichkeitslücke ein Fördermittelbedarf für die Erzeugung von etwa 1,8 Milliarden Euro pro Jahr“, erklärte Marco Wünsch, Principal bei der Prognos AG bei der Vorstellung der Studie. Angesichts der über das EEG gewälzten Fördersummen sei das ein Aufwand, der sich allemal rechne.

Bestehende Instrumente wie das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) oder Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) deckten zum Teil Elemente des Ausbaus und der Transformation der Wärmenetze ab, beispielsweise die Förderung des Wärmenetzausbaus im KWKG. Die Förderung sei aber an die Stromerzeugung gekoppelt, so Wünsch. Erneuerbare Wärme werde mit diesen Gesetzen nur indirekt und in Verbindung mit der Stromproduktion gefördert. Weil Investitionen von Stadtwerken und Wärmenetzbetreibern langfristige Entscheidungen sind, brauche es verlässliche Rahmenbedingungen.

Derzeit erarbeitet die Koalition ein Förderprogramm, dass effiziente Wärmenetze unterstützen soll. Das Programm „Bundesförderung effiziente Wärmenetze“ könnte die bestehende Förderlücke im Bereich der erneuerbaren Fernwärmeerzeugung schließen – sofern die Ausgestaltung realistisch erfolge, betont Christian Maaß, Geschäftsführer des Hamburg Instituts. Eine ausreichende Fördermittelausstattung sei wesentlich für den Erfolg des Fernwärmeausbaus in den kommenden Jahren. Maaß betrachtet angesichts der steigenden Kosten für fossile Heizenergieträger und der oft hohen spezifischen Kosten für tiefgehende energetische Gebäudesanierungen die erneuerbare Wärme als sozialverträgliches Mittel der Wahl.

Wärmesektor ist noch nicht auf Kurs

„Wir brauchen etwas mit Wumms“, sagte Maaß bei der Vorstellung der Studie. Der Wärmesektor sei noch lange nicht auf Kurs. 22 Millionen Gebäude zu sanieren sei kleinteilig und langwierig. Im Gegensatz dazu könne man beim Ausbau der Fernwärme mit wenigen Maßnahmen und Akteuren schnell große Wirkung erzielen. Langfristig biete erneuerbare Fernwärme eine sichere Versorgung und stabile Kosten.

Besonders die Wärmelieferverordnung ist nach Meinung der Experten ein Hemmis auf dem Weg zu mehr Erneuerbaren Wärmeenergiequellen. Die Verordnung legt fest, dass bei einer Umstellung auf Fernwärme die Belieferung nicht teurer werden darf als der Durchschnittspreis für die Wärmeenergie der letzten drei Jahre. Die jetzt niedrigen Preise für fossile Wärme würden damit den Markteintritt erneuerbarer Wärme verhindern und die Gasheizung zementieren.

Für die Wohnungswirtschaft ist Fernwärme ein wichtiger Faktor

Auch für die Wohnungswirtschaft ist Fernwärme ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität. Fast 50 Prozent der Wohnungsbestände der im Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) vertretenen Unternehmen sind an die Fernwärme angeschlossen. „Dabei zeigt sich leider immer deutlicher, dass trotz aller Investitionen in die Energieeffizienz weder der Energieverbrauch noch der CO2-Fußabdruck der Wohnungen sinken“, resümiert der Präsident des GdW Axel Gedaschko. Es werde immer klarer, dass deutlich mehr Energie für Raumwärme und Warmwasser benötigt wird als in den Szenarien berechnet.

Hintergrund: Vor allem in Großstädten und mittelgroßen Städten stemmt die Fernwärme einen wesentlichen Teil der Wärmeversorgung. In Großstädten wird derzeit rund ein Viertel der Gebäude mit Fernwärme beheizt. In mittelgroßen Städten sind es 13 Prozent. Hinzu kommt die Versorgung der Industrie mit Prozesswärme. Diesen Anteil will die Wärmewirtschaft kräftig ausbauen: auf 48 Prozent bis 2030 in Großstädten und auf 20 Prozent in Mittelstädten. Langfristig soll die Fernwärme einen Beitrag von 30 Prozent der Wärmeleistung im Gesamtbestand erbringen. Heute beträgt dieser Anteil zehn Prozent.

Aktuell hat Gas mit 42 Prozent den größten Anteil an der Fernwärmeerzeugung, 18 Prozent kamen 2018 noch aus der Kohle, sechs Prozent aus Abwärme und ein Anteil von acht Prozent war Wärme aus dem fossilen Anteil der Müllverbrennung. Der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Fernwärmeerzeugung lag bei 15 Prozent. Der Kohleausstieg wird sich auch in der Wärmeversorgung in Form einer Lücke niederschlagen: Auf rund 15 Gigawatt Kohleleistung wird der Wärmesektor demnächst verzichten müssen. pf


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